Politik

Lkw-Anschlag auf Weihnachtsmarkt in Berlin: Wir wissen nichts

Lesezeit: 3 min
21.12.2016 02:37
In Berlin ist ein Lkw in einen Weihnachtsmarkt gerast. Es gab mehrere Tote und zahlreiche Verletzte. Wie es zu der Katastrophe gekommen ist und warum, ist einen Tag später völlig unklar.
Lkw-Anschlag auf Weihnachtsmarkt in Berlin: Wir wissen nichts
Das angebliche Bekennerschreiben des IS, wie es über Twitter verbreitet wurde. Links unten steht als Urheber eine private US-Website, die sich als Terror-Fachgruppe ausgibt. (Screenshot: Twitter)

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Nach dem Lkw-Anschlag in Berlin wissen wir im Grunde wenig bis nichts: Ein Lkw mit polnischem Kennzeichen raste in einen Berliner Weihnachtsmarkt am Breidscheid-Platz. Es soll 12 Tote und etwa 50 Verletzte gegeben haben.

Der Lkw gehörte einem polnischen Spediteur. Die BZ berichtet, dass der polnische Fahrer in der Fahrerkabine gesessen habe, als der Lkw auf den Weihnachtsmarkt zuraste. Während der Fahrt soll der Unbekannte laut BZ mehrfach auf den Polen eingestochen haben. Die BZ weiter: „Als der Lkw zum Stehen kam, erschoss der Attentäter Lukasz U. und lief davon.“ Es ist unklar, warum ein Unbekannter plötzlich den Lkw fuhr. Ebenso unklar ist, warum es keine Zeugen dafür gibt, dass der Unbekannte den Polen mitten im Weihnachtsmarkt erschossen hat.

Wer der Unbekannte ist, ist völlig unklar. Zunächst hieß es, dass ein Augenzeuge einen Mann vom Tatort bis in den Tiergarten verfolgt haben soll. Das ist eine weite Strecke. Sie führt durch belebte Straßen. Es ist unklar, warum nicht ein einziger Passant den vermeintlichen Täter aufgehalten hat. Der Augenzeuge soll außerdem während seiner Verfolgungsjagd mit der Polizei per Handy in Kontakt gestanden haben. Auch das ergibt keinen Sinn, warum der Verdächtige dann erst im Tiergarten gestellt werden konnte.

Der Verdächtige wurde der Öffentlichkeit sehr schnell als Pakistani vorgestellt, der als Flüchtling über die Balkanroute nach Deutschland gekommen sein soll. Dafür gibt es nicht den geringsten Beleg – zumal der Name und die Identität nicht geklärt sind. Schon unmittelbar in der Tatnacht gab es Spekulationen: Die BZ schrieb von einem Pakistani, der russische Staatssender RT berichtete von „einem Afghanen oder Pakistani“. Woher diese Medien ihre Informationen bezogen haben ist unklar.

Am Dienstag meldete die Welt, dass die Polizei offenbar den falschen Mann geschnappt hatte. Zahlreiche Sicherheitsbeamte schlossen sich den Zweifeln an. Der Pakistani wurde noch am Dienstag freigelassen. Am Dienstagabend kristallisierte sich heraus, dass die Polizei im Grund keine Ahnung hat, wer der Täter ist. Allerdings ließen die Behörden verlauten, dass der Täter gefährlich, bewaffnet und flüchtig sei. Woher die Behörden das wissen ist unklar: Es gibt keinen Beleg, dass die Waffe, mit der der polnische Fahrer erschossen wurde, im Besitz eines unbekannten Flüchtigen ist. Es ist auch völlig unklar, ob der unbekannte Flüchtige wirklich der Fahrer war und den Polen wirklich erschossen hat.

Die Zahl der Opfer wurde mit 12 angegeben. Über ihre Identität ist nichts bekannt. Die Behörden gaben lediglich an, dass 6 deutsche Opfer identifiziert wurden. Es soll außerdem ein Mann aus Israel verletzt worden und in ein Krankenhaus gebracht worden sein. Außerdem wird eine Italienerin vermisst. Ein Verletzter aus NRW bangt laut Rheinischer Post um seine Mutter. Er habe auch 24 Stunden nach dem Anschlag keine „Gewissheit über das Schicksal seiner Mutter“. Die Behörden gaben an, dass die Identifizierung der Opfer einige Zeit dauern könne. Das ist schwer nachvollziehbar. Es handelt sich nicht um einen Flugzeugabsturz, das heißt, die Toten müssten vergleichsweise rasch identifiziert werden können. In der Nacht hatte die AFP noch berichtet: "Nach dem möglichen Anschlag auf einem Weihnachtsmarkt im Berliner Stadtzentrum sind etwa 20 Menschen in Krankenhäuser gebracht worden. Das sagte ein Sprecher der Feuerwehr, die in Berlin auch für Krankentransporte zuständig ist, am Montagabend. Die übrigen der insgesamt laut Polizei etwa 50 Verletzten seien ,eher seelisch verletzt', sagte der Sprecher weiter."

Nachdem der Täter nicht bekannt ist, kann auch das Motiv nicht bekannt sein. Es ist beim vorliegenden, der Öffentlichkeit zugänglichen Ermittlungsstand immer noch denkbar, dass es sich um einen Unfall gehandelt hat.

Am Dienstagabend erklärte die Terror-Miliz IS, sie sei verantwortlich. Genauer gesagt: Medien berichten, dass der IS über seine „Nachrichtenagentur Amak“ die Verantwortung übernommen habe. Diese Meldung war schon 24 Stunden vorher in US-Medien aufgetaucht. Das Problem: Es gibt keine nachweisbare Quelle „Amak“. Es gibt einen Screenshot von „Amak“, den die private israelische-amerikanische Website SITE in Umlauf gebracht hat. SITE arbeitet mit Geheimdiensten zusammen und werten angeblich Terror-Meldungen aus. Das Team ist jedoch extrem klein und hat in der Vergangenheit mehrfach Falschmeldungen in die Welt gesetzt.

Zahlreiche Politiker haben sich unmittelbar nach den Ereignissen zu Wort gemeldet. Sie haben mehr oder weniger erhellende Aussagen zur Flüchtlingspolitik in Deutschland gemacht – inklusive von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die von einem „Terroranschlag“ sprach und ausdrücklich die Möglichkeit einräumte, dass es sich beim vermutlichen Täter um einen Flüchtling gehandelt haben könnte. Auch muslimische Gruppierungen meldeten sich zu Wort: Ohne zu wissen, ob der Täter einen muslimischen Hintergrund hat, gaben sie Vorschläge zur Einordnung. Bundespräsident Joachim Gauck sagte, der Hass des Täters werde nicht den Hass auf Seiten der Deutschen entzünden. Es ist völlig unklar, ob der Täter aus Hass gehandelt hat oder aus anderen Motiven, etwa aus wirtschaftlichen Überlegungen, weil er ein bezahlter Killer war.

Es ist nicht klar, ob Merkel und andere Politiker, die sich erstaunlich detailliert äußerten, mehr wissen als die deutsche Öffentlichkeit.

Die allgemein zugänglichen Tatsachen lassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Schlussfolgerung über Hergang, Täter und Motiv zu.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Bildung für die Zukunft SOS-Kinderdorf Thüringen im Einsatz für die Demokratie

In einer Zeit, in der die Unzufriedenheit mit der Politik wächst, engagiert sich das SOS-Kinderdorf Thüringen mit einem Demokratieprojekt...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Quiet Quitting: Der stille Job-Rückzug mit gefährlichen Folgen
22.12.2024

Ein stiller Rückzug, der Unternehmen erschüttert: Quiet Quitting bedroht die Substanz deutscher Betriebe. Warum immer mehr Beschäftigte...

DWN
Politik
Politik Steuern und Abgaben: Mehrheit der Steuerzahler zahlt 2025 noch mehr – mit oder ohne Ampel!
22.12.2024

Das „Entlastungspaket“ der Ampel ist eine Mogelpackung, denn Steuersenkungen sind nicht vorgesehen. Im Gegenteil: Ab dem 1. Januar 2025...

DWN
Technologie
Technologie DWN-Sonntagskolumne: Künstliche Intelligenz Hype Cycle - Zwischen Revolution und Enttäuschung
22.12.2024

Ist künstliche Intelligenz nur ein Hype oder der Beginn einer Revolution? Zwischen hohen Erwartungen, Milliardeninvestitionen und...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Psychische Gewalt am Arbeitsplatz: Ursachen, Folgen und Lösungen
22.12.2024

So können Unternehmen gegen verbale Übergriffe aktiv werden- Beleidigungen, Drohungen und Beschimpfungen: Rund ein Drittel der...

DWN
Finanzen
Finanzen Kindergeld beantragen: Tipps und wichtige Infos für 2025
22.12.2024

Wussten Sie, dass Sie Kindergeld bis zu sechs Monate rückwirkend erhalten können? Dies gilt sowohl für Ihr erstes Kind als auch für...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Märchen vorbei? Steht Deutschlands Automobilindustrie vor dem Aus?
22.12.2024

Volkswagen in der Krise, Mercedes, BMW & Co. unter Druck – und hunderttausende Jobs stehen auf dem Spiel. Wie kann der Kampf um...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Credit Suisse-Debakel: Ausschuss sieht Schuld bei Bank
22.12.2024

Die Nervosität an den Finanzmärkten war im Frühjahr 2023 groß - drohte eine internationale Bankenkrise? Für den Schweizer...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Der Volkswagen-Deal: Worauf sich VW und die IG Metall geeinigt haben
22.12.2024

Stellenabbau ja, Werksschließungen nein: Mehr als 70 Stunden lang stritten Volkswagen und die IG Metall um die Sparmaßnahmen des...