Vor dem EU-Gipfel am Freitag haben die Grünen scharfe Kritik an der geplanten Abriegelung der sogenannten Mittelmeerroute geübt. „Das Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs auf Malta droht zu einem Entrechtungsgipfel für Flüchtlinge zu werden“, erklärte Parteichefin Simone Peter. Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl und der Paritätische Wohlfahrtsverband beklagten eine „Flüchtlingsabwehrpolitik“ der EU und riefen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, die Pläne zu verhindern.
„Wer die Mittelmeerüberquerung behindert, statt die Seenotrettung endlich wieder aufzubauen, wer Flüchtlinge den schrecklichen Bedingungen in libyschen Lagern aussetzt und wer mit schmutzigen Deals statt fairen Aufnahmeprogrammen Asylpolitik betreibt, der hebelt die Menschenrechte in großem Stil aus“, kritisierte Peter am Donnerstag. Die Europäische Union müsse davon absehen, libysche Grenzbehörden und Küstenwache für die Flüchtlingsabwehr auszubilden.
Pro Asyl und der Paritätische Wohlfahrtsverband sprachen in einem offenen Brief an Merkel von einem neuen „Tiefpunkt europäischer Flüchtlingspolitik“. Die Vorschläge der maltesischen EU-Ratspräsidentschaft zielten vorrangig „auf die Auslagerung des Flüchtlingsschutzes nach Libyen und andere nordafrikanische Staaten, obwohl den Schutzsuchenden dort nachweislich Gefahr für Leib und Leben droht“. Gerade in Libyen seien Exekutionen, Folter und Vergewaltigungen an der Tagesordnung.
Die EU-Staats- und Regierungschefs wollen am Freitag bei einem Treffen in Malta unter anderem über die Rekordzahl an Flüchtlingen beraten, die aus Libyen und anderen nordafrikanischen Staaten nach Europa kommen. Die maltesische EU-Ratspräsidentschaft will ein ähnliches Abkommen mit Libyen wie mit der Türkei.
Der Türkei-Deal sieht vor, dass in Griechenland ankommende Flüchtlinge in die Türkei zurückgeschickt werden. Der Vorschlag Maltas stößt in der EU aber auf Vorbehalte, denn eine im März 2016 gebildete Einheitsregierung hat weite Teile Libyens nicht unter Kontrolle. Diskutiert werden in der EU auch Aufnahmelager in Libyen oder anderen nordafrikanischen Ländern, in die auf See gerettete Flüchtlinge zurückgebracht werden könnten.
Die Entwicklungshilfeorganisation Oxfam warf der EU Scheinheiligkeit vor: Europäische Politiker würden den von US-Präsident Donald Trump verhängten Einreisestopp für Flüchtlinge aus mehreren muslimischen Ländern kritisieren, gleichzeitig aber eine engere Kooperation mit Libyen bei der Migrationskontrolle anstreben.
„Jegliche Zusammenarbeit der EU mit Libyen muss die Rechte und die Würde der betroffenen Menschen in den Mittelpunkt stellen“, erklärte Oxfam-Vertreterin Natalia Alonso. „Ein Abkommen, das vor allem der Abwehr von Migranten und Flüchtlingen und nicht ihrem Schutz dient, würde bedeuten, die europäischen Grundwerte über Bord zu werfen.“