Deutsche Geheimdienste haben in umfangreichen Ermittlungen keine eindeutigen Beweise für eine russische Desinformations-Kampagne gegen die Bundesregierung gefunden. Trotz dieses Ergebnisses sähen der Bundesnachrichtendienst (BND) und das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) keinen Grund zur Entwarnung, berichteten "Süddeutsche Zeitung", WDR und NDR am Montag.
Die Medien stützten sich auf das Ergebnis einer fast einjährigen Ermittlung. "Wir haben keine Smoking Gun gefunden", hieß es den Medien zufolge in Regierungskreisen über den Versuch, einen schlagenden Beweis für politische Einmischung Russlands zu finden. Solch einen Beleg hätte die Regierung gerne präsentiert, um Russland vor Aktionen dieser Art zu warnen, schreibt die AFP.
Dieses Ergebnis ist eine schallende Ohrfeige für die EU-Kommission: Sie hatte eine "Task Force" beauftragt, die Auswirkungen einer solchen angeblichen Kampagne zu untersuchen. Noch vor wenigen Tagen hatte die dpa herzlich unkritisch über die EU-Aktivitäten berichtet und behauptet:
"Bundeskanzlerin Angela Merkel steht nach Ansicht von EU-Experten im Visier gezielter Desinformationskampagnen. Sie stehe vermutlich stärker im Fokus als jede andere öffentliche Person in Europa, hieß es am Montag in Brüssel aus dem Umfeld einer Arbeitsgruppe, die versucht, vor allem russische Fehlinformationen zu widerlegen. Merkel wurde den Angaben zufolge beispielsweise unterstellt, mit den islamistischen Attentätern von Brüssel und Paris unter einer Decke zu stecken.
Ein Fokus der seit September 2015 aktiven EU-Arbeitsgruppe sind unter anderem russischsprachige Medien. Die Moskauer Regierung nutze Falschmeldungen bewusst als Machtinstrument, hieß es. Bisher haben die elf Mitarbeiter demnach insgesamt 2500 Meldungen widerlegt. Dies stelle aber nur einen Bruchteil kursierender Fehlinformationen dar."
Diese dpa-Meldung kann nun getrost unter der Rubrik "Fake News" abgelegt werden. Unter anderem hatte die Task Force der EU-Kommission auch die Deutschen Wirtschafts Nachrichten bezichtigt, ein U-Boot Putins zu sein, musste dann nach einem massiven Protest der DWN eine offenkundige Fälschung zurückziehen.
Die AFP berichtet, ursprünglich hätten die Geheimdienste geplant, die als geheime Verschlusssache eingestufte Untersuchung zumindest teilweise zu veröffentlichen. Doch angesichts fehlender Beweise werde eine Veröffentlichung nicht für sinnvoll gehalten. Dies hätte das ohnehin angespannte Verhältnis zu Russland nur noch weiter belastet.
Das Kanzleramt habe allerdings angeordnet, den Sachverhalt weiter zu untersuchen. Denn der Bericht der Sonderauswertung "Sputnik" des Verfassungsschutzes und des Arbeitskreises "Psychologische Operationen" des BND sei aus Sicht der Regierung auch kein "Freispruch" für Putin - was allerdings etwas anmaßend wirkt, denn ein Freispruch setzt ein rechtsstaatliches Verfahren voraus, während wir hier uns im unkontrollierte Bereich von geheimdienstlichen Operationen bewegen. Solche Operationen zeichnen sich in der Regel durch die Definition von "alternative Fakten" aus.
Der Geheimdienstbericht dokumentiert demnach einen seit 2014 "konfrontativeren Kurs" Russlands gegenüber Deutschland und nennt die Berichterstattung russischer Medien und deren deutschen Ableger "feindselig".
Die Verantwortung für solche Beeinflussungsversuche sähen die deutschen Geheimdienste direkt in der Präsidialadministration des Kreml. Es sei aber schwer, die Grenze zwischen überzogener und falscher Berichterstattung und Desinformation zu ziehen, heißt es in dem Bericht.
Hintergrund ist die Sorge, dass Russland - wie möglicherweise bereits in den USA geschehen - in Wahlen eingreifen könnte - etwa indem es geheime Dokumente veröffentlicht, die bei Hackerangriffen erbeutet wurden, oder indem es rechtspopulistischen Parteien hilft. Mit Frankreich und den Niederlanden, wo ebenfalls Wahlen anstehen, vereinbarten die deutschen Geheimdienste nun eine enge Zusammenarbeit, wie die Medien berichteten.