Politik

Bahn-Schaden bei Rastatt: Enorme Mehrkosten für mittelständische Spediteure

Die durch einen Tunnelbau verursachte Bahnabsenkung bei Rastatt hat erhebliche finanzielle Folgen für die deutschen und europäischen Spediteure.
06.09.2017 01:01
Lesezeit: 2 min

+++Werbung+++

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Das Chaos, das durch die Unterbrechung der Bahnstrecke zwischen Basel und Karlsruhe entstanden ist, trifft die Logistikbranche hart. Dauere die Situation noch länger an, drohten laut Robert Breuhahn, dem Geschäftsführer der Kombiverkehr KG, sogar Produktionsstillstände in Italien. Die Logistikverbände fordern eine EU-Task Force und kritisieren die Bundesregierung in einem offenen Brief.

Kombiverkehr ist ein logistisches Dienstleistungsunternehmen, das ein europaweites Netz für den Kombinierten Verkehr Schiene-Straße entwickelt, organisiert und vermarktet. Das Angebot richtet sich an Speditionen und Transportunternehmen. Zu den Erfolgsfaktoren, die Kombiverkehr zum europäischen Marktführer gemacht haben, zählen Qualität und Wirtschaftlichkeit, Kompetenz und Kundennähe. 2016 verlagerte das Unternehmen 1,97 Millionen TEU respektive 985.424 Lkw-Sendungen von der Straße auf die Schiene und entlastete so die deutschen Straßen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Was ist in Rastatt passiert? Wie ist die derzeitige Situation?

Robert Breuhahn: Bei Tunnelarbeiten kam es auf der Strecke zwischen Karlsruhe und Basel bei Rastatt zu einer Senkung des Erdreichs unterhalb der Bahnschienen. Aufgrund dessen wurde am 12. August der komplette Bahnbetrieb im Personen- und Güterverkehr auf diesem Streckenabschnitt eingestellt.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Welche Maßnahmen werden ergriffen, um die Situation zu bereinigen?

Robert Breuhahn: Mittlerweile ist die Schadstelle mit Beton verfüllt und die Maßnahmen zur Wiederinbetriebnahme der Gleisanlagen laufen. Voraussichtlich am 7. Oktober 2017 soll der reguläre Bahnbetrieb wieder aufgenommen werden.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Gibt es Ausweichstrecken?

Robert Breuhahn: Ja, verschiedene Umleitungsverkehre sind von den betroffenen Eisenbahngesellschaften aufgenommen worden. Bei diesen Verkehren via Singen, Frankreich oder Brenner kommt es jedoch aufgrund anderweitiger Herausforderungen (Kapazitäten, Lokführer, Loks, Baustellen, Elektrifizierung, Grenzkontrollen) zu massiven betrieblichen Problemen. Züge erreichen ihren Bestimmungsort oft mit mehreren Tagen Verspätung. Ein Großteil des regulären Zugangebotes im Italienverkehr via Gotthard, aber auch Zugleistungen via des Leitungsweges Brenner, können von den Operateuren derzeit nicht angeboten werden. Im nationalen Verkehr zwischen Hamburg beziehungsweise Köln sowie Wuppertal und Basel bietet Kombiverkehr alternative Ersatzverkehre von und nach Karlsruhe an.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Welche Konsequenzen hat die Situation für die Logistikbranche?

Robert Breuhahn: Besonders mittelständische Speditions- und Logistikunternehmen, die ihre Basisverkehre auf die Schiene verlagert haben, leiden unter den finanziellen Folgen, die sich daraus tagtäglich ergeben. Die Verkehre sind nicht mehr planbar, was in den Dispositionsstellen der Spediteure zu erheblichen Mehraufwänden in der LKW-Einsatzplanung kommt. Hinzukommen erhöhte Kosten für Trucking-Leistungen sowie Vertragsstrafen bei Nichteinhaltung der Lieferfristen. Auch bei den Traktionsgesellschaften entstehen immense Mehrkosten für Loks und Personale bei der Nutzung der Umleitungsstrecken.

Insgesamt leidet der gesamte Schienengüterverkehr unter den Folgen dieses Ereignisses. Spediteure werden mehr und mehr von ihren Verladern gezwungen, die Transporte über die Straße abzuwickeln. Hierbei kann es zu längerfristigen Verschiebungen von Schienentransporten auf die Straße kommen. Es ist zu befürchten, dass bisherige Leistungsangebote im umweltfreundlichen intermodalen Verkehr nach Wiederinbetriebnahme des Streckenabschnitts bei Rastatt aufgrund fehlender Transportmengen nicht mehr angeboten werden können.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Lässt sich der entstandene Schaden beziffern?

Robert Breuhahn: Eine zu 100 Prozent belastbare Aussage hierzu ist derzeit aufgrund der aktuell nicht absehbaren weiteren Entwicklung in den Verkehren nicht möglich. Unser Unternehmen hat sich allerdings für eine Soforthilfe über 250 Millionen Euro aus dem Staatshaushalt eingesetzt, die dafür verwendet werden soll, es allen betroffenen Unternehmen zu ermöglichen, das bisherige Leistungsprogramm weiterhin gewährleisten zu können.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Erwägen Sie Schadensersatzklagen?

Robert Breuhahn: Wir werden mögliche Regressforderungen prüfen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Welche Probleme ergeben sich für das verarbeitende Gewerbe?

Robert Breuhahn: Sollte die derzeitige Situation noch länger anhalten, drohen durchaus Produktionsstillstände in Italien.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Politik
Politik Warum sprechen diese Woche alle über Trumps „Big Beautiful Bill“?
01.07.2025

Es ist Trumps größtes Prestigeprojekt. Doch welche Vor- und Nachteile hat das Gesetzespaket, das am Freitag unterschriftsreif auf dem...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kernenergie-Aktien explodieren um 542 Prozent: Anleger warnen vor Blasenbildung
01.07.2025

Kernenergie-Aktien feiern ein spektakuläres Comeback – befeuert durch den steigenden Strombedarf für Rechenzentren. Die Branche erlebt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Svenska Digitaltolk: Dolmetscher-Gigant kauft KI-Unternehmen – Millionenumsatz prognostiziert
01.07.2025

Schwedens Dolmetscher-Gigant will Europas Übersetzungsmarkt aufrollen – mit KI, Millionenplänen und dem Griff nach Deutschland. Doch...

DWN
Politik
Politik Grenze zu – zumindest teilweise: Polen kontrolliert ab Montag
01.07.2025

Polen wird ab kommendem Montag vorübergehend wieder Grenzkontrollen an der Grenze zu Deutschland einführen. Das kündigte...

DWN
Politik
Politik Krankenkassen schlagen Alarm: Zusatzbeiträge könnten deutlich steigen
01.07.2025

Die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) warnen vor Druck zu neuen Beitragserhöhungen ohne eine rasche Bremse für steigende Kosten....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Thyssenkrupp-Umbau betrifft Tausende – Betriebsräte fordern Klarheit
01.07.2025

Angesichts weitreichender Umbaupläne bei Thyssenkrupp fordern die Beschäftigten klare Zusagen zur Zukunftssicherung. Betriebsräte pochen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Neues Werk für NATO-Kampfjet: Rheinmetall startet Produktion in NRW
01.07.2025

Der Rüstungskonzern Rheinmetall hat in Weeze (Nordrhein-Westfalen) eine hochmoderne Fertigungsanlage für Bauteile des Tarnkappenbombers...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Investitionsstau: Kaputte Straßen, marode Schulen – Kommunen am Limit
01.07.2025

Viele Städte und Gemeinden stehen finanziell mit dem Rücken zur Wand: Allein die Instandhaltung von Straßen, Schulen und...