Die Entwicklung in Libyen bereitet der EU Sorge: Die Italiener sind bereits vorgeprescht und wollen die Russen um Hilfe bitten. Die Russen dürfte nicht abgeneigt sein. Doch der Schritt dürfte auch mit der neuen US-Regierung abgesprochen sein. Die italienische EU-Außenbeauftragte ist eine überzeugte Transatlantikerin. Sie finanziert mit Steuergeldern unter anderem einen Think Tank, der vom früheren italienischen Geheimdienstchef betrieben wird: Der Think Tank verleumdet unter anderem Medien, die keine EU-Hofschreiber sind, als russische U-Boote.
Wer so wie Mogherini in der Grauzone operiert, muss naturgemäß flexibel sein. Mogherini hat außerdem ein Problem: Sie ist die Architektin des Iran-Atom-Deals, den US-Präsident Donald Trump als einen der schlechtesten Deals der Geschichte bezeichnet. Mogherini hatte im Aufrag von Barack Obama agiert und dürfte nun bestrebt sein, auch bei der neuen US-Regierung Gefallen zu finden.
In Libyen bietet sich die erste Gelegenheit dazu. Denn hier zeichnet sich eine erste Kooperation zwischen Trump und seinem russischen Kollegen Wladimir Putin ab. Diese könnte auch wegweisend für die europäische Flüchtlingskrise sein.
Auf einem informellen Gipfel auf Malta am Freitag (Video am Anfang des Artikels) hatten die Staats-und Regierungschefs der EU-Staaten noch ihre Unterstützung für die UN-unterstützte Regierung von Premierminister Fayez Mustafa al-Serraj aus Tripolis bekräftigt. Sie bestätigten auch ein Abkommen des italienischen Ministerpräsidenten Paolo Gentiloni mit Serraj. Italien wird bei der Finanzierung des Baues von Flüchtlingslagern in Libyen die Führung übernehmen. Die EU hat dazu insgesamt weitere 200 Millionen Euro aus Steuergeldern zur Verfügung gestellt.
Allerdings ist der Einsatz dieser Mittel unter den aktuellen Bedingungen des totalen Chaos quasi in den Wind geschrieben. Außerdem können die Menschenrechte der Flüchtlinge in diesen Lagern nicht einmal ansatzweise garantiert werden.
Der Bloomberg-Kolumnist Leonid Bershidsky schreibt in einer interessanten Analyse, dass US-Präsident Donald Trump und sein russischer Amtskollege Wladimir Putin in Libyen die erste Kooperations-Basis finden könnten, während die EU Russland noch als Kontrahenten in Libyen einstuft. Unter Muammar Qaddafi war Libyen ein russischer Verbündeter, ein Spielplatz für russische Energieunternehmen und ein Käufer russischer Waffen, so Bershidsky. Als er 2011 fiel, verlor das russische Staatsbahnmonopol einen lukrativen Vertrag, um eine Eisenbahnlinie entlang der Mittelmeerküste zu bauen, eine von vielen ungültigen russischen Investitionen. Putin habe den Arabischen Frühling mit „Schrecken“ beobachte, weil die weltlichen autoritären Staatsmänner durch Islamisten ersetzt wurden. Die weltlichen Staatsmänner galten für Putin als Bollwerk gegen den Dschihadismus. Die Allianz mit Iran passt in dieses Schema, da der Iran trotzt seines religiösen Staatscharakters schiitisch geprägt ist und den sunnitischen Extremismus genau wie Russland als Bedrohung einstuft. In den frühen 1990er Jahren kämpfte Russland gegen Separatisten aus Tschetschenien, die ebenfalls einen sunnitischen Charakter hatten.
Putin könne in Libyen nicht auf den Premierminister der Einheitsregierung, Fayez al-Sarraj, setzen, da dieser trotz seiner weltlichen Ausrichtung und Unterstützung durch die UN auch auf die Unterstützung der Islamisten im Land angewiesen sind, die wiederum anti-russische eingestellt sind. Doch der mächtige Militärkommandeur Khalifa Haftar, der mit seiner Söldner-Armee in Ost-Libyen die Kontrolle hat und gegen die Einheitsregierung ist, biete sich als Alternative an. Haftar hatte zuvor islamistische Kämpfer aus Benghazi und Umgebung vertrieben und im vergangenen September die wichtigsten Öl-Terminale Libyens von den Truppen der Einheitsregierung erobert. Haftar besuchte im vergangenen November Moskau und war anschließend im Januar auf dem Flugzeugträger Admiral Kuznetsov zu Gast, wo er eine Telefonkonferenz mit dem russischen Verteidigungsminister Sergej Schoigu abhielt. Unbestätigten Berichten zufolge, so Bershidsky, sollen sich Haftar und Schoigu darauf geeinigt haben, dass Haftar und seine Söldner über Algerien versorgt werden. Algerien gilt als langjähriger Waffen-Kunde Russlands. Es wäre besonders für die EU beängstigend, wenn ein pro-russischer Kommandeur die Kontrolle über Libyen übernimmt.
Denn wenn Haftar es zulasse, dass Russland Militärstützpunkte in Libyen baut, könnte Putins Einfluss im Nahen Osten und Nordafrika weiter wachsen. Dies stelle die Weichen für einen möglichen Zusammenstoß zwischen der EU auf der einen Seite und Putin und Trump auf der anderen Seite. Es gebe mehrere Gründe dafür, dass auch die USA Haftar mehr unterstützen als al-Sarraj. Bershidsky wörtlich: „Haftar verbrachte 20 Jahre in den USA und wohnte nicht weit vom Hauptquartier der CIA in Langley. Er arbeitete daran, seinen einstigen Freund und Verbündeten Gaddafi zu untergraben. Trump beäugt die Libyen-Politik der ehemaligen US-Außenministerin Hillary Clinton, die zu einer Auflösung des Kaddafi-Regimes geführt hat, mit Skepsis. Und wie Putin glaubt er nicht daran, dass den Staaten des Nahen Ostens, wo islamistische Gruppen die Unterstützung der Bevölkerung genießen, auferlegt werden kann. Haftar und seine Anhänger feierten den Sieg von Trump im vergangenen November und sahen den neuen US-Präsidenten als potentiellen Verbündeten gegen die Dschihadisten (…) Wenn Trumps isolationistisches Team bereit ist, seine Risiken zu verringern und zumindest einen Teil seines versprochenen Kampfes gegen den islamistischen Terrorismus an Russland auszulagern, ist eine Verständigung in Libyen ein möglicher erster Schritt auf diesem Weg.“
Der Korrespondent der russischen staatlichen Nachrichtenagentur RIA Novosti, Avigdor Eskin, ist ebenfalls der Ansicht, dass die USA und Russland in Libyen eine Einigung finden könnten. Eine mögliche Einigung zwischen Washington und Moskau könnte auch dazu führen, dass beide Seiten eine Einigung in Libyen finden. Als Kooperationsziele dienen hier ein Sieg über die Terror-Miliz ISIS und der Wiederaufbau Libyens. Eskin wörtlich: „Aus inoffiziellen aber zuverlässigen Quellen wurde bekannt, dass in der nächsten Woche die ersten Schritte zur Umsetzung des Projekts für den Wiederaufbau Libyens gemacht werden. Und die USA freuen sich auf eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Russland. Italien und Ägypten werden ebenfalls an dem Projekt beteiligt sein.“
Der Plan für den Wiederaufbau Libyens geht unter anderem auf die Zusammenarbeit der Flynn Intel Group, dessen Inhaber Trumps nationaler Sicherheitsberater Michael Flynn ist, der Jellyfish Inc. zurück. Die Pläne von Jellyfish Inc. umfassen die Schaffung von Kleinstädten in den Küstengebieten, wo es bereits bestehende Siedlungen gibt. Die Kleinstädte sollen zwischen 20.000 bis 50.000 Einwohner haben. In diesen Regionen würden dann Ölraffinerien erbaut werden. Die Infrastruktur würde in diesem Fall wieder aufgebaut werden, m den Menschen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Eines der Hauptziele ist es, den Exodus in Richtung Europa zu stoppen, und die Rückkehr der Flüchtlinge in ihre Heimat zu bewirken, meint Eskin.
Im vergangenen Oktober besuchten Vertreter eines italienischen Konsortiums Tripoli und trafen sich mit Vertretern des libyschen Verkehrsministeriums, berichtet The Libya Herald. Die Italiener schlugen der Einheitsregierung vor, einen Auftrag zur Wiedererrichtung des Tripoli International Airport (TIA) entgegennehmen zu wollen. Das italienische Konsortium hat den Auftrag mittlerweile erhalten, berichtet die italienische Nachrichtenagentur ANSA med.
Fayyez al-Sarrajs Einheitsregierung ist ohne die Unterstützung durch die Islamisten im Land nicht möglich Sein Stellvertreter ist Ahmed Maiteeq. Maiteeq ist ein islamistischer Geschäftsmann, der zuvor offiziell in der islamistischen Söldner-Truppe Libya Dawn tätig gewesen ist, berichtet Jeune Afrique. Libya Dawn ist eine Allianz aus diversen Milizen und Söldnern, die hauptsächlich aus Mistrata kommen. Sie stehen ideologisch den Muslimbrüdern nahe. Maiteeq ist ebenfalls aus Mistrata.
Sollten sich Russen und Amerikaner in Libyen auf einen Deal verständigen, könnte sich auch Mogherini einbringen: Sie könnte für die EU zusagen, dass die europäischen Steuerzahler die Kosten für die Flüchtlinge übernehmen. Wenn diese schließlich als billige Arbeitskräfte bei der Ölförderung eingesetzt werden könnten, dann hätte die EU einen ähnlichen Deal erreicht wie mit der Türkei. Man kann allerdings davon ausgehen, dass es dann nicht bei 200 Millionen Euro bleiben wird - zumal Trump und Putin die EU dann jederzeit unter Druck setzen können, damit die Flüchtlinge nicht doch nach Europa aufbrechen.