Finanzen

Nord Stream 2: Eine Pipeline sollte keine politische Waffe sein

Jens Müller von Nord Stream 2 hofft, dass das Pipeline-Projekt nicht den aktuellen politischen Wirrnissen zum Opfer fällt. Das Projekt entspreche genau jenen Werten, die die EU für die Energieversorgung vertritt.
30.10.2016 01:26
Lesezeit: 4 min
Nord Stream 2: Eine Pipeline sollte keine politische Waffe sein
Die ersten Röhren für die Nord Stream 2-Pipeline trafen am 26. September 2016 in Kotka (Finnland) ein. Der Beginn der Arbeiten zur Betonummantelung ist für Anfang 2017 geplant. (Foto: Nord Stream 2, Axel Schmidt)

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Neben den Russland-Sanktionen gerät nun auch der Bau der Pipeline Nord Stream 2 in den Blickpunkt der Politik. Der polnische Europa-Minister schrieb kürzlich in einem Gastbeitrag für die Financial Times, dass das Projekt Nord Stream 2 nicht mit den europäischen Werten zu vereinbaren sei.

Jens D. Müller: Dabei bedarf es einer genauen Betrachtung von europäischen Werten der Energieversorgung ebenso wie der Prüfung von europäischen Zielen bei anderen aktuellen Herausforderungen. Nord Stream 2 entspricht eindeutig den drei Hauptzielen der EU-Energiepolitik: Versorgungssicherheit, Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit.

Versorgungssicherheit, denn Nord Stream 2 gewährleistet die Lieferung benötigter zusätzlicher Gasmengen mit einer zusätzlichen Infrastruktur und ist nur ein Teil der zukünftigen Lösung, zu der auch andere Gasquellen und Transportwege ihren Beitrag leisten müssen. Wettbewerbsfähigkeit, da Nord Stream 2 den Zugang zu den günstigsten Gasquellen auf dem effektivsten Weg liefert. Und Nachhaltigkeit, denn über Nord Stream 2 geliefertes Gas könnte spürbar zur Reduzierung von CO2-Emissionen beitragen, wenn es zum Ersatz von Kohle eingesetzt wird.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Ähnlich negativ äußerte sich zuletzt auch der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion im EU-Parlament, Manfred Weber. Lawrow hingegen warnte vor einem Stopp des Baus. Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen den in Erwägung gezogenen Sanktionen gegenüber Russland und der Kritik an Nord Stream 2?

Jens D. Müller: Als Projektentwickler können wir die Nutzung eines Infrastrukturprojekts zur politischen „Bestrafung“ eines Landes, wie es im Artikel der Deutsche Wirtschafts Nachrichten vom 24.10.2016 heißt, nicht kommentieren. Offensichtlich wird aber ein Infrastrukturprojekt für politische Zwecke durch diejenigen genutzt, die diese der Versorgungssicherheit dienende Pipeline oftmals als politische Waffe darstellen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wie beurteilen Sie die anhaltende Diskussion über Nord Stream 2?

Jens D. Müller: Wir sind uns als Projektentwickler der politischen Dimension der Debatte bewusst. Dennoch ist die politische Diskussion als Ausdruck von wirtschaftlichen Interessen und dem sich verschärfenden Wettbewerb zu verstehen. Ob Transitgebühren für die Ukraine oder die Slowakei, die Exportambitionen für LNG aus den USA oder die polnischen Pläne, ein nordosteuropäischer Hub zu werden – derartige legitime Wirtschaftsziele sollten nicht hinter politischen Argumenten versteckt werden.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Ist Nord Stream 2 in Gefahr?

Jens D. Müller: Aufbauend auf der Machbarkeitsstudie aus 2013 erfolgten die technischen und ökologischen Detailplanungen. Wir haben Einkaufsverträge für die Lieferung vom mehr als 2 Millionen Tonnen Stahl unterzeichnet. Ende September haben die ersten Rohre die finnische Ostseeküste erreicht, wo Anfang 2017 die Betonummantelung beginnt. Bis Ende des Jahres wird auch über die Auftragsvergabe für die Offshore Pipelineverlegung entschieden worden sein.

Zusätzlich zu den bereits vorhandenen Umweltuntersuchungen des ersten Nord Stream-Projekts wurden weitere 40.000 km auf der See durch 14 Untersuchungsschiffe absolviert. Diese Erkenntnisse fließen in die Umweltverträglichkeitsuntersuchungen ein, die den Kerngegenstand der Genehmigungsprozesse bilden. In Schweden haben wir einen entsprechenden Antrag bereits im September eingereicht, in Deutschland, Dänemark, Finnland und Russland starten die jeweiligen nationalen Verfahren Anfang 2017. Damit sind die Voraussetzungen geschaffen, um 2018 mit dem Bau zu beginnen und Ende 2019 in Betrieb zu gehen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Welche wirtschaftlichen Folgen hätte ein Stopp des Baus?

Jens D. Müller: Das Projekt hat die Unterstützung führender europäischer Energieunternehmen und stärkt nach Expertenmeinung zweifelsfrei die Versorgungssicherheit. Als die Umsetzung von Projekten wie Nord Stream 2 erfolgt auf der Grundlage geltenden nationalen und internationalen Rechtes. Die Behörden der Länder, deren Gewässer die Pipeline kreuzt (Russland, Finnland, Schweden, Dänemark und Deutschland) werden auf Basis unserer Anträge über die Erteilung der Genehmigung entscheiden. Nord Stream 2 wird dabei alle geltenden Gesetze einhalten, darunter auch die Umweltverträglichkeitsprüfungs(UVP)-Richtlinie der EU sowie das Espoo-Übereinkommen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: In einer aktuellen Resolution des EU-Parlaments heißt es unter anderem „Die Verdoppelung der Kapazität der Nord Stream-Pipeline könnte kontraproduktive Auswirkungen auf die Energiesicherheit, die Diversifizierung der Versorgungsquellen und die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten haben“. Was bedeutet die Resolution für Nord Stream 2?

Jens D. Müller: Das EU-Parlament hat einen „Report on EU strategy for liquefied natural gas and gas storage”, (2016/2059(INI)), angenommen, deren Kern nicht Nord Stream 2 war. In diesem langen Dokument gibt es 3 von 76 Abschnitte zu Nord Stream 2, deren Inhalt aufgrund der wirtschaftlichen und politischen Interessen verschiedener Seiten nachvollziehbar ist.

Diversifizierung ist ein Schwerpunkt der EU und ihrer Mitglieder und es wurden enorme Fortschritte erzielt. Im Sinne der Verbraucher hat sich der Wettbewerb intensiviert und wird es weiter tun. Der Anteil russischen Gases am Gasverbrauch der EU beträgt 30 Prozent, was alles andere als Abhängigkeit bedeutet. Offensichtlich ist also die politische Debatte der einfachste Weg, um Wettbewerber in Sachen Gaslieferung und -transport zu limitieren.

Während sich gewisse politische Kreise immer wieder an einer „Unterauslastung“ von Nord Stream mit hervorragenden 80 Prozent reiben, liegt z.B. die Auslastung der LNG-Kapazitäten in der EU bei 25 Prozent. Regierungen wie in Polen oder Litauen kommen angesichts der hohen Investitionen in LNG und deren Auswirkungen auf den Gaspreis in Erklärungsnot. Außerdem ist der Parlamentsbeschluss ein geeignetes Mittel, weitere EU-Förderung zu stützen. Immerhin hat die EU z.B. 134 Millionen Euro (von gesamt 750 Millionen Euro) allein für den LNG-Terminal in Swinemünde gezahlt, für den Verträge von jährlich 1 bcm bei einer Kapazität von 4,5 bcm abgeschlossen wurden.

Eine Stellungnahme des Parlaments mit direktem Bezug zu Nord Stream 2 hat es in diesem Jahr aber schon gegeben. Im Frühjahr haben nach monatelangen politischen Anstrengungen von innerhalb und außerhalb der EU zur Mitwirkung 25 Prozent Parlamentarier eine Erklärung gegen Nord Stream 2 unterzeichnet. Die Interpretation dieses Ergebnisses obliegt dem Betrachter.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wie ist die Stimmung in Russland?

Jens D. Müller: Wir sind ein Unternehmen mit Sitz in der Schweiz und können die Stimmung in Russland nicht kommentieren.

***

Jens D. Müller ist Media Relations Manager bei Nord Stream 2.

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