EU will harte Linie, doch Brüssel steht schwach da
Die EU-Staats- und Regierungschefs fordern von der Kommission eine harte Linie bei den entscheidenden Zollverhandlungen mit den USA. Doch Experten warnen, dass Handelskommissar Maroš Šefčovič mit einer schwachen Verhandlungsposition nach Washington reist.
Am Donnerstag beginnt Maroš Šefčovič die entscheidenden Gespräche mit seinen amerikanischen Verhandlungspartnern, bevor die derzeitige Zollpause am 9. Juli ausläuft. Laut Informationen der Financial Times und dem schwedischen Portal Dagens Industri haben die Mitgliedstaaten den Kommissar aufgefordert, in den Gesprächen eine harte Linie zu verfolgen, um das derzeitige Basisniveau der Zölle von 10 Prozent zu senken. Außerdem erhofft man sich niedrigere Zölle auf mehrere spezifische Waren.
Die Hoffnung ist, rasch ein Rahmenabkommen mit einem Basisniveau für die Zölle abzuschließen, um anschließend mehr Zeit zu gewinnen, um über die Details weiterzuverhandeln. Doch Tobias Gehrke, Forscher beim European Council on Foreign Relations (ECFR), ist der Ansicht, dass die EU in den letzten Wochen in den Verhandlungen zunehmend schwach aufgetreten ist. „Der Druck auf die Mitgliedstaaten, schnell zu einer Einigung zu kommen, ist gestiegen“, sagt er.
Er ist der Meinung, dass sich die Kommission selbst ins Bein geschossen habe, indem sie keine Gegenzölle gegen die USA verhängt habe. „Das hätte es uns ermöglicht, unsere Eskalationsstrategie herunterzuhandeln“, sagt er. Nun drehten sich die Gespräche stattdessen nur noch um die Forderungen der Amerikaner, so Gehrke. „Wir haben uns selbst in eine schlechte Lage gebracht, und die Amerikaner wissen das“, sagt er.
USA bestimmen die Agenda, Europa gibt klein bei
Die Ankündigung in der vergangenen Woche, dass die USA ein Abkommen mit den G7-Ländern geschlossen haben, um der geplanten globalen Mindeststeuer der OECD von 15 Prozent zu entgehen, sei ein enormes Zugeständnis seitens der EU gewesen. Das könnte die Verhandlungsposition der Kommission zwar etwas stärken – obwohl die USA im selben Moment ihre Pläne für Vergeltungszölle gegen europäische Unternehmen und Investoren in den USA aufgegeben haben.
Doch laut Tobias Gehrke zeigt auch dieses Zugeständnis die schwache Verhandlungsposition der Europäer. „Die Europäer haben sehr schnell nachgegeben, und ich glaube, das zeigt, was uns bevorsteht“, sagt er. Gerade die Mindeststeuer war eines der Themen, das die US-Regierung am meisten verärgert hat. Einige europäische Länder haben weiterhin eigene Steuern auf digitale Dienstleistungen, was ein weiteres Reizthema für Donald Trump darstellt. Im Fall Kanadas war es erst nach dem Verzicht auf solche Steuern möglich, die Gespräche mit den USA wieder aufzunehmen.
Gefahr für Schlüsselindustrien hat Folgen für Deutschland
Der Druck auf die Mitgliedstaaten, schnell eine Einigung zu erzielen, ist gestiegen. Wenn es der EU gelingen sollte, ein Abkommen mit 10 Prozent Basiszöllen und niedrigeren Zöllen auf eine Reihe wichtiger Güter zu schließen, sollte dies laut Tobias Gehrke angesichts der aktuellen Verhandlungslage als Erfolg gewertet werden.
Er sieht jedoch ein großes Risiko, dass die USA sich weigern werden, die Zölle für wichtige Sektoren wie die Automobilindustrie zu senken. In diesem Fall dürfte die EU gezwungen sein, Gegenzölle zu verhängen. Ein solches Szenario wird auch in EU-Kreisen diskutiert, wo zudem die Sorge besteht, dass die USA versuchen könnten, die Verhandlungsfrist mit den derzeitigen Zöllen zu verlängern. Das würde in Brüssel als Niederlage gelten, denn man will nicht in eine Situation geraten, in der die aktuellen Zollsätze dauerhaft zementiert werden.
Besonders für die deutsche Wirtschaft steht viel auf dem Spiel. Die Automobilindustrie, eine tragende Säule des deutschen Exports, würde durch US-Zölle weiter unter Druck geraten. Sollte Washington sich weigern, diese Zölle zu senken, drohen wirtschaftliche Einbußen für deutsche Hersteller, während Gegenzölle das transatlantische Verhältnis weiter belasten könnten.
Die EU geht mit einer schwachen Hand in die Gespräche, die USA bestimmen das Tempo – und Deutschland steht im Zentrum der wirtschaftlichen Risiken. Ein Scheitern der Verhandlungen könnte zu einem gefährlichen Zollkrieg führen, der die exportorientierte deutsche Wirtschaft empfindlich trifft.