Politik

Russland verlangt Abzug von hunderten US-Diplomaten

Die russische Regierung hat den Abzug von knapp 500 US-Diplomaten angeordnet. Die Maßnahmen müssen bis zum 1. September vollzogen sein.
28.07.2017 20:00
Lesezeit: 2 min

Russland hat erstmals Gegenmaßnahmen gegen die Ausweisung von russischen Diplomaten und die Beschlagnahme von zwei den Russen gehörende Gebäude in den letzten Tagen der Amtszeit des damaligen US-Präsidenten Brack Obama ergriffen. Das Außenministerium in Moskau ordnete am Freitag an, dass die USA binnen eines Monats ihr diplomatisches Personal auf 455 Personen verringern müssen. Das entspricht einer Halbierung. Die Maßnahme müsse bis zum 1. September umgesetzt werden, zititiert die TASS den stellvertretenden russischen Außenminister Sergei Rybakow. Zudem dürfe die Botschaft ab dem 1. August ein Lagerhaus und einen Gebäudekomplex in Moskau nicht mehr nutzen.

Die Maßnahme ist auch eine Reaktion auf die neuen Maßnahmen, die der Kongress und der Senat gegen Russland beschlossen haben. Die neuen US-Sanktionen verstießen gegen das Völkerrecht und bestätigten "die extreme Aggression der USA in internationalen Angelegenheiten", erklärte das russische Außenministerium. Bis zum 1. September haben die USA Zeit, ihr diplomatisches Personal von etwa 1100 auf 455 zu verringern. Das wäre nach russischen Angaben dieselbe Zahl an Diplomaten, die Russland in den USA verblieben sind, nachdem die US-Regierung im Dezember 35 Russen ausgewiesen hatte. Sollten die USA weitere russische Diplomaten ausweisen, werde man mit gleicher Münze reagieren, erklärte das Ministerium in Moskau.

Russland hatte in den vergangenen Monaten auf dem Verhandlungsweg versucht, eine Lösung für die US-Gebäude zu erreichen. Diese Verhandlungen brachten jedoch offenkundig kein Ergebnis.

Der US-Botschafter in Moskau protestiert gegen die Reaktion der russischen Regierung auf US-Sanktionen. Botschafter John Tefft habe seine tiefe Enttäuschung und seinen Protest über die Anordnung geäußert, die Personalstärke der US-Botschaft in Moskau zu halbieren, teilte ein Vertreter Mitarbeiter des US-Außenministeriums am Freitag mit.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow bot laut TASS seinem US-Kollegen Rex Tillerson trotz der neuen Spannungen an, zu einer Normalisierung der Beziehungen zurückzukehren. Lawrow sagte, es sei möglich, dass beide Länder ihr Interessen vertreten und dennoch zusammenarbeiten.

Der US-Senat hatte am Donnerstag trotz Kritik aus Europa mit großer Mehrheit für eine Verschärfung der Sanktionen gegen Russland gestimmt. US-Präsident Donald Trump muss das Gesetz, das auch Strafmaßnahmen gegen Nordkorea und den Iran vorsieht, noch unterschreiben. Kritik kam auch von der Bundesregierung. Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) sagte, man werde eine extra-territoriale Anwendung der US-Sanktionen gegen europäische Firmen "auf keinen Fall akzeptieren".

Der Gesetzentwurf wurde im Senat mit 98 zu zwei Stimmen angenommen. Trump könnte sein Veto einlegen, was aber durch eine Zwei-Drittel-Mehrheit beider Parlamentskammern ausgehebelt werden könnte. Das Repräsentantenhaus hatte bereits mit 419 zu 3 Stimmen für den Entwurf gestimmt. Trump hat noch offengelassen, wie er sich dazu stellt. Sein Kommunikationschef Anthony Scaramucci hatte gesagt, Trump könne den Text so wie er vorliege abzeichnen, könnte aber auch sein Veto mit dem Ziel einlegen, eine noch schärfere Formulierung zu erreichen.

Viele europäische Politiker haben kritisiert, dass sich die USA mit den neuen Sanktionen wirtschaftliche Vorteile verschaffen wollten. So warnte Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries zuletzt vor einem Handelskrieg.

Die EU bereitet ein breites Spektrum an Gegenmaßnahmen vor.

"Ich halte die nun vom Senat getroffene Beschlussfassung für falsch und gefährlich", sagte Wirtschafts-Staatssekretär Matthias Machnig zu Reuters. Der Gesetzentwurf sehe extra-territoriale Sanktionen vor, wirke sich also auch auf nicht-amerikanische Firmen aus. "Das zielt auch auf unsere Energieversorgung in Europa und ist ein ernsthaftes Thema für den Wirtschaftsstandort", kritisierte der SPD-Politiker.

Nach Ansicht deutscher Industrievertreter wollen die USA etwa die Pipeline Nord Stream 2 verhindern, mit der mehr Erdgas von Russland über die Ostsee nach Deutschland gepumpt werden soll. Die USA sind eines der wichtigsten Energieförderländer, während Europa den größten Teil des Bedarfs importieren muss.

Die EU und die USA hatten nach der russischen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim gemeinsam Sanktionen gegen Russland verhängt. Obwohl die Bundesregierung dabei eine vergleichsweise harte Haltung einnimmt, rechnet die Industrie damit, dass die Ausfuhren nach Russland 2017 um 20 Prozent steigen werden.

Das überparteiliche Votum in beiden US-Kongresskammern ist ungewöhnlich, weil sich Demokraten und Republikaner gerade bei Themen wie der Gesundheitsreform Obamacare erbittert bekämpfen. Die Abgeordneten stimmten auch dafür, Nordkorea und den Iran wegen der Raketenprogramme und Menschenrechtsverstößen zu bestrafen. So soll es für ausländische Banken Konsequenzen haben, wenn sie Geschäfte mit Nordkorea abwickeln.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Ölpreis: OPEC-Konflikt eskaliert – Saudi-Arabien warnt vor Marktchaos
11.05.2025

Ein gefährlicher Riss geht durch die mächtige Allianz der OPEC-Plus-Staaten. Statt mit geschlossener Strategie die Preise zu...

DWN
Politik
Politik Kann Deutschland Europa retten? Der neue Koalitionsvertrag offenbart alte Schwächen
11.05.2025

Zum Europatag 2025 richtet sich der Blick erneut nach Berlin. Die Erwartungen an Deutschland sind hoch – nicht nur innerhalb der Union,...

DWN
Finanzen
Finanzen Börsenkrisen: Warum Volatilität kein Risiko ist
11.05.2025

Wenn die Börsen Achterbahn fahren, zittern viele Anleger. Doch Panik ist oft der schlechteste Berater – denn was aussieht wie ein...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Strategien für Krisenzeiten: Wie Sie jetzt Ihre Unternehmensleistung steigern
11.05.2025

Steigende Kosten, Fachkräftemangel, Finanzierungsdruck – viele KMU kämpfen ums Überleben. Doch mit den richtigen Strategien lässt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft USA vor Energieumbruch: Strom wird zum neuen Öl – und zur nächsten geopolitischen Baustelle
11.05.2025

Ein fundamentaler Wandel zeichnet sich in der US-Wirtschaft ab: Elektrizität verdrängt Öl als Rückgrat der nationalen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bill Gates verschenkt Vermögen – Symbol einer neuen Weltordnung oder letzter Akt der alten Eliten?
11.05.2025

Bill Gates verschenkt sein Vermögen – ein historischer Akt der Großzügigkeit oder ein strategischer Schachzug globaler Machtpolitik?...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft „Made in America“ wird zur Hypothek: US-Marken in Europa auf dem Rückzug
11.05.2025

Eine neue Studie der Europäischen Zentralbank legt nahe: Der Handelskrieg zwischen den USA und der EU hat tiefgreifende Spuren im...

DWN
Finanzen
Finanzen Tech-Börsengänge unter Druck: Trumps Handelskrieg lässt Startup-Träume platzen
10.05.2025

Schockwellen aus Washington stürzen IPO-Pläne weltweit ins Chaos – Klarna, StubHub und andere Unternehmen treten den Rückzug an.