63 Prozent. Fast zwei Drittel der deutschen DAX-Konzerne gehören mittlerweile ausländischen Investoren. Das sind 736 Milliarden Euro Kapital, die im Ausland für steigende Erträge sorgen – aber nicht in Deutschland.
Allen voran langt BlackRock, der Gigant unter den Vermögensverwaltern, kräftig zu. Dem US-Konzern gehören große Teile einiger Weltmarktführer aus Deutschland – beispielsweise 7 Prozent von Bayer, 8,9 Prozent des Chemiekonzerns Merck und 6,3 Prozent der mittlerweile 137 Jahre alten Münchener Rückversicherungsgesellschaft.
Und was machen währenddessen die Deutschen? Nur magere 14 Prozent aller Bürger haben hierzulande Aktien in ihrem Portfolio. Statt auf Wertpapiere ordentlich wirtschaftender Unternehmen setzen sie auf unsichere Versprechen der Lebensversicherer, auf verfallende Geldwerte wie Sparbücher und Tagesgelder und auf allerlei Finanzprodukte, die bloß die Konten der Banker füllen, nicht aber ihre eigene Vorsorgekasse.
Das Fatale an der gegenwärtigen Situation: Auf Bargeld, Sichteinlagen, Schuldverschreibungen und Versicherungen gibt es fast keine Zinsen mehr. Ungefähr 4,25 Billionen Euro haben die Deutschen auf diese Weise angelegt. Das Ergebnis: Null Rendite – wenn überhaupt.
Tatsächlich verlieren die gutgläubigen Sparer durch die schleichende, in der offiziellen Statistik verschwiegene, Inflation jedes Jahr viel Geld. Für die USA berechnet John Williams auf der Internetseite Shadowstats die echte Inflation nach den früher geltenden Messkriterien. Dort ist die tatsächliche Inflation 3 bis 4 Prozent höher als die offizielle Inflation. Nehmen wir für Deutschland in einer ersten Näherung Zinsen von 0 Prozent und eine tatsächliche Inflation von 2 bis 3 Prozent an, dann schrumpft die Kaufkraft des in Bargeld, Sichteinlagen und Versicherungen angelegten Vermögens jedes Jahr um 80 bis 120 Milliarden Euro.
Zu den versteckten Kosten der Niedrigzinsen hat die DZ Bank im April 2015 eine Studie vorgelegt, die aufhorchen lässt. Demnach machten Bürger, die ihr Geld lieber auf Konten und in Versicherungen parkten, seit 2010 ein dickes Minusgeschäft. 112 Milliarden Euro kostete sie unterm Strich die seit Jahren anhaltende Niedrigzinspolitik. Und das allein zwischen 2010 und 2015. Seit der Studie der DZ Bank sind abermals zwei Jahre vergangen, in denen die Zinsen noch weiter in den Keller rauschten. Zwei weitere Jahre mit herben Verlusten für Deutschlands Sparer.
Und eine lange Zeit, in denen sich Regierungen und Großkonzerne als Gewinner fühlen durften. Sie decken sich fortlaufend mit billigen Krediten ein, um Wahlgeschenke zu verteilen und Übernahmen zu finanzieren.
Uns Anlegern muss in dieser Situation eines bewusst sein: Geldanlage ist nüchterne Kalkulation der Chancen und Risiken – immer und überall. Egal, was Sie tun, bei jeder Anlageform sind Risiken dabei. Bei Anleihen und Sparvermögen zum Beispiel das Risiko der Inflation und des Forderungsausfalls (Insolvenz, Staatsbankrott, Währungsreform). Das Risiko-Rendite-Verhältnis ist heute bei Anleihen sehr schlecht. Es gibt wenig Rendite für viel Risiko. Dennoch stagniert der Privatbesitz an Aktien in Deutschland. Die Zahl der Aktionäre ist heute um ein Drittel niedriger als noch vor 15 Jahren.
Währenddessen mischen ausländische Investoren hierzulande kräftig mit. Mit 5 Billionen US-Dollar verwaltetem Vermögen ist das US-Unternehmen BlackRock der mit Abstand größte Vermögensverwalter der Welt und der größte Einzelaktionär bei vielen DAX-Unternehmen. BlackRock wurde 1988 gegründet. 1999 ging das Unternehmen an die Börse und wuchs über eine aggressive Akquisitionsstrategie. BlackRock hält DAX-Beteiligungen im Wert von 66,86 Milliarden US-Dollar. Das sind 5,72 Prozent aller DAX-Konzerne. Bei 15 Unternehmen liegt Blackrocks Anteil zwischen 5 und 24 Prozent. Der Anteil ausländischer Investoren an DAX-Konzernen verdoppelte sich zwischen den Jahren 2001 und 2015 nahezu. Heute liegt er bei 63 Prozent. Das ist ein Rekordhoch.
Wir Deutsche hingegen kaufen Zertifikate, strukturierte Produkte, Lebensversicherungen und Anleihen. Besonders dumm auch die Tatsache, dass unsere Regierung auch viel US-Dollar-Anleihen hält, also Papierforderungen gegenüber der maroden US-Wirtschaft. Schön dumm, insbesondere angesichts der abzusehenden Inflation! Unsere Regierung hat nichts gemacht, um Privatanleger aufzuklären. Die großen Vermögen sind durch den Zweiten Weltkrieg in drei Formen gekommen: Acker, Wald und Aktienpakete. Seit etlichen Jahren setze ich auf deutsche und europäische Aktien, wie Sie wissen. Emerging Markets und Modethemen vermeide ich weitgehend. Gerade die deutsche Wirtschaft ist viel besser als ihr Ruf.
Max Otte ist Professor für allgemeine und internationale Betriebswirtschaftslehre an der Fachhochschule Worms und Leiter des von ihm gegründeten Finanzanalyseinstituts IFVE Institut für Vermögensentwicklung GmbH in Köln. Im Frühjahr 2011 nahm er zusätzlich einen Ruf an die Karl-Franzens-Universität Graz an. Er hat zahlreiche Artikel in bekannten Zeitungen und Fachzeitschriften und bereits mehrere Bücher zu Wirtschafts- und Kapitalmarktthemen veröffentlicht. Sein Buch "Der Crash kommt", in dem er die Finanzkrise 2008 vorhersagte, wurde zu einem überwältigenden Bestseller. Max Otte hat Volkswirtschaftslehre in Köln studiert und an der Princeton University promoviert. Er war für zahlreiche Unternehmen und Organisationen beratend tätig, u.a. die Weltbank, das Bundesministerium für Wirtschaft und die Vereinten Nationen.