Politik

Hilflos: EU fordert Staaten auf, gegen Polen aktiv zu werden

Die EU-Strukturen zeigen sich als dysfunktional: Nun ruft der EU-Vizepräsident die Mitgliedsstaaten auf, ihm gegen Polen zu helfen - weil sdie Regierung in Warschau die EU-Kommission offenbar nicht als Autorität anerkennt.
19.02.2017 02:55
Lesezeit: 2 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

EU-Vizekommissionspräsident Frans Timmermans drängt die EU-Mitgliedstaaten, die Brüsseler Behörde im Streit über umstrittene polnische Justizreformen zu unterstützen. "Es ist klar, die Kommission kann das nicht alleine machen. Da müssen wir mit den Mitgliedstaaten zusammenhalten", sagte der Niederländer am Samstag am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz im Reuters-Interview. Die 27 Mitgliedstaaten müssten verstehen, wie entscheidend die Wahrung des Rechtsstaates etwa in Polen für die Zukunft der EU sei. "Da muss jeder seine eigene Verantwortung übernehmen."

Seit dem vergangenen Jahr prüft die EU-Kommission, ob die nationalkonservative PiS-Regierung in Warschau mit ihrem Gesetz über den Eingriff in das Verfassungsgericht und auf die Justiz gegen grundlegende Rechtsstaatsprinzipien der EU verstößt. Die polnische Regierung hat sich die Einmischung aus Brüssel verbeten. Timmermans erwartet, dass sie kommende Woche auf den Fragenkatalog der Kommission antworten werde. Dann müsse man sehen, wie man weiter vorgehe. Theoretisch könnte der Streit so weit eskalieren, dass über einen Stimmrechtsentzug für Polen nachgedacht werden muss.

Dass sich die Bundesregierung wegen des historisch belasteten deutsch-polnischen Verhältnisses bewusst aus dem Streit heraushalte, verstehe er, sagte Timmermans. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte bei einem Besuch in Wahrschau vor zwei Wochen allgemein die Bedeutung einer freien Presse und unabhängigen Justiz betont. "Es gibt aber 26 andere Regierungen, die können sich auch aussprechen", kritisierte Timmermans. Er verwies darauf, dass offenbar nicht alle die Bedeutung des Konflikts verstünden.

Es gehe um eine grundsätzliche Herausforderung in Europa - das Konzept einer offenen und einer abgeschlossenen Weltanschauung. "Dieses Problem sollte für die ganze EU wichtig sein. Denn der Rechtsstaat ist das, auf was die EU aufgebaut ist", sagte er. "Wir können uns einfach nicht leisten, dass die Justiz nicht unabhängig ist." Auch für den Binnenmarkt sei unbedingt nötig, dass jeder den Zugang zu einem unabhängigen Richter habe - der nicht von Regierungen Weisungen erhalte. Hintergrund ist die Sorge, dass in Polen mit der Justizreform die Gewaltenteilung ausgehebelt wird. "Unabhängigkeit der Justiz ist nicht nur ein Spielzeug der Eliten, sondern wichtig für jeden Bürger."

Timmermans und der polnischen Außenminister Witold Waszczykowski waren am Freitag auf der Sicherheitskonferenz aneinandergeraten. Der Pole hatte sich eine Einmischung der Kommission verbeten. Timmermans hatte Waszczykowski vorgeworfen, "alternative Fakten" zu verbreiten.

Der Kommissionsvize wandte sich gegen den Eindruck, dass sich solche Rechtsstaats-Konflikte mit osteuropäischen Ländern häuften. Mit Ungarn gebe es zwar immer wieder Diskussionen, bei denen man die Differenzen aber meist lösen könne. In Rumänien habe die Regierung eine Lockerung der Antikorruptionsgesetze nach Protesten und Gesprächen wieder zurückgenommen. Polen sei ein besonderer Fall.

Zugleich sprach sich Timmermans für ein Europa der zwei Geschwindigkeiten aus, das auch Merkel beschrieben hatte. "Ich glaube, dass dies der Weg ist, den wir in Europa brauchen." Alle 27 Regierungen (ohne Großbritannien) wollten immer noch in dieselbe Richtung marschieren, aber nicht mit derselben Geschwindigkeit, sagte er mit Blick auf Wünsche einzelner Regierungen, nicht an allen Integrationsschritten wie dem Euro und dem Schengenraum teilnehmen zu müssen. "Ein Europa der zwei Geschwindigkeiten ist eine Antwort auf Spaltung. Es stimuliert diese Spaltung nicht, es verhindert sie", betonte er. Für die 19 Euro-Länder sei dieses Konzept aber nicht geeignet. "Die Euro-Zone braucht Einheit, keine Vielfalt." Reformen seien nötig, vieles könne aber auch innerhalb der bestehenden Verträge geregelt werden.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Technologie
Technologie Lokale Rechenzentren: Auslaufmodell oder Bollwerk digitaler Souveränität?
19.07.2025

Cloud oder eigenes Rechenzentrum? Unternehmen stehen vor einem strategischen Wendepunkt. Lokale Infrastruktur ist teuer – aber oft die...

DWN
Panorama
Panorama Rentenvergleich: So groß ist der Unterschied zwischen Ost und West
19.07.2025

Im Osten der Republik erhalten Frauen im Schnitt deutlich mehr Rente als im Westen. Jahrzehntelange Unterschiede in der Erwerbsbiografie...

DWN
Finanzen
Finanzen Erbe aufteilen: So sichern Sie den Verbleib Ihres Partners im gemeinsamen Haus
19.07.2025

Sind Sie wiederverheiratet und haben Kinder aus früheren Beziehungen? Dann ist besondere Vorsicht geboten, wenn es darum geht, Ihr Erbe...

DWN
Finanzen
Finanzen Unser neues Magazin ist da: Kapital und Kontrolle – wem gehört Deutschland?
19.07.2025

Deutschland ist reich – doch nicht alle profitieren. Kapital, Einfluss und Eigentum konzentrieren sich zunehmend. Wer bestimmt wirklich...

DWN
Finanzen
Finanzen Steuererklärung: Wann Verspätungszuschläge unzulässig sind
19.07.2025

Viele Steuerzahler ärgern sich über Verspätungszuschläge, wenn sie ihre Steuererklärung zu spät abgeben. Doch nicht immer ist die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Arbeiten nach der Schule: Warum viele keine Ausbildung beginnen
19.07.2025

Schnell Geld verdienen statt jahrelang pauken – das klingt für viele junge Menschen verlockend. Doch wer direkt nach der Schule in den...

DWN
Politik
Politik Militär statt Frieden? Was das EU-Weißbuch 2030 wirklich bedeutet
19.07.2025

Mit dem Weißbuch „Bereitschaft 2030“ gibt die EU ihrer Sicherheitspolitik eine neue Richtung. Doch Kritiker warnen: Statt...

DWN
Politik
Politik Nordkoreas Kronprinzessin: Kim Ju-Ae rückt ins Zentrum der Macht
18.07.2025

Kim Jong-Un präsentiert die Zukunft Nordkoreas – und sie trägt Handtasche. Seine Tochter Kim Ju-Ae tritt als neue Machtfigur auf. Was...