Politik

Hamburg: Steine gegen Polizisten, Feuer und Plünderungen

In Hamburg ist es im Zuge der G20-Proteste zu schweren Ausschreitungen gekommen.
08.07.2017 00:18
Lesezeit: 2 min

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Die Korrespondenten der dpa berichten von der zweiten Hamburger Krawallnacht:

Brennende Barrikaden im Hamburger Schanzenviertel, Flaschen und Steine auf Polizisten, geplünderte Geschäfte: Innensenator Andy Grote (SPD) hatte sich vor dem dem G20-Gipfel friedliche Proteste als ein «Fest der Demokratie» gewünscht. Tatsächlich «feiern» tausende Demonstranten eher ein Fest der Anarchie.

Nach morgendlichen friedlichen Protesten im Hafen sammeln sich am Nachmittag tausende G20-Gegner am Millerntorplatz. Die Polizei ist mit massiven Kräften präsent, die Stimmung ist gespannt. Das Ziel der Demonstranten ist klar: Alle wollen zur Elbphilharmonie, wo sich gegen Abend die Staats- und Regierungschefs zu einem klassischen Konzert einfinden. Zu einem «Arschgeigen-Konzert», wie eine Sprecherin der «Block G20»- Demonstration mit heiserer Stimme aus dem Lautsprecherwagen ruft. Bunt gekleidete Clowns und eine pink gekleidete Percussion-Gruppe erheitern auf dem Millerntorplatz niemanden.

Als sie losmarschieren, setzt sich auf die Polizei in Bewegung, eilt zu den Landungsbrücken und schneidet den nach Veranstalterangaben 5000 Demonstranten den Weg ab. Bevor sie runter zur Elbe gehen, werfen einige Vermummte noch schnell Steine auf eine Hotelfront. Dort haben sich US-Journalisten einquartiert und vermutlich auch Teile der US-Gipfeldelegation. Von der Polizei ist an der engen Kreuzung Davidstraße/Bernhard-Nocht-Straße nichts zu sehen. Zum Glück splittert das Glas nur, gibt aber nicht nach.

Die Elbphilharmonie scheint in Reichweite. Die Demonstranten ziehen in Richtung des Konzerthauses - mit Anarcho-Flaggen und Bannern türkischer kommunistischer Gruppen hinter der Parole «Wir werden eure Krise sein!». Sie skandieren «Antikapitalista» oder «Antifaschista». An den Landungsbrücken kommt es zu Auseinandersetzungen. Böller krachen. Die Polizei drängt die Demonstranten Richtung Fischmarkt/Reeperbahn zurück. Auf der Elbe versuchen Aktivisten von Greenpeace mit Booten in die Sicherheitszone einzudringen.

Es bleibt aber klar: In diese Zone kommt kein Demonstrant. Und so trifft zwei Stunden später Kanzlerin Angela Merkel als erster Gast ein - mit reichlich Verspätung kommen später auch US-Präsident Donald Trump und sein russischer Amtskollege Wladimir Putin.

Während in der Elbphilharmonie Beethovens «Freude schöner Götterfunken» erklingt, gehen draußen die Krawalle weiter. Auf dem Millerntorplatz versuchen Demonstranten, Barrikaden zu bauen. Die Polizei verhindert das mit Wasserwerfern. In dem Tumult bemerken nur wenige, dass sich eine Wagenkolonne einer asiatischen Gipfeldelegation in die Demonstranten verirrt hat. Unbeschadet können die vier schwarzen Luxuslimousinen wenden.

Die Demonstranten ziehen weiter, in Richtung der Autonomen-Hochburg Rote Flora. Dort greifen Vermummte die Polizei mit Flaschen und Steinen an. Barrikaden brennen. Über dem Viertel steigen Rauchschwaden auf, die schon von weitem zu sehen sind. Ein Drogeriemarkt wird geplündert und komplett verwüstet. Dann kommt ein Lebensmittelmarkt dran. «Alles muss raus», witzelt einer der Plünderer. Andere werfen unterdessen städtische Leihfahrräder ins Feuer. Polizei ist nicht zu sehen. Das Viertel scheint ein rechtsfreier Raum zu sein.

Die Atmosphäre steckt viele Menschen an. Aus Lautsprechern dröhnen Techno-Beats, manche tanzen, andere strecken sich auf dem Rasen aus. Die Straßen sind scherbenübersäht, Grünflächen und Hausecken werden zu Pissoirs. Ganz in der Nähe des Schanzenviertels besetzen G20-Gegner eine große Kreuzung am Neuen Pferdemarkt. Die Lage ist gespannt, es krachen Böller. «Hier ist wenigstens was los», ruft ein junger schwarz gekleideter Mann seinem Kumpel zu.

Auf der Reeperbahn bleibt eine «revolutionäre» Demonstration des Roten Aufbaus Hamburg unter dem Motto «G20 entern» wider Erwarten friedlich. Weil die Anmelder nach eigenen Angaben keine Repressionen wie am Vortag durch die Polizei erleben wollten, haben sie auf einen Demonstrationszug verzichtet und auf der Amüsiermeile eine stationäre Kundgebung abgehalten. Etwa 3000 Leute saßen und standen auf der Fahrbahn, teilweise mit Blick auf die gut geschützte Davidwache der Polizei.

Aber nicht jede Demonstration ist auf Konfrontation angelegt. Auf dem Spielbudenplatz demonstriert «Hamburg.Pride» gegen Schwulenfeindlichkeit. Kaum ein Teilnehmer trägt ein schwarzes Kleidungsstück, viele haben sich in Regenbogenflaggen gehüllt. Und dann fahren Tausende mit dem Fahrrad über die Reeperbahn, laut klingelnd. Die «Revolutionäre» zwingen sie zum Absteigen und zu einem Umweg um ihr Terrain.

Hamburg erlebt die zweite heftige Krawallnacht in Folge. Nach der ersten hatte die Polizei bereits 160 verletzte Beamte gemeldet. Sie bat andere Bundesländer um Verstärkung. Die mehr als 19 000 Beamten im Einsatz sind offenbar zu wenig, um Ordnung und Sicherheit in der Hansestadt zu gewährleisten.

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