Politik

Zentralbanken geraten ins Visier von Cyber-Kriegern

Cyber-Angriffe auf Zentralbanken nehmen drastisch zu. Die Manipulationen werden von Geheimdiensten und kriminellen Vereinigungen geführt. Abwehr und Identifizierung der Täter sind ausgesprochen schwierig. Russen und Amerikaner sind ebenso im Geschäft wie Anonymous.
18.03.2017 02:20
Lesezeit: 3 min

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Im vergangenen Jahr wurde weltweit eine deutliche Zunahme von Cyber-Angriffen auf Zentralbanken registriert, berichtet Bloomberg. Zu den bekanntgewordenen Fällen gehörten Angriffe auf die Zentralbanken Russlands, Griechenlands, der Niederlande, Bangladeschs, der USA, Mexikos, Polens und Uruguays. Unklar ist, wie hoch die Anzahl und wie schwerwiegend die Schäden der nicht öffentlich gemachten Attacken war.

Alleine der russischen Zentralbank sollen im Laufe des Jahres 2016 umgerechnet etwa 21 Millionen Dollar gestohlen worden sein. Der bekannteste Fall stellt jedoch der Raub von 81 Millionen Dollar vom Konto der Zentralbank von Bangladesch bei der New Yorker Filiale der US-Zentralbank Federal Reserve dar. Damals wurde das weltweit gebräuchliche Zahlungssystem Swift manipuliert, um den virtuellen Raub zu ermöglichen.

Das Hackerkollektiv "Anonymous", bekannt für seinen Aktivismus gegen große Konzerne, Sicherheitskräfte und Regierungen, zielt ebenfalls auf Zentralbanken. Informanten, die Bloomberg nicht sagen wollten, welche Banken konkret im Visier der Hacker sind, sagten, dass die Gruppe aktiv war, neue Hacker zu rekrutieren. Im Februar soll es verstärkte Attacken gegeben habe. Wer hinter Anonymous steckt ist nicht bekannt.

Wie Bloomberg berichtet, hat Swift nach dem russischen Vorfall reagiert und seit Juni vergangenen Jahres eine Kooperation mit dem britischen Waffen- und Technologiekonzern BAE Systems und der britischen Sicherheitsfirma NCC Group begonnen. BAE hilft Swift seitdem, die Transaktionen zwischen den Mitgliedsbanken zu analysieren und mögliche Betrugsfälle zu erkennen. „Die Anzahl der Verdachtsfälle für potentielle Sicherheitsrisiken ist seitdem ‚im zweistelligen Prozentbereich‘ gestiegen. Die Probleme reichen demnach von Softwarefehlern bis hin zu Hackern, die sich in die Software der Banken einschleusen“, schreibt Bloomberg.

Die Häufung der Angriffe hat dazu geführt, dass die Abwehr virtueller Gefahren inzwischen fester Bestandteil des Maßnahmenkatalogs vieler Banken und Zentralbanken ist. „Für eine Zentralbank ist es keine Frage on, sondern wann, sie Opfer eines Hackerangriffes wird“, zitiert Bloomberg den Rechtsanwalt Giulio Coraggio. „Der Bankraub bei der Zentralbank von Bangladesch im vergangenen Jahr rückte die Problematik der Zahlungssysteme in den Fokus. Die Einsicht, dass Zentralbanken auf diese Weise angegriffen werden können, ist seit Bangladesch allgegenwärtig“, sagte ein Repräsentant von BAE Systems. Bereits im Jahr 2014 wurde bekannt, dass Hacker eine große Zahl an Kontaktdaten und Datensätzen aus den Computersystemen der EZB entwendeten.

Die Bundesbank wollte sich gegenüber den Deutschen Wirtschafts Nachrichten nicht konkret dazu äußern, welche Maßnahmen sie gegen die Bedrohung eingeleitet hat. „Insbesondere werden keine Informationen zu konkreten Maßnahmen der Bundesbank gegeben. Man ergreift quasi marktübliche Maßnahmen und ist mit den bekannt gewordenen Angriffen sicherlich nochmals weiter sensibilisiert worden und schätzt die Wahrscheinlichkeit eines Angriffs höher ein“, sagte ein Sprecher.

Bei den Tätern dürfte es sich neben gut organisierten Kriminellen auch um staatliche Geheimdienste handeln. Die Infiltrierung von Banken und Zentralbanken stellt in der heutigen vernetzten Welt eine wichtige Waffe dar, mit welcher sich etwa Währungskriege entscheiden oder geopolitische Rivalen sabotieren lassen. Vor wenigen Tagen wurde beispielsweise bekannt, dass der amerikanische Geheimdienst CIA in Frankfurt seit Jahren einen großen Stützpunkt zur digitalen Spionage unterhält. Dieser ist im US-amerikanischen Generalkonsulat untergebracht, die Mitarbeiter werden offiziell als Angehörige des Außenministeriums getarnt. Es dürfte kein Zufall sein, dass dieser wichtige Posten im Finanzzentrum Frankfurt aufgebaut wurde, welcher neben der Europäischen Zentralbank auch einen wichtigen Internet-Knotenpunkt beherbergt.

Ein Schwerpunkt der CIA-Präsenz in Frankfurt ist die Abschöpfung von Informationen aus der deutschen Wirtschaft. Es ist naheliegend, dass sich die CIA auch für die Banken un die EZB sowie die Bundesbank interessieren könnte.

Im Januar waren bekanntgeworden, dass Hacker in die E-Mail-Konten von EZB-Chef Mario Draghi und des ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi eingedrungen sind. Etwa 99 Prozent der gestohlenen Daten wurden nach Polizeiangaben in den USA gespeichert. Das FBI stellte auf Ersuchen eines römischen Gerichts die Server sicher. Aktuell wird ein ehemaliger Freimaurer der Tat verdächtigt. 

Zu den gehackten Konten zählen nach Polizeiangaben Renzis Mail-Adresse während seiner Zeit als Regierungschef von Italien sowie Draghis bei der Bank von Italien, die er vor seinem Wechsel an die EZB-Spitze leitete.

Dies ist besonders interessant, weil in dieser Zeit die Genehmigung des umstrittenen Kaufs der Antonveneta durch die Monte dei Paschi stammt - ein überteuerter Kauf, den Draghi in seiner Zeit bei der Banca d'Italia genehmigt hatte. Der Kauf markierte den Beginn des wirtschaftlichen Verfalls der MPS, die Hintergründe sind nicht geklärt. Genau solche Informationen sind für Geheimdienste von unschätzbarem Wert, weil die Dienste damit Erkenntnisse über Konkurrenten von Banken der jeweils eigenen Länder gewinnen können.

Am 28. August 2013 hatte ein Hubschrauber der Bundespolizei das US-Generalkonsulat in Frankfurt am Main mit einem Spähflug überprüft.Der Hubschrauber der Bundespolizei hatte das Gebäude im Auftrag des Bundesverfassungsschutzes überflogen., weil man vermutet hatte, dass aus dem Konsulat spioniert wird. Vorausgegangen waren Berichte des früheren NSA-Mitarbeiters Edward Snowden, dort befinde sich eine Abhöreinrichtung der USA. Mit den Wikileaks-Enthüllungen über die CIA dürfte sich der Verdacht bestätigt haben.

 

Die Bundesbank hat auf eine Anfrage, welche Vorkehrungen sie gegen die zunehmende Cyber-Kriminalität zu treffen gedenkt, bisher nicht geantwortet.

Auch andere Staaten bauen ihre Cyber-Kapazitäten aus. Das russische Militär hat eine Spezial-Einheit für den „Cyber-Krieg“ geschaffen. „Propaganda muss smart, kompetent und effektiv sein“, wird der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu zitiert. Die Truppe sei aktiviert worden, um „ein weit effektiveres Werkzeug als all jene, die wir früher für Gegen-Propaganda Zwecke verwendet haben“ zu schaffen, sagte Schoigu.

 

 

 

 

 

 

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