Europäische Aktienmärkte stellen derzeit die US-Märkte in den Schatten. Die einzige Ausnahme ist der NASAQ. Der Technologie-Index läuft weiterhin wie geschmiert. Die Kursschwäche haben auch viele Investoren bemerkt und satteln um. Von Goldgräberstimmung zu reden wäre natürlich maßlos übertrieben. Dennoch wirkt der europäische Markt aktuell deutlich attraktiver.
Wollte US-Präsident Trump nicht den Aufschwung bringen? Nun, einerseits hat er dazu noch knapp vier Jahre Zeit, andererseits erblüht momentan die Eurozone zu alter Stärke. Selbst wenn der Blüte der Dünger fehlt und sie auf Granit gebaut ist – die USA haben offenbar mehr Unkraut, das Energie raubt.
Das lässt sich auch recht anschaulich an den Kursverläufen der großen Indizes festmachen. Die folgende Chart vergleicht den DAX mit S&P500 und Dow Jones seit Jahresbeginn. Hierbei wird klar, dass der DAX seit Frühling Kraft getankt hat und die beiden großen Kollegen aus den USA hinter sich gelassen hat. Speziell zu Jahresbeginn sah es nämlich noch gar nicht danach aus. Dort hatten S&P500 und Dow Jones die Nase vorne.
Doch Ende März änderte sich das Bild. Die US-Indizes schrumpften ein wenig. Das dauerte sogar bis Ende April. Der DAX gab vorher schon Gas. Anfang Mai trafen sich die Kurse dann erneut. Als Erklärungsversuch können hier die Wahlen in Frankreich herhalten. Denn insbesondere nach der Wahl von Macron schnellten die Börsen in die Höhe. Denn eines war klar: Der Euro ist vorerst gerettet, Frankreich wird die EU nicht verlassen und Stabilität lockt Käufer an.
Während jedoch die Kurse in den USA langsam wieder steigen, hat sich der DAX bereits rund zwei Prozent auf Jahressicht von der Konkurrenz absetzen können – und das trotz der Startschwierigkeiten. Dies sehen natürlich auch die US-amerikanischen Anleger und lenken ein. Wenn Europa – genauer gesagt Deutschland und Frankreich – einen so starken Aktienmarkt hat, ist es durchaus sinnvoll, einige Teile des Portfolios dorthin zu schieben.
Doch nicht nur die europäischen Aktien sind stark, es liegt auch am Euro. Dieser hat seine Talfahrt Ende 2016 beendet. Seit Januar 2017 ist eine Trendwende in der Grafik gut erkennbar. Seitdem steigt der Euro im Vergleich zum US-Dollar konstant. Das stärkt logischerweise die Firmen in der Eurozone. Wer natürlich ausschließlich in die USA exportieren würde, müsste sich über weniger Geschäft beklagen. Steigende Verkaufspreise bedeuten im Umkehrschluss geringere Verkaufszahlen. Da die europäischen Firmen aber nicht nur nach Nordamerika verkaufen, ist der Anstieg des Euros kaum eine Ausrede für schlechte Zahlen.
In der beigefügten Tageschart des Währungspaares Euro und US-Dollar ist die 200-Tages-Durchschnittlinie Gelb eingezeichnet. Diese wurde nach der ersten Wahlrunde in Frankreich nach oben durchbrochen und wird in der Charttechnik gerne als Indikator genommen. Dass Le Pen und Macron in die Stichwahl gingen, hat ausgereicht, um ein gravierendes Zeichen für die Stabilität des Euros zu setzen.
Anfang Mai hat der Euro es zum ersten Mal seit langer Zeit wieder geschafft, deutlich über der 200-Tageslinie zu notieren. Seitdem laufen die Kurse weiterhin nach oben, auch wenn in den letzten Tagen ein wenig Luft geholt wird.
Die offene Kurslücke beim Sprung über die Durchschnittslinie ist übrigens kein Problem. Auch wenn sogenannte Gaps gerne wieder geschlossen werden, kann das durchaus dauern. Aktuell haben wir auch eine Kurslücke vom Januar 2015 bei 1,20, die weiterhin offen ist. Insofern muss es nicht sofort wieder auf 1,07 heruntergehen.
Auch ein Blick auf ein weiteres Steckenpferd von Donald Trump lohnt sich: die Autoindustrie. Von Importzöllen und Einfuhrstrafen war die Rede. Wer lieber deutsche Wertarbeit fahren möchte, sollte ab sofort mehr bezahlen. Hat das beispielsweise Ford geholfen?
Die eindeutige Antwort: Nein. Sogar Volkswagen, die dank der USA und dem Abgasskandal einiges an Schaden davongetragen haben, sind bereits wieder erstarkt. BMW und Daimler geht es verhältnismäßig ebenfalls besser. Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.
Ford ist in Rot eingezeichnet und seit Juni 2016 um knapp 16,2 Prozent geschrumpft. Dagegen haben die deutschen Autobauer 5-16 Prozent zulegen können. Seit dem Amtsantritt Trumps hätten Ford-Anleger denken können, dass es sich lohnen würde, in deren Aktien zu investieren. Doch wie extrem dieser Irrtum ist, zeigt die Tabelle. Gerade seit Frühjahr 2017 ging es mit den Kursen von Ford nach unten. Für Investoren aus den USA ist dies ein weiteres Zeichen dafür, dass die europäischen Werte für das Portfolio interessanter sind.
Eine Ausnahme soll aber noch erwähnt werden: Tesla, die neben Solar- und Tunnel- auch als Autobauer gezählt werden, hängt derzeit sogar BMW ab. Wer als Anleger aber nicht all-in in diesen spekulativen Bereich investieren möchte, ist wiederum im Autosektor in Deutschland gut aufgehoben. Doch nicht nur Deutschland schneidet besser ab als Dow Jones & Co, der gesamte europäische Markt boomt.
Das beweist der Euro Stoxx 50. Darin enthalten sind zu jeweils etwa einem Drittel Aktien aus Frankreich und Deutschland, jedoch auch aus vielen anderen europäischen Ländern. Vergleicht man zu guter Letzt noch diesen Index mit Dow Jones und S&P500, ergibt sich ein ähnliches Bild.
Natürlich ist auch hier die Wahl in Frankreich ausschlaggebend. Doch auch schon dafür haben die Kurse einen Spagat vollzogen. Während der Euro Stoxx 50 seit März nach oben kletterte, ging es mit Dow Jones und S&P500 bergab. Die aktuelle Korrektur nicht mitgerechnet, war die Differenz zwischen Euro Stoxx 50 und den großen US-Märkten Anfang Mai bei sensationellen acht Prozent – und das alles innerhalb gut zweier Monate.
Kein Wunder, dass viele Investoren aus den USA bereits mehr als nur nach Europa schielen. Der Brexit schlägt derzeit noch keine großen Wellen oder sorgt für Unsicherheit. Warum also nicht das Geld wieder nach Zentraleuropa schicken, wenn der eigene Präsident noch auf seine Versprechen warten lässt?
Solange der Euro über die 200-Tageslinie im EUR/USD notiert und Trump keine entscheidenden Veränderungen bewirkt, gibt es ausreichend Gründe dafür, dass sich dieser Trend fortsetzt.