Gemischtes

Ende eines deutschen Mythos: Diesel ist ein Auslauf-Modell

Lesezeit: 2 min
15.07.2017 02:28
Der Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer sieht den Diesel-Antrieb auch in Europa auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit.

Mehr zum Thema:  
Auto >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Auto  

Der Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen sieht den Diesel-Antrieb sowohl in Deutschland als auch weltweit in den kommenden Jahren auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Welche Auswirkungen hat die Diskussion um Fahrverbote in deutschen Städten derzeit auf die Absatzzahlen deutscher Diesel-Autos?

Ferdinand Dudenhöffer: Man kann die Diskussion um die Fahrverbote von den anderen Negativmeldungen zum Diesel isolieren. Deutlich zu hohe Stickoxide bei den meisten neuen EURO 6 Modellen, dass der ADAC vom Dieselkauf abrät, dass Volvo den Diesel ausmustert, die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen bei Bosch, Daimler oder Audi usw. Es ist nicht eine Meldung, sondern ein regelrechtes Gewitter schlechter Nachrichten. Daher ist der Dieselanteil im Juni (bei Neuwagen – die Red.) auf unter 39 Prozent zusammengebrochen. Anfang 2015 lag er noch bei 51 Prozent. Und der Niedergang wird weitergehen. Der Diesel ist zum Problem geworden.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Welchen ungefähren Anteil haben Dieselautos an der Gesamtfertigung bei VW, Daimler und BMW?

Ferdinand Dudenhöffer: Wenn man die Weltproduktion nimmt gilt zunächst in China, dem wichtigsten Markt, null, in den USA so gut wie null und in Europa heute bei 50 Prozent bis 55 Prozent. Weltweit für die deutschen Autobauer damit eher bei 25 Prozent bis 30% Prozent. Also weltweit deutlich unwichtiger, als wir es aus der deutschen Brille wahrhaben wollen.

Deutsche WIrtschafts Nachrichten: Welcher Konzern ist besonders stark beim Dieselantrieb engagiert? Wie viele Arbeitsplätze sind hierzulande ungefähr vom Diesel-Antrieb abhängig?

Ferdinand Dudenhöffer: Volvo, Jaguar Landrover, Audi, BMW ist eine Art Reihenfolge der höchsten Dieselanteile. Arbeitsplätze ist so eine Frage. Bei den Autobauern im Prinzip null, denn jedes Auto kann natürlich auch mit Benzin-, Gas-, Hybrid- oder rein elektrisch angetrieben werden. Die Autobauer montieren ja die Motoren nur und Produktionsprozesse können umgestellt werden. Bei den Zulieferern ist der Wechsel sicher nicht ganz so einfach. Aber die Geschichte, dass wir ohne Diesel ein Beschäftigungsproblem haben, ist ein Märchen. Der Weg aus Diesel kostet Geld für die Umrüstung der Produktion, aber nicht unbedingt Arbeitsplätze.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Mit welchem Marktanteil für Dieselautos rechnen Sie in 5 und 10 Jahren in Deutschland? Was bedeutet dies für die drei großen deutschen Autobauer?

Ferdinand Dudenhöffer: In Frankreich will man 2018 den Steuervorteil beim Dieselkraftstoff kippen. Frankreich ist ja mittlerweile Vorreiter bei der Industriepolitik unter Präsident Macron. Auch deshalb muss sich Berlin nach der Bundestagswahl neu festlegen. Also, wenn der Steuervorteil in mehreren Ländern kippt, wovon ich ausgehe, sinkt die Beliebtheit von Diesel schnell. Nach 2020 kann ich mir keinen Dieselanteil von mehr als 20 Prozent in Europa vorstellen. Weltweit kommt dann der Diesel auf 5 Prozent, also ein Nischenprodukt. In 10 Jahren wird es wohl gegen null konvertieren. Die Elektroautos werden dann eine wichtige Rolle übernehmen. Ich bin sicher, dass man mit den 48 Volt Hybrid-System den Diesel gut und schnell ersetzen kann. Und das zu niedrigen Kosten und auch die Einhaltung der CO2-Werte bis 2021 schafft. Danach braucht man viele Elektroautos, da würde der Diesel auch nicht helfen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Setzen auch ausländische Fahrzeughersteller in Europa, den USA und Japan auf Diesel?

Ferdinand Dudenhöffer: Nein, Diesel ist ein rein europäischer Hype, der durch steuersubventionierten Kraftstoff in vielen EU-Ländern und wachsweiche Abgasvorschriften entstanden ist. Toyota hat noch nie einen Diesel gebraucht. Der Diesel ist seit 30 Jahren wirklich grundlos in Deutschland mystifiziert. Wir sollten den Mythos auflösen.


Mehr zum Thema:  
Auto >

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Die Edelmetallmärkte

Wegen der unkontrollierten Staats- und Unternehmensfinanzierung durch die Zentralbanken im Schatten der Corona-Krise sind derzeitig...

DWN
Politik
Politik 1.-Mai-Demonstrationen: Gewerkschaften fordern dringend Gerechtigkeit
02.05.2024

Am Tag der Arbeit kämpfen Gewerkschaften für bessere Arbeitsbedingungen. Ihre Spitzenvertreter betonten die Notwendigkeit von...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin als Geldanlage: „Das ist gleichzusetzen mit einem Besuch im Casino“
02.05.2024

Bitcoin entzweit trotz neuer Kursrekorde die Anlegergemeinschaft. Die einen halten große Stücke auf den Coin, die anderen sind kritisch....

DWN
Politik
Politik Militärhistoriker Dr. Lothar Schröter im DWN-Interview: Die Folgen des Massenmords von Odessa 2014
02.05.2024

Der Militärhistoriker Dr. Lothar Schröter ordnet im DWN-Interview den Massenmord in Odessa vom 2. Mai 2014 ein. Dabei geht er auch auf...

DWN
Politik
Politik DWN-Interview: Ukraine-Krieg - Zehn Jahre nach dem Massenmord von Odessa
02.05.2024

Am 2. Mai 2014 ist es in der ukrainischen Stadt Odessa zu einem Massenmord gekommen, bei dem fast fünfzig Menschen qualvoll ums Leben...

DWN
Politik
Politik Heimatschutz: Immer mehr Bürger dienen dem Land und leisten „Wehrdienst light"
01.05.2024

Ob Boris Pistorius (SPD) das große Ziel erreicht, die Truppe auf über 200.000 Soldaten aufzustocken bis 2031 ist noch nicht ausgemacht....

DWN
Immobilien
Immobilien Balkonkraftwerk mit Speicher: Solarpaket könnte Boom auslösen - lohnt sich der Einbau?
01.05.2024

Balkonkraftwerke aus Steckersolargeräten werden immer beliebter in Deutschland. Insgesamt gibt es aktuell über 400.000 dieser sogenannten...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Weltweite Aufrüstung verschärft Knappheit im Metallsektor
01.05.2024

Die geopolitischen Risiken sind derzeit so groß wie seit den Hochzeiten des Kalten Krieges nicht mehr. Gewaltige Investitionen fließen in...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Nachhaltigkeit als Schlüsselfaktor für Unternehmenserfolg
01.05.2024

Die Studie „Corporate Sustainability im Mittelstand“ zeigt, dass der Großteil der mittelständischen Unternehmen bereits Maßnahmen...