Politik

Österreich-Presse: „Sechs Jahre Schlafwagen statt Geisterbahn“

Lesezeit: 2 min
04.12.2016 19:30
Die österreichischen Medien zum Ergebnis der Bundespräsidentenwahl.
Österreich-Presse: „Sechs Jahre Schlafwagen statt Geisterbahn“

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die Presse kommentiert:

Alexander Van der Bellen hat sich ruhige Tage in der Hofburg und zuvor eine kleine Kur verdient. Die zwölf Monate waren eine sichtbare Belastung für den neugewählten Bundespräsidenten, viele intellektuelle Tiefpunkte in den Auseinandersetzungen mit einem rhetorisch mehr als harten Gegner haben den Mann gezeichnet... Van der Bellen wird kein schlechter Bundespräsident werden, er wird in die Fußstapfen Heinz Fischers steigen, vermutlich weniger reisen und sich ausgiebiger mit hiesigen Denkerzirkeln beschäftigen als sein Vorgänger. Aber sonst wird das Amtsverständnis ähnlich sein: zuhören, mahnen, vermitteln und hinter den Kulissen gut zureden. Van der Bellens Schlafwagen statt Hofers Geisterbahn eben.

Die Oberösterreichischen Nachrichten analysieren unter dem Titel "Von wegen Rechtsruck. Das Land will Ruhe" die Folgen für die FPÖ:

Ihr gelingt es mit ihrer kantigen Politik zwar, viele Leute hinter sich zu scharen – und das wird auch über den Wahltag hinaus so bleiben. Sie gibt mit ihrer Lautstärke den Ton an, sie sammelt die Unzufriedenen und die Politikverdrossenen, sie heizt den Kessel an. Aber dafür zahlt die FPÖ eben einen besonders hohen Preis in Form einer strikten Ablehnung durch eine Mehrheit der Bürger. Anders ist die gestrige Wahl eines vom Rande kommenden Kandidaten ins höchste Amt nicht zu erklären. Es ist ein Votum für Van der Bellen, aber mehr noch eines gegen Hofer. Trotzdem wird die FPÖ ihre Strategie nicht ändern. Sie will Strache ins Kanzleramt bringen, sie wird laut und anders bleiben und die gestrige Wahl mit einer Niederlage gegen das „gesamte System“ erklären.

Der Standard schreibt:

Van der Bellen hat nicht nur überzeugte Anhänger zur Stimmabgabe gebracht, sondern auch darüber hinaus mobilisieren können: all jene, die für ihn nach dem Motto "Das kleinere Übel" gestimmt haben; und andere, die sich nicht wundern wollten nach diesem Wahltag. Van der Bellen konnte auch all jene zur Stimmabgabe für ihn bewegen, die Angst hatten vor einem Klima in Österreich, in dem antisemitische und fremdenfeindliche Aussagen immer alltäglicher werden; in dem die Freiheit der Kunst, der Wissenschaft und der Medien infrage gestellt wird; wo Diskriminierung und Hetze zum "guten Ton" gehören. Kurzum: Die von Karl Popper propagierte "offene Gesellschaft" stand mit zur Abstimmung.

Die Kronen-Zeitung urteilt:

Auch im Elfenbeinturm der heimischen Intelligenzija, der zu recht besorgten Mahner, der ehrlich beherzten Linken und der etwas weniger ehrlichen politischen Betonierer, knallten die Champagnerkorken: Die Strategie der Angst vor jeder Veränderung ging auf. Und Norbert Hofer war als Gegenkandidat zu unösterreichisch, einfach zu Trump.

Die Salzburger Nachrichten bringen die Einschätzung der Austria Presse Agentur:

Daher ist anzunehmen, dass Van der Bellen außenpolitisch der Linie seines Vorgängers Heinz Fischer treu bleiben wird. Der neue Präsident wird sich demnach wohl eher nach Brüssel denn nach den zunehmend nationalistisch geprägten Staaten Osteuropas ausrichten. Gleichzeitig ist Van der Bellen erfahrungsgemäß pragmatisch genug, dass er auch in Ländern, in denen die Demokratie nicht gemäß westlichen Standards oder gleich gar nicht funktioniert, für Österreichs Wirtschaft gegebenenfalls den Türöffner spielen würde.

Die österreichische Polizei widerlegt die These, dass die Österreicher von Natur aus ein Faible für das Langsame haben:


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Politik
Politik DWN-Kommentar: Eine Welt ohne Europa?
04.05.2024

Der Krieg in der Ukraine und die Spannungen im Nahen Osten gefährden die Zukunftsfähigkeit der EU. Nun steht sie an einem Scheideweg:...

DWN
Finanzen
Finanzen Platzt die ETF-Blase – was dafür, was dagegen spricht
04.05.2024

Kaum eine Investmentform konnte in den zurückliegenden Jahren die Gunst der Anleger derart erlangen wie dies bei Exchange Traded Funds,...

DWN
Immobilien
Immobilien Streikwelle auf Baustellen droht: Gewerkschaft kündigt Massenstreiks an
04.05.2024

Die Bauindustrie steht vor Massenstreiks: Gewerkschaft kündigt flächendeckende Arbeitsniederlegungen mit rund 930.000 Beschäftigten an.

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Chinas Einfluss in Südostasien: Herausforderung für deutsche Firmen
04.05.2024

Deutsche Unternehmen suchen verstärkt nach Alternativen zum chinesischen Markt und richten ihr Augenmerk auf die aufstrebenden...

DWN
Technologie
Technologie CO2-Speicherung: Vom Nischenthema zum Wachstumsmarkt
04.05.2024

Anreize durch die Politik, eine neue Infrastruktur und sinkende Kosten: CO2-Speicherung entwickelt sich zusehends vom regionalen...

DWN
Politik
Politik Wahljahr-Turbulenzen: Biden im Kreuzfeuer der Gaza-Proteste
04.05.2024

Seit Monaten sind bei fast jedem öffentlichen Auftritt von Präsident Joe Biden propalästinensische Demonstrationen zu sehen, die sich im...

DWN
Politik
Politik Mindestlohn: Neues Streitthema köchelt seit dem Tag der Arbeit
04.05.2024

Im Oktober 2022 wurde das gesetzliche Lohn-Minimum auf zwölf Euro die Stunde erhöht. Seit Jahresanfang liegt es bei 12,41 Euro, die von...

DWN
Technologie
Technologie Deutsches Start-up startet erfolgreich Rakete
04.05.2024

Ein deutsches Start-up hat eine Rakete von zwölf Metern Länge entwickelt, die kürzlich in Australien getestet wurde. Seit Jahrzehnten...