Finanzen

Zinsen steigen: Hohe Militär-Ausgaben treiben Weltwirtschaft in eine Krise

Die angekündigten Erhöhungen bei den Rüstungsausgaben können die Weltwirtschaft in eine neue Krise trieben: Die Staaten können sich das nämlich nicht leisten, weil die Zentralbanken aktuell die Zinsen erhöhen müssen, um einen Inflations-Crash zu verhindern.
20.03.2017 00:41
Lesezeit: 6 min

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Die vorsichtige Anhebung der US-Leitzinsen um 0,25 Prozent und die Ankündigung, dass man auch weiterhin nur in kleinen Schritten die Null- und Niedrigzinsphase beenden werde, passt in eine funktionierende Weltwirtschaft: Nach der Krise 2008 wurde mit extrem niedrigen Zinsen die Erholung erleichtert und nun kehrt man in Etappen zum Normalbetrieb zurück. Die politische Realität in den USA und in der EU schreibt derzeit allerdings ein anderes Drehbuch. Zahlreiche Faktoren weisen den Weg in eine Weltwirtschaftskrise – begleitet von extrem hohen Zinsen.

Der enorme Mittelbedarf der USA muss die Zinsen in die Höhe treiben

An erster Stelle ist auf die Politik der USA zu verweisen. Die Vereinigten Staaten haben vergangenen Donnerstag wieder einmal die vereinbarte Schuldenobergrenze erreicht. Dies auf der Basis der bisherigen Budgetstruktur. Allerdings will Präsident Donald Trump das Militär aufrüsten, die Infrastruktur verbessern, eine Mauer an der Grenze zu Mexiko bauen und die Steuern kräftig senken. Der Mittelbedarf des Staates muss also explodieren. Für zusätzliche Schulden braucht der Präsident die Zustimmung des Parlaments. Die Mehrheit im Kongress und im Senat halten die Republikaner, zu denen auch Trump zählt. Allerdings haben die Republikaner stets zusätzliche Mittel bei Obama blockiert, würden sie jetzt zustimmen – und das ist zu erwarten – sind sie unglaubwürdig.

Bereit zum Krieg gegen den Iran mit Saudi-Arabien, die Türkei und Israel?

Zu den bereits bekannten Ankündigungen kam in den vergangenen Tagen eine dramatische Erweiterung: Mit Saudi-Arabien wurde eine Allianz gegen den Iran eingeleitet, in die auch die Türkei und Israel eingebunden werden sollen. Somit wächst die Gefahr eines Krieges gegen den Iran, wobei nicht vergessen werden darf, dass Russland ein Verbündeter des Iran ist. Schon seit Tagen werden US-Soldaten nach Syrien geflogen, um den Kampf gegen den IS zu unterstützen. Und in Deutschland wird die Militärpräsenz erhöht. Die große US-Militärstation in Ramstein ist das Hauptquartier der US Air Force in Europa und gegenwärtig als zentrale Stelle für die Steuerung der Einsätze im Nahen Osten definiert. All das deutet auf die Bereitschaft zu einem Krieg hin.

Derzeit ist die Rede von einer Aufstockung des Militärbudgets um 54 Milliarden US-Dollar. Diese Korrektur würde nur die Einsparungen der vergangenen Jahre ausgleichen und die Mittel wieder auf die traditionell üblichen 600 Milliarden US-Dollar im Jahr anheben. Entscheidend ist aber, dass in Kriegsphasen das Militärbudget der USA auf 900 Milliarden US-Dollar ansteigt.

Die Löcher im bestehenden Budget, die angekündigten Maßnahmen und der sich abzeichnende Krieg ergeben einen Mittelbedarf von mehreren hundert Milliarden Dollar. Die Folge: Der US-Staat muss deutlich höhere Zinsen zahlen, um die Anleger zum Kauf der Anleihen zu bewegen. In der Folge steigen aber die Zinsen für alle Anleger und Kreditnehmer. Angesichts dieser Perspektive wird die Anhebung der Leitzinsen um 0,25 Prozent durch die US-Notenbank zur Nebensache.

Während eine moderate Steigerung der Zinsen angesichts der verbesserten Wirtschaftslage und der deutlich zurückgegangenen Arbeitslosigkeit verkraftbar erscheint, muss eine kräftige Zinserhöhung als Konjunkturbremse wirken.

An eine Konjunkturbelebung durch Donald Trump glauben die Manager nicht

Zudem sind die Unternehmensleiter keineswegs so überzeugt, dass die Trump-Politik für Wachstum sorgen werde, wie verschiedentlich behauptet wird. In den Banken ist seit den Wahlen ein als gespenstisch empfundener Rückgang der Kreditnachfrage aus den Betrieben zu beobachten.

Offenbar ist man skeptisch: Die Manager fürchten, dass die geplanten, protektionistischen Eingriffe zu Gegenmaßnahmen führen werden. Immerhin exportieren die USA Waren und Dienstleistungen um 220 Milliarden US-Dollar, das sind 12 Prozent des BIP. Die Importbremse würde außerdem die von US-Firmen in Billiglohnländern produzierten Teile verteuern und die Kostenrechnungen der amerikanischen Unternehmen belasten. Der Ausbau der Infrastruktur und des Militärs soll durch Kürzungen in anderen Bereichen gegenfinanziert werden. Höhere Importpreise und höhere Zinsen müssen den für die US-Wirtschaft entscheidenden Binnenkonsum bremsen. Auch die geplante Kürzung der staatlichen Sozialleistungen muss sich auswirken.

Damit nicht genug: Höhere Dollar-Zinsen lassen den Dollar-Kurs ansteigen. Dass dies in der vergangenen Woche nicht erfolgt ist, ergibt sich aus der vorangegangenen Erwartung der Börsianer, die eine kräftigere Anhebung der Zinsen vorweggenommen hatten. Der schon seit längerem starke Dollar erschwert naturgemäß die Exporte, eine drohende, weitere Aufwertung sorgt für Unruhe. Die Manager glauben nicht, dass Trump durch Steuererleichterungen diese Nachteile ausgleichen kann. Die Importeure und die Konsumenten könnten sich über einen hohen Dollar-Kurs freuen, der die Einfuhren verbilligt, doch hier drohen hohe Zölle den Effekt zu korrigieren.

Politik der EZB hält den Euro-Kurs niedrig – zum Ärger der US-Exporteure

Die Entwicklung rund um den Dollar hat gravierende Auswirkungen auf Europa. Lange konnte der Euro Stärke zeigen und sogar bis 1,40 Dollar für einen Euro notieren. Die anhaltende Schwäche der EU hat dazu geführt, dass die aktuelle Umrechnung nur knapp 1,08 Dollar ausweist. Die europäischen Exporteure profitieren, die amerikanischen Exporteure leiden. In einem erstaunlichen Fall von Projektion beschuldigt US-Präsident Donald Trump Europa der Währungsmanipulation, eine Praxis, die die USA seit Jahrzehnten unbekümmert und konsequent betreiben. Mit der Weltwährung Dollar ist dies deutlich leichter möglich als mit dem Euro .

Der niedrige Euro-Kurs wird allerdings durch die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank begünstigt. Somit ist die Forderung der USA begründet, Europa möge dem amerikanischen Beispiel folgen und sich von den Nullzinsen verabschieden. Der Präsident der EZB, Mario Draghi, weigert sich, dem Beispiel der Chefin der Fed, Janet Yellen, zu folgen. Schließlich sei die Arbeitslosigkeit in den USA dramatisch gesunken, in Europa nicht, der Währungsfonds spricht für die USA von einem kräftigen Wachstum deutlich über 2 Prozent und ortet hingegen eine Schwäche der Euro-Zone. Also müsse die europäische Nullzins-Politik zur Belebung der Wirtschaft fortgesetzt werden, heißt es aus der EZB.

Die Geldschwemme zu niedrigen Zinsen hat in Europa nicht gewirkt

Man muss es leider immer wieder sagen: Dass die USA mit der Politik der großzügigen Mittelversorgung und der niedrigen Zinsen die Krise 2008 besser überwunden haben als Europa hat einen fassbaren Grund, den man in der EZB und in der EU-Führung nicht zur Kenntnis nimmt. In den USA sind die Mittel in der Realwirtschaft angekommen, die Kreditfinanzierung hat zugenommen. Vielfach entstand sogar eine bedenklich hohe Verschuldung bei Privathaushalten und Unternehmen, sodass die nun steigenden Zinsen Probleme auslösen müssen. In Europa sind die Mittel nicht angekommen, das Kreditvolumen ist sogar dramatisch gesunken, weil Basel III und eine Reihe anderer Regularien die Vergabe von Finanzierungen extrem erschwert haben.

Dabei wäre für Draghi jetzt der ideale Zeitpunkt, um sich von der wirkungslosen Politik zu verabschieden. Nach deutlichen Rückgängen des Kreditvolumens kam es 2016 wieder zu einem Anstieg, der als Erfolg dargestellt werden könnte, auch wenn es sich nur um eine Korrektur nach der Reduktion handeln dürfte.

Derzeit ist jede Zinserhöhung eine Gefahr für die Anleger

Die Nullzinsen-Politik hat der Wirtschaft nicht genützt, aber großen Schaden angerichtet. Die Anleger forcierten den Kauf von Grundstücken und Aktien. Die Wechselwirkung zwischen Nominalwerten und Sachwerten wurde durch die niedrigen Zinsen verschärft: Auch Objekte mit geringen Erträgen wurden zu attraktiven Veranlagungen im Vergleich zu Anleihen oder Sparbüchern und erzielten hohe Preise. Jede Zinserhöhung stellt nun die Vergleiche und somit die Preise der Grundstücke und Aktien in Frage und leitet einen Preis- und Kursverfall ein. Nur eine Anhebung in kleinen Schritten über einen längeren Zeitraum vermag größere Verwerfungen und enorme Verluste der Anleger in Grenzen zu halten.

Auch in Europa treibt der Geldbedarf der Staaten die Zinsen in die Höhe

Draghi weigert sich, diesen Weg zu gehen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Politik der EZB von der Entwicklung überrollt wird und eine kräftige Zinserhöhung trotzdem zustande kommt, wird allerdings immer größer. Die meisten europäischen Staaten sind nicht in der Lage, die Staatshaushalte in Ordnung zu bringen. Somit fallen laufend weitere Defizite an, die Schulden steigen dramatisch.

Dieses Phänomen würde schon längst zu einer Anhebung der Zinsen geführt haben. Der Ankauf von Staats-Anleihen durch die EZB hat dies bisher verhindert, doch kann die Zentralbank diese Politik nicht unbegrenzt fortsetzen. Schon jetzt muss man angesichts der Milliarden, die bei der EZB liegen, von einer Gefährdung der Zentralbank selbst und somit des Euro sprechen. Auch der Trick, Staatsanleihen für risikolos zu erklären, wirkt nicht unbegrenzt: Banken und Versicherungen müssen die als „risikolos“ eingestuften Staatsanleihen nicht mit Kapital unterlegen, andere Finanzierungen aber mit enorm viele Kapital absichern. Auf diese Art wurde auch der Kauf von minimal verzinsten Staatsanleihen erreicht.

Auf Dauer wirken aber der Markt und der Geldbedarf der Staaten. Auch das Musterland Deutschland hat nur scheinbar kein Defizit. Die geringe Dotation der Renten aus dem Budget wird angesichts der wachsenden Altersarmut nicht zu halten sein. Und das Zugeständnis von Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrem Besuch in Washington, dass Deutschland seine Verpflichtungen im Rahmen der NATO erfüllen werde, ist ebenfalls teuer: 2 Prozent des BIP sollten die Militärausgaben aufgrund der NATO-Abmachungen betragen, etwa 1,2 Prozent werden tatsächlich von Deutschland aufgewendet. 0,8 Prozent entsprechen 25 Milliarden Euro. Auch die anderen NATO-Staaten haben einen Aufholbedarf.

Somit muss der Mittelbedarf der Staaten weiter steigen und für eine Anhebung der Zinsen sorgen und die Frage nach der Höhe der EZB-Zinsen zur Nebensache machen.

Europa droht eine fatale Wirtschaftsbremse.

Fazit: Die Zinsen werden kräftig steigen, zuerst in den USA und dann in Europa, die anderen Märkte werden sich dieser Entwicklung nicht entziehen können. Weltweit werden die Preise steigen. Diese Inflation ist allerdings nicht die Folge einer überbordenden Konjunktur, die durch eine überhitzte Nachfrage die Preise treibt. Ausgelöst wird die Entwicklung durch die Staaten, deren Haushalte einen enormen Mittelbedarf haben, der über immer höhere Steuern und in absehbarer Zeit über immer höher verzinste Anleihen finanziert wird. In den USA ist der Druck auf die Privathaushalte und die Unternehmen durch die niedrigen Steuern etwas milder. In Europa bilden die schwache Konjunktur, die Kreditbremse durch die Regularien, die extrem hohen Steuern und künftig auch die steigenden Zinsen und die zunehmende Inflation eine fatale Wirtschaftsbremse.

Dass ein beachtlicher Teil der Belastungen aus der Aufstockung der Militärbudgets resultiert, erhöht die Kriegsgefahr. Alle politischen Entwicklungen weisen derzeit den Weg in eine globale Krise. Eine Abkehr von diesem Weg ist nicht erkennbar.

***

Ronald Barazon war viele Jahre Chefredakteur der Salzburger Nachrichten. Er ist einer der angesehensten Wirtschaftsjournalisten in Europa und heute Chefredakteur der Zeitschrift „Der Volkswirt“ sowie Moderator beim ORF. 

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