Der seit Monaten schwelende Handelsstreit zwischen den USA und China droht zu eskalieren. Präsident Donald Trump denkt angeblich über weitreichende Strafmaßnahmen gegen chinesische Unternehmen nach, berichtet Reuters. Die chinesische Regierung wiederum mobilisiert die großen Schwellenländer Indien, Russland, Brasilien und Südafrika gegen die USA.
Trump stehe kurz vor einer Entscheidung darüber, wie er auf die als unfair betrachteten Handelspraktiken Chinas reagieren wolle, sagte ein ranghoher Vertreter der US-Regierung am Dienstag in Washington. Die Einführung von Strafmaßnahmen würde das ohnehin angeschlagene Verhältnis beider Wirtschaftsmächte weiter verschlechtern.
Der Präsident erwäge, den US-Handelsbeauftragten Robert Lightizer zu ermutigen, eine Untersuchung der chinesischen Handelspraktiken nach Artikel 301 des Handelsgesetzes von 1974 einzuleiten, sagte der Offizielle. Artikel 301 erlaubt es dem Präsidenten, einseitig Zölle oder andere Handelsbeschränkungen anzuordnen, um die USA vor „unfairen Handelspraktiken“ anderer Staaten zu schützen. Eine Entscheidung über den Handelsstreit könne noch in dieser Woche bekanntgegeben werden, sagte der Regierungsvertreter.
Sollte Artikel 301 aktiviert werden, wäre dies eine bedeutende Abkehr von der in den vergangenen Jahrzehnten vorherrschenden Praxis, wie US-Regierungen einen Handelsstreit handhaben. „Bis zur Gründung der Welthandelsorganisation WTO war Artikel 301 das Hauptwerkzeug, mit dem Washington Handelsstreitigkeiten ausfocht. Aber seit es die WTO gibt, bevorzugen es US-Regierungen, ihre Anliegen vor der in Genf beheimateten Organisation vorzubringen“, schreibt die Financial Times.
Angesichts der drohenden US-Sanktionen gegen China hat die von der Volksrepublik geführte Gruppe der fünf großen Schwellenländer (BRICS) dem Protektionismus den Kampf angesagt. In Schanghai sprachen sich die Handelsminister von Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika am Mittwoch dafür aus, das internationale Handelssystem „zu bewahren und weiter zu entwickeln“. Laut dem chinesischen Vertreter Zhong Shan haben sich die BRICS-Minister gegenseitig versprochen, Protektionismus im Handel und bei Investitionen zu bekämpfen und notfalls zurückzudrängen. Konkrete Zusammenarbeit vereinbarten die Staaten bei den gesetzlichen Rahmenbedingungen zum Schutz geistigen Eigentums und dessen Durchsetzung.
Ungeachtet dessen treiben die USA offenbar ihre Bemühungen voran, einseitig vorzugehen, wie sich aktuell im Falle Chinas zeigt. Mit dem bereits beschriebenen Trade Act von 1974 könnte Trump einen Hebel nutzen, der bereits in den 80er-Jahren gegen die damals aufsteigende Wirtschaftsnation Japan zum Einsatz kam – zum Schutz vor Importen von Stahl und Motorrädern „Made in Japan“. Nun könnte es China treffen: Trump wirft dem Land vor, für Jobverluste in den USA verantwortlich zu sein. Zudem hat er bereits kurz nach Amtsantritt mit höheren Importzöllen gedroht. Chinas Staatschef warnte daraufhin vor den Folgen eines Handelskriegs.
Derzeit bereitet die US-Regierung auch neue Sanktionen gegen Russland vor, die sich auch auf europäische Unternehmen sehr negativ auswirken werden. Insbesondere Unternehmen, die mit russischen Partnern im Energiebereich zusammenarbeiten, wären betroffen.
Die USA werfen China zahlreiche unfaire Praktiken vor, darunter Dumpingpreise beim Stahlverkauf sowie Diebstahl geistigen Eigentums. Trump hatte sich zuletzt auch zunehmend verstimmt über das Verhalten der Regierung in Peking in der Nordkorea-Krise gezeigt. Peking unternehme nicht genug, um die Regierung in Pjöngjang von der Entwicklung atomwaffenfähiger Langstreckenraketen abzuhalten, hatte er beklagt. Auch Handelsminister Wilbur Ross hatte Zölle auf Stahlimporte bereits ins Gespräch gebracht.
Die chinesische Regierung hat die USA aufgefordert, das Thema Handel nicht in Verbindung mit dem Streit um das nordkoreanische Atomprogramm zu bringen. „Wir denken, dass die Atompolitik Nordkoreas und der Handel zwischen China und den USA zwei Themen sind, die in komplett unterschiedliche Bereiche fallen“, sagte der chinesische Vize-Handelsminister Qian Keming am Montag in Peking. Beide Themen hingen nicht miteinander zusammen und sollten nicht gemeinsam diskutiert werden. Qian sagte, China und die USA profitierten gleichermaßen von den bilateralen Handelsbeziehungen. Beide Länder würden dadurch große Profite machen.
Angesichts der nun drohenden Eskalation dürften sich US-Unternehmen wohl noch stärker als zuletzt bei Investitionen im Reich der Mitte zurückhalten. Laut Daten von Thomson Reuters ging die Beteiligung amerikanischer Firmen an Fusionen und Akquisitionen in der ersten Jahreshälfte drastisch zurück: Im Vergleich zum Vorjahr sank das US-Engagement um fast ein Drittel auf 523 Millionen Dollar – das niedrigste Niveau seit 14 Jahren. „Amerikanische Firmen scheuen vor Zukäufen in einem Umfeld zurück, in dem sie im Streit zweier Regierungen zwischen die Fronten geraten könnten“, betonte ein Insider, der mit dem Handelsstreit zwischen beiden Staaten vertraut ist.