Der Generalbundesanwalt teilt mit (3.1.2017):
Die Bundesanwaltschaft hat am 21. Dezember 2016 beim Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs einen Haftbefehl gegen
den 28-jährigen deutschen Staatsangehörigen Harry S.
erwirkt.
Dem Beschuldigten wird vorgeworfen, Mitte Juni 2015 als Mitglied des sogenannten „Islamischen Staats“ (im Folgenden: „IS“) an der Tötung von sechs Gefangenen mittäterschaftlich beteiligt gewesen zu sein. Er ist daher des sechsfachen gemeinschaftlich begangenen Mordes, der Begehung von Kriegsverbrechen gegen Personen sowie der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung dringend verdächtig (§§ 129a Abs. 1 Nr. 1, 129b Abs. 1 Satz 1 und 2, 211, 212, 25 Abs. 2, 52, 53 StGB, § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB).
In dem Haftbefehl ist im Wesentlichen folgender Sachverhalt dargelegt:
Der Beschuldigte reiste Anfang April 2015 nach Syrien und schloss sich dort dem „IS“ an. Mitte Juni 2015 erschossen Mitglieder des „IS“ auf dem Marktplatz der syrischen Stadt Palmyra öffentlich sechs Gefangene. Der mit einer Pistole bewaffnete Beschuldigte führte einen der Gefangenen eigenhändig zum Hinrichtungsort und hinderte die übrigen an der Flucht.
Harry S. war vom Hanseatischen Oberlandesgericht bereits am 5. Juli 2016 wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung sowie wegen Verstößen gegen das Waffen- und Kriegswaffenkontrollgesetz zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden. Harry S. befindet sich derzeit noch in anderer Sache in Strafhaft. Die Strafvollstreckung aus dem Urteil vom 5. Juli 2016 wird sich anschließen.
Der Beschuldigte wird zurzeit dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt, der ihm den Haftbefehl eröffnen und über den Vollzug der Untersuchungshaft entscheiden wird.
Der Mann mit Namen Harry Sarfo hatte in mehreren Medien Einblicke in Pläne und Absichten der Terrormiliz gegeben. Demnach planten die Terroristen Anschläge in Deutschland und Großbritannien, verfügten aber nicht über ausreichend Kämpfer. «Sie fragten mich, ob ich nach Deutschland zurückkehren könnte, das sei es, was sie im Moment brauchten», berichtete der als Harry Sarfo bezeichnete IS-Mann.
Sarfo berichtete, er sei im vergangenen Jahr vier Tage lang mit dem Auto von Bremen nach Syrien gefahren und dort mit maskierten Mitgliedern des IS-Geheimdienstes Emni zusammengetroffen. Sie hätten offen mit ihm gesprochen und ihn zur Rückkehr nach Deutschland ermutigt. «Sie sagten immer, sie wollten etwas, das zur gleichen Zeit passiert. Sie wollten eine Menge von gleichzeitigen Anschlägen in England, Deutschland und Frankreich.»
Die «New York Times» hat die Aussagen Sarfos mit weiteren Materialien zum IS verglichen und daraus unter anderem Erkenntnisse über die Führungsstruktur des IS gewonnen. Es gebe einen mehrschichtigen Geheimdienst unter dem Kommando des syrischen IS-Führers Abu Mohammed al-Adnani. Unter ihm operiere eine Reihe von Stellvertretern. Sie rekrutierten aus aller Welt und fügten sie zu nationalen Gruppen zusammen. Sie lernten sich oft erst am Abend vor ihrer Abreise kennen. In Europa würden scheinbar unauffällige, bisher unbescholtene Mittelsmänner zur Kontaktvermittlung genutzt.
Der IS sei vermutlich stärker vernetzt, als die westlichen Geheimdienste bisher vermuteten, erklärte Sarfo. Er bestätigte US-Geheimdienstinformationen, wonach in den Ländern der Europäischen Union mehrere Hundert IS-Kämpfer lauerten.
Die Washington Post berichtet, dass Sarfo in den Interviews die Unwahrheit gesagt haben soll. Er stellte sich in den Interviews - unter anderem im ZDF - als Aussteiger dar, der wegen des Friedens nach Syrien gegangen war und Gewalt abgelehnt habe. Die Post bringt ein Video (Anfang des Artikels), das Sarfo im Umfeld von Exekutionen in Palmyra zeigen soll. Die Post berichtet, dass ihr das Video von "einer Quelle innerhalb des Islamischen Staats zur Verfügung gestellt wurde". Es ist unklar, wer diese Quelle ist und ob der dargestellte Mann tatsächlich der aus Bremerhaven stammende Sarfo ist.
Ob Sarfo selbst Menschen getötet hat, ist aus den bisher bekannten Fakten ebenfalls nicht zu beurteilen. Das Gericht soll dem Verdacht nun nachgehen und juristisch darüber befinden.