In der Union wächst offenbar die Bereitschaft zu einer Kursänderung in der Rettungspolitik gegenüber Griechenland. Der Vorsitzende der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, der CSU-Politiker Manfred Weber, sagte der SZ, dass die CDU nicht mehr auf einer Beteiligung des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Griechenland zu beharre.
„Wenn der IWF auf einem Schuldenschnitt besteht, sollte man ihn ziehen lassen“, sagte Weber der Zeitung. „Europa kann jetzt auf eigenen Füßen stehen.“
Der Vorstoß Webers ist mit Sicherheit nicht ohne Abstimmung mit Bundeskanzlerin Merkel erfolgt. Denn der Europa-Politiker, der auch CSU-Vizechef ist, wendet sich damit von der bisherigen deutschen Position ab, wonach der IWF unbedingt am laufenden dritten Kreditprogramm beteiligt sein müsse. Dafür hatten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) stets eingesetzt.
Üblicherweise werden solch spektakuläre Kurswechsel über enge Parteifreunde lanciert, um die Öffentlichkeit vorzubereiten. Dass es sich hier um eine von Merkel abgesegnete, von oben veranlasste, konzertierte Aktion handeln muss, zeigt auch die die Tatsache, dass sich auch in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ein Umdenken durchzusetzen beginnt. „Für uns ist wesentlich, dass Griechenland seine Zusagen und strukturellen Reformen umsetzt“, sagte Vizefraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) der „SZ“.
Unter „strukturellen Reformen“ versteht man radikale Austeritätsmaßnahmen. Die Troika fordert zum Beispiel die 12. Kürzungsrunde bei den Renten.
Griechenlands Regierungschef Alexis Tsipras hat neue Sparauflagen für seine Regierung im Zuge der laufenden Reform-Überprüfungen allerdings abgelehnt. Eine Debatte darüber wäre destruktiv, sagte er am Mittwoch. Gegenüber EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici gerichtet, der nach Athen gereist ist, plädierte er daher für eine „Allianz der Vernunft“.
Moscovici äußerte, mit etwas mehr Anstrengungen beider Seiten sollte sich eine Einigung in der Reform-Prüfrunde erzielen lassen. Griechenland habe seine Finanzziele 2016 übertroffen und könnte dies auch 2017 und 2018 tun. Die EU wolle, dass Griechenland im Herzen der Eurozone wieder wachse und stärker werde. Derzeit geht es darum, ob Griechenland seine Austeritätszusagen im Rahmen des neuen Kreditrahmens von bis zu 86 Milliarden Euro eingehalten hat. Vom Ausgang dieser Runde sind weitere Zahlungen abhängig.
Viele Abgeordnete der Union hatten 2015 ihre Zustimmung zum laufenden dritten Programm wegen Bedenken gegen die Rettungsversuche von der Zusage der Bundesregierung abhängig gemacht, dass der IWF sich im Verlauf des Programms beteiligen werde. Dazu sagte nun EVP-Fraktionschef Weber: „Man kann nicht gleichzeitig für den IWF sein und gegen einen Schuldenschnitt.“
Weber sagte, die Mitwirkung des IWF sei unter den bisherigen Bedingungen wegen dessen Kenntnissen bei der Sanierung von hoch verschuldeten Staaten sehr sinnvoll gewesen. Nun aber hätten sich die Voraussetzungen geändert.
So beharrt der IWF als Bedingung für seine Mitwirkung auf einem Schuldenschnitt für Griechenland, was die Union ablehnt. Ein solcher Schritt wäre gegenüber der Öffentlichkeit in Deutschland nicht zu rechtfertigen: „Die Steuerzahler erwarten völlig zu Recht, dass Griechenland seine Schulden komplett zurückzahlt.“
Diese Position ist volkswirtschaftlicher Harakiri, weil Griechenland seine Schulden niemals zurückzahlen können wird. Der deutsche Steuerzahler weiß übrigens längst, dass die etwa 70 Milliarden, mit denen Deutschland in Griechenland haftet, unwiederbringlich verloren sind.