Politik

USA als Patron für einen starken Block der Osteuropäer in der EU

In Osteuropa entsteht unter US-Patronanz ein neuer Block, der die Gewichte in der EU wirtschaftlich und gesellschaftspolitisch verschieben könnte.
05.07.2017 22:42
Lesezeit: 4 min

Mitten in der Krise der EU könnten sich die Interessen der Osteuropäer und der USA in mehreren wichtigen Punkten treffen. Eine wichtige Initiative stellt in diesem Zusammenhang neben der Visegrad-Gruppe die sogenannte „Drei-Meeres-Initiative“ (TSI) dar. Die Initiative hat ihren Namen von den drei Meeren Ostsee, Adria und Schwarzes Meer. Mitglieder sind neben Polen auch die Slowakei, Tschechien, Ungarn, Slowenien, Estland, Lettland, Litauen, Kroatien, Rumänien, Österreich und Bulgarien.

All diesen Ländern ist gemeinsam, dass sie keine deutsche Dominanz in der EU wollen und sich aus historischen Gründen mehr oder weniger latent von Russland bedroht fühlen. Durch die Entfremdung zwischen dem neuen US-Präsidenten Donald Trump mit den großen EU-Nationen, vor allem mit Deutschland, ergeben sich neue Allianzen, die unter anderem auf gemeinsame gesellschaftspolitische Werte setzen: Osteuropa ist, wie Trump und die US-Republikaner, wertkonservativ und lehnen Einwanderung aus fremden Kulturen ab.

Trump hat auch persönlich starke Beziehungen nach Osteuropa: Seine Frau Melania stammt aus Slowenien und ist ihrer Heimat sehr verbunden. Die Auslands-Slowenen unterhalten traditionell gute Beziehungen zueinander und nehmen an der Entwicklung ihres Landes auch Anteil, wenn sie schon lange im Ausland gelebt haben.

Es ist daher mehr als nur eine symbolische Geste, wenn Trump am Donnerstag zu einer Konferenz nach Warschau kommt. Bei dieser Konferenz geht es um politische Konzepte, die sich in konkreten wirtschaftlichen Initiativen niederschlagen sollen. In der Drei-Meeres-Initiative ist die gemeinsame wirtschaftliche Ausrichtung zu erkennen. Diese richtet sich nicht gegen die EU, sondern will gewissermaßen unter US-Schirmherrschaft einen starken Block in der EU formen, der gemeinsam auch politische Ziele durchsetzen kann. Mit der Flüchtlingspolitik ist das den Visegrad-Staaten bereits gelungen: Sie haben den EU-Plan zur Verteilung durch ihren geschlossenen Widerstand de facto zu Fall gebracht.

Die polnische Regierung beschreibt die Drei-Meeres-Initiative vornehmlich als wirtschaftliches Bündnis. Ein Sprecher des polnischen Präsidialamts sagte den Deutschen Wirtschafts Nachrichten:

„Zunächst einmal ist die Drei-Meere-Initiative nicht ein Teil des Intermarium-Konzeptes – eine geopolitische Theorie, die in der Zwischenkriegszeit geboren wurde. Die politische Bedeutung dieser Theorie endete mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges. Die Drei-Meere-Initiative wurde mit dem Ziel gegründet, die Wirksamkeit des europäischen Marktes zu erhöhen, die fehlenden Infrastrukturelemente der Transit-/Kommunikationsintegration zu vervollständigen und die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und die Energiesicherheit Europas zu verbessern – innerhalb und nicht gegen die EU."

Der Sprecher weiter: "Wir sind davon überzeugt, dass die Mitglieder Österreich, Bulgarien, Kroatien, Tschechien, Estland, Ungarn, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Slowakei und Slowenien einen bedeutenden Beitrag zur Entwicklung geleistet und zur Stabilität der erweiterten Europäischen Union beigetragen haben. Aus diesen Gründen kann die Integration in die Infrastruktur (und gemeinsame Projekte in diesem Bereich) unter den Ländern unserer Region eine wesentliche Ausweitung des Konzeptes für die nachhaltige Entwicklung für ganz Europa darstellen. Je mehr Infrastrukturverbindungen unter den Drei-Meere-Ländern entstehen, desto kohärenter wird ganz Europa sein. Die Drei-Meere-Initiative basiert auf drei Säulen: politisches Vertrauen der Teilnehmer, strategische Planung von Ventures und kommerzielle Tragfähigkeit von Projekten. Die Umsetzung von grenzüberschreitenden und makroregionalen Investitionen wird zu dauerhaften Quellen der wirtschaftlichen Stabilität führen und greifbare Vorteile und Chancen schaffen, um die Menschen der Region effektiv näher zusammenrücken zu lassen. Dies geschieht dank einer intensiveren Zusammenarbeit im Bereich Wirtschaft, Energie, Verkehr und Cyberspace.“

Visegrad Insight berichtet, dass die Drei-Meere-Initiative ein neues Instrument der europäischen Integration sei. Sie werde nicht zu einer Isolation der Mitgliedsstaaten, sondern zu mehr Integration in Europa führen. Darüber hinaus könne die Unterstützung des US-Präsidenten für die TSI nur nützlich sein. Die TSI sei eine Idee, die sich um die tiefere Integration der östlichen Mitglieder der Europäischen Union in Sachen Logistik, Energiesicherheit, Konnektivität und Infrastruktur drehe. Einer der stärksten Unterstützer der TSI in Polen sei Präsident Andrzej Duda. Die Teilnahme Donald Trumps an der TSI-Konferenz am 6. Juli 2017 in Polen sei wichtig, schreibt das Magazin.

Doch die Amerikaner haben auch ein Interesse, in der EU ein Gegengewicht zu Deutschland und Frankreich zu schaffen. Visegrad Insight wörtlich: „Infolgedessen könnte Warschau nach dem Besuch von Trump zu selbstsicher und konfrontativ werden, was wiederum zu einer schrittweisen Isolation in der EU führen wird“. Es bestehe nach Ansicht einiger Europa-Experten die Gefahr, dass die TSI-Versammlung zu einer Gruppe von „zukünftigen politischen Parias“ verkommen könnte. Doch all diese Befürchtungen seien nicht begründet. Schließlich habe Duda durchgehend wiederholt, dass die TSI zur Stärkung der EU beitragen werde.

Visegrad Insight gehört zur polnischen Res Publica Foundation, deren Kooperationspartner unter anderem aus der US-Technologiebranche kommen.

Tatsächlich könnte die Initiative eine Art Gegengewicht zur deutsch-russischen Achse in der Energiepolitik werden. Bisher hat Deutschland gegen den Widerstand der meisten anderen EU-Staaten die Pipeline Nord Stream 2 vorangetrieben. Doch die Polen wollen selbst ein Energie-Hub in Europa werden und hintertreiben das Projekt nach Kräften. 

Trump will Osteuropa als wichtigen Absatzmarkt für amerikanische Energieexporte nach Europa gewinnen. Sein Wirtschaftsberater Gary Cohn sagte, Trump wolle seine Pläne zum Export von Flüssig-Erdgas (LNG) aus den USA nächste Woche in Warschau rund einem Dutzend Staats- und Regierungschefs aus Osteuropa vorstellen.

Das polnische Institut für internationale Angelegenheiten führt in einer Analyse aus: „Die größte Herausforderung für die TSI ist der Aufbau von Gas-Pipelines, die für die Stärkung ihrer Energiesicherheit und die Entwicklung eines wettbewerbsorientierten Marktes unerlässlich sind. Wegen des Mangels an diversen Gasverbindungen waren die Länder in der Region – und sind immer noch – in hohem Maße abhängig von einem einzigen Lieferanten, nämlich Russland. Die Dominanz Russlands macht das Land anfällig für monopolistische Praktiken, Versorgungsunterbrechungen und politischen Druck in anderen Bereichen. Diese Praktiken wurden von der Europäischen Kommission in ihrem Kartellverfahren gegen Gazprom bestätigt (…). Zusätzliche oder neue Erdgaspipelines sind angesichts des prognostizierten Wachstums der Nachfrage in den TSI-Ländern notwendig. Nach Prognosen der EU-Kommission wird die Gasnachfrage zwischen 2015 und 2030 um 14 Prozent steigen und in der gesamten EU um etwa vier Prozent sinken. Das größte Nachfrage-Wachstum werde in Polen, Slowenien, Lettland und Österreich stattfinden."

Die Visegrad Post verweist auf die geopolitische Bedeutung von Osteuropa: Die Länder der Region vom Baltikum bis zur Adria und zum Schwarzen Meer machten 28 Prozent des Territoriums der EU und rund 22 Prozent seiner Bevölkerung aus. Sie erwirtschaften aber nur zehn Prozent des EU-Bruttoinlandsprodukts. Das dürften die Amerikaner erkannt haben und sehen in Osteuropa einen veritablen Wachstumsmarkt.

Einem Bericht des Atlantic Councils zufolge gehe es der US-Regierung darum, eine Energieinfrastruktur vom Baltikum bis zur Adria und dem Schwarzen Meer zu schaffen. „Das ist ein wirklich transatlantisches Projekt, das enorme geopolitische, geostrategische und geo-ökonomische Verzweigungen hat (…). Die Art und Weise, wie die Mittel- und Osteuropäer die Welt und die Bedrohungen, die ihnen begegnen, betrachten, passt viel besser auf die Art und Weise, wie die Amerikaner die Welt betrachten (...). Besser als die Art und Weise unserer traditionellen westlichen Verbündeten“, so US-General a.D. James L. Jones vom Atlantic Council.

PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski sagte vergangene Woche, dass die „europäischen Nationen neidisch“ sind, weil Trump an der TSI-Konferenz kurz vor dem G-20-Gipfel teilnimmt, berichtet abc News.

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