Politik

USA und Israel: Trump redet diskret auch mit den Palästinensern

Der künftige US-Präsident Trump hat einen Sonderbotschafter zu den Palästinensern geschickt. Trump verfolgt im Nahen Osten offenbar eine Politik, die sich nicht in das gescheiterte Neocon-Konzept pressen lässt.
24.12.2016 01:32
Lesezeit: 4 min

Mitten in seinem Wahlkampf sendete Donald Trump einen Sonderbotschafter nach Ramallah. Das Treffen war streng geheim. Nach Informationen der Deutschen Wirtschafts Nachrichten bestand die geheime Mission darin, hochrangige palästinensische Führer zu beruhigen. Sie waren wegen Trumps auffallend freundlicher Haltung zu Israel beunruhigt waren. Die Nachricht, welche der Sonderbotschafter den palästinensischen Führern überbrachte, war: „Macht euch keine Sorgen, nicht alles, was ihr derzeit hört, wird auch so passieren.“

Nur wenige Monate später sind die Palästinenser beunruhigter als je zuvor und die rechte israelische Regierung glücklicher als in den vergangenen Jahren. Dieses Nullsummenspiel könnte zu einem wahren Desaster werden. Noch bevor überhaupt irgendetwas wirklich passiert ist hat der neue amerikanische Geist tiefgreifende Auswirkungen auf die Stimmung und die Politik auf beiden Seiten der grünen Grenzlinie zwischen Israel und den palästinensischen Gebieten. Die palästinensische Frustration könnte sich in Gewalt entladen; die Zufriedenheit des israelischen Premierministers Netanjahu könnte nur von kurzer Dauer sein.

Trumps Ankündigung, die amerikanische Botschaft in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen, ist mehr als ein rotes Tuch für die Palästinenser; sie kommt fast der Ankündigung eines Ausnahmezustands gleich. Der gewählte Präsident Trump ist nicht der erste amerikanische Präsident oder Top-Beamte, der diesen Schritt angekündigt hat; er ist allerdings unbekannt und ein Überraschungssieger, den die Konfliktparteien noch nicht einschätzen können. Die Palästinenser trauen ihm zu, dass er diesen Schritt tatsächlich gehen könnte. „Dies ist gefährlicher als Ariel Scharons Besuch bei der Al Aksa-Moschee im Jahr 2000, welcher die zweite blutige Intifada auslöste“, sagte Elias Zananiri, ein führender palästinensischer Aktivist und Vertrauter des Fatah-Vorsitzenden Mahmoud Abbas den Deutschen Wirtschafts Nachrichten: „Der amerikanische Elefant betritt einen Porzellanladen.“

Jerusalem ist ein äußerst zerbrechlicher Porzellanladen. Vereinigt nach dem Krieg von 1967, stellt die Stadt für die meisten Israelis die ewige Hauptstadt des jüdischen Volkes dar. Nicht so für den Rest der Welt. Einige Staaten erkennen die Souveränität Israels über West-Jerusalem an, manche anerkennen nicht einmal das. Sie akzeptieren die Annexion Ost-Jerusalems nach dem Sechs-Tage-Krieg von 1967 nicht. Die Palästinenser erkennen in Ost-Jerusalem die Hauptstadt ihres zukünftigen Staates und die Jerusalem-Frage ist eine der schwersten Fragen in jeder Verhandlung zwischen den Israelis und den Palästinensern. In Jerusalem gibt es keine einzige Botschaft. Alle sind in Tel Aviv. Trotz der Existenz eines Gesetzes des US-Kongresses aus dem Jahr 1995, die amerikanische Botschaft nach Jerusalem zu verlegen, hat es bislang kein US-Präsident gewagt, die zu tun. Sie alle wussten, dass ein solcher Akt ein Spiel mit dem Feuer wäre, welches den gesamten Mittleren Osten in Brand stecken könnte. Jerusalem hat eine spirituelle und religiöse Bedeutung nicht nur für die Palästinenser, sondern für den Großteil der arabischen Welt inklusive Jordanien, Saudi-Arabien und Ägypten – die wichtigsten Verbündeten der Amerikaner.

Indem Trump bekanntgab, dass sein enger Vertrauter David Friedman neuer US-Botschafter in Israel werden würde, goss er Öl ins Feuer. Einige sagen halb im Scherz, dass Premierminister Netanjahu gegen Friedman geradezu ein Linker sei. Friedman ist nicht nur als Fürsprecher eines Umzugs der US-Botschaft nach Jerusalem, sondern auch als glühender Verfechter einer israelischen Besiedlung des Westjordanlandes bekannt. Friedman ist zwar nicht der erste amerikanische Jude, der Botschafter in Israel wird. Aber er ist der erste, welcher in seiner Funktion als Masseverwalter Geldspenden an die Siedlungen weiterleitete. Kein Wunder, dass Saeb Erekat, der Chefunterhändler der Palästinenser in allen Verhandlungen mit Israel, öffentlich warnt, dass diese Entscheidung „alle Chancen auf Frieden mit Israel zunichtemachen würde.“ Diese Sorgen basieren auch auf inoffiziellen Treffen, welche palästinensische Delegationen kürzlich mit Trumps Übergangsteam abhielten.

Alles, was von offizieller israelischer Seite gesagt wird, ist das Gegenteil der palästinensischen Gefühlslage. Sowohl die Intention, die Botschaft nach Jerusalem zu verlegen, als auch die bevorstehende Nominierung Friedmans zum US-Botschafter stellen einen Sieg der rechtsgerichteten israelischen Regierung und für alle Rechten dar. Es scheint auch ein persönlicher Sieg für Netanjahu nach acht Jahren schwieriger, oft verletzender, Beziehungen zu Präsident Obama zu sein. Der letzte Dissens wurde in der UN-Abstimmung sichtbar, in der Obama als seine letzte Amtshandlung dafür sorgte, dass die Siedlungen verurteilt wurden.

Noch schenkt das offizielle Israel den Warnungen und Drohungen, die aus Ramallah kommen, wenig Beachtung. „Ich befürchte, dass diese verrückten Entscheidungen Trumps eine Agenda der Gewalt auf der palästinensischen Seite begünstigen könnten“, sagt Zananiri den Deutschen Wirtschafts Nachrichten: „Das ist explosives Material, welches direkt vor uns in die Luft fliegen kann.“

Die stellvertretende israelische Außenministerin Tzipi Hotovely denk sicherlich nicht so. Sie hat die noch nicht vom Senat bestätigte Nominierung Friedmans freudig begrüßt. „Dies sind gute Neuigkeiten für Israel“, sagte sie: „Seine Sichtweise reflektiert das Verständnis, dass die Siedlungen noch nie ein Hindernis für den Frieden waren.“ Ein führender Funktionär der Siedlerbewegung ging sogar so weit zu sagen, dass er hoffe, dass Friedmans Sichtweisen eine Änderung der Sichtweise von Netanjahu hinsichtlich der Siedlungen bewirken werde. Die Siedler erkennen im US-Botschafter offenbar einen besseren Freund als den israelischen Premierminister.

Dies sind nicht notwendigerweise gute Nachrichten für Netanjahu. Der Umzug der US-Botschaft nach Jerusalem steht nicht weit oben auf seiner Agenda und die Wahrnehmung. Dass er den Siedlern kritischer gegenüberstehe als die neue amerikanische Administration, könnte politisch riskant für ihn sein. Die Siedler könnten sich nach einem besseren Freund umsehen. Sie müssen dafür nicht weit blicken. Naftali Bennett, der Vorsitzende der Partei Jewish Home Coalition und Minister für Bildung wartet nur darauf, einzuspringen. Bislang scheint die politische Ausrichtung der neuen US-Administration eher seiner Agenda zu ähneln als Netanjahus. In einem Interview mit dem Sender CBS drückte Netanjahu seine Hoffnung aus, mit Präsident Trump an einer Zweistaaten-Lösung zu arbeiten. Dies ist sicherlich nicht, was Friedman im Sinn hat und es ist auch nicht, was er kürzlich als Trumps vorrangige Politik bezeichnete. Friedman zufolge sei ein palästinensischer Staat nicht notwendigerweise in amerikanischem Interesse. Das hört sich weniger nach Netanjahu und mehr nach Bennett an. Es sei denn, Netanjahu wird mehr wie Bennett. Die Auswirkungen des Wandels in Amerika beschränken sich nicht auf Amerika. Sie werden den ganzen Nahen Osten und selbst die Innenpolitik Israels beeinflussen.

***

Lily Galili ist eine der renommiertesten Journalistinnen in Israel. Sie arbeitete viele Jahre für die Zeitung Ha’aretz, war Nieman-Fellow in Harvard und ist heute Autorin für I24News. Schwerpunkt ihrer Reportagen sind die ethnischen Gruppen in Israel, Araber, Drusen und Russen. Sie hat ein vielbeachtetes Buch (Hebräisch) über die russischen Immigranten geschrieben. Sie ist Mitglied des Syrian Aid Committee.

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