Politik

EU-Politiker an Banker: Gerne besuchen wir Sie in Ihrem Hauptquartier!

Der CSU-Europapolitiker Markus Ferber ist wegen eines Interessenkonflikts unter Beschuss gekommen. Der Fall zeigt, wie unangenehm fließend die Grenzen zwischen Lobbyismus und Politik in der EU sind.
30.09.2017 23:42
Lesezeit: 2 min

Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber ist in Brüssel unter Beschuss geraten: Einem Bericht des US-Magazins Politico zufolge hat Ferber eine kommerzielle Suchmaschine mit dem Namen Tiper beworben, die Anlegern Informationen über Finanzmarktregulierung verspricht. Der Clou: Genau über diese Regeln hat Ferber selbst im EU-Parlament mitentschieden. Tiper wird von einer Firma angeboten, mit der Ferber über eine von ihm mitbegründete Stiftung verbunden ist. Das bedeutet: Ferber kennt die neuen, durchaus komplizierten Finanzregeln sehr gut – weil er sie mitbeschlossen hat. Nun bewirbt er in seiner Autorität als EU-Parlamentarier eine private Suchmaschine, die der Industrie behilflich sein soll, die komplizierten Regeln zu verstehen.

Politico hat einen Brief veröffentlicht, aus dem hervorgeht, dass Ferber auf EU-Briefpapier an die Manager von internationalen Asset Managern herangetreten ist und ihnen Tiper empfohlen hat. Er wandte sich laut Politico an die Chefs von Schroders, Nordea Wealth Management, Aberdeen Standard Investments, APG, State Street und Allianz Global Investors. Tiper wird von einem Unternehmen namens Cfinancials vertrieben. Dieses Unternehmen wurde vom Niederländer Michael Heijmeijer im Jahr 2009 gegründet. Gemeinsam mit Heijmeijer gründete Ferber im Jahr 2013 die Stiftung PeoplesFinancials, deren Zweck unter anderem die Förderung von Tiper ist. Heijmeijer sagte Politico, dass es zwischen Cfinancials und der Stiftung keine Geldflüsse gebe.

In seinem Brief an die Finanzmanager stellt sich Ferber als Abgeordneter der EU-Parlaments vor und verweist auf die bedeutsame Rolle, die er bei der Regulierung MiFID II gespielt hat. MiFID II definiert die Anforderungen an Finanzinstrumente ab 2018. Ferber preist Tiper als ein Werkzeug an, das den Asset Managers helfen würde, „eine Reihe von Schlüsselanforderungen an MiFID II zu bedienen“. Ferber lädt die Banker ein, Heijmeijer und sein Produkt kennenzulernen. Ferber geht sogar so weit, dass er den Bankern vorschlägt, sie in ihren Unternehmen aufzusuchen: „Wir würden uns freuen, Sie in den Räumlichkeiten des Europäischen Parlaments willkommen zu heißen oder Sie in Ihrem Headquarter zu besuchen.“

Die Banker haben laut Politico mit Ablehnung auf die Avancen reagiert: Politico zitiert einen Manager aus dem Finanzbereich, der Ferber in einer Telefonat darauf hingewiesen haben will, dass man die Vermischung von politischer Arbeit mit kommerziellen Interessen als unangemessen empfinde. Ferber sagte den Deutschen Wirtschafts Nachrichten dazu: „An eine solche Aussage habe ich keine Erinnerung.“ Politico zitiert mehrere Manager, die sich verwundert zeigten, dass Ferber seine einflussreiche politische Position so offen für ein kommerzielles Projekt einsetzt. Einer der Banker sagte, es handle sich um einen „offenkundigen Interessenkonflikt“. Auf die Frage, ob die Banker ihre Vorbehalte auch ihm gegenüber artikuliert hätten, sagte Ferber den DWN: „Nein, diese Bedenken wurden mir gegenüber nie zum Ausdruck gebracht.“

Doch selbst ehemalige Lobbyisten sind vom forschen Verhalten Ferbers überrascht. Ein Bank-Manager sagte den Deutschen Wirtschafts Nachrichten: „Die Corporate Governance im öffentlichen Bereich erlaubt das nicht, auch nicht die im privaten Bereich. Zwischen Lobby und parlamentarischer Verantwortung hat man scharf zu trennen.“

Transparency International hat sich der Sache angenommen und fordert vom EU-Parlamentspräsidenten in einem Brief Aufklärung und gegebenenfalls eine Bestrafung des Fehlverhaltens.

Auch im EU-Parlament ist Ferber nach der Politico-Veröffentlichung unter Beschuss geraten: „Die Vorwürfe gegen Markus Ferber sind besorgniserregend. Er muss jetzt rückhaltlos aufklären, ob er hier Politik und Geschäft vermengt“, sagte Jens Geier, Vorsitzender der Europa-SPD, in einer Mitteilung: „Abgeordnete dürfen die Regeln in Europa selbstverständlich nicht so beeinflussen, damit sie selbst davon individuell profitieren. Warum hat Ferber seine Beteiligung an dieser Stiftung gegenüber dem Parlament bisher nicht offiziell erklärt? Das Parlamentspräsidium und die zuständigen Institutionen müssen nun prüfen, ob seine Aktivitäten im Einklang mit dem Verhaltenskodex für Abgeordnete sind.“

Ferber hält diese Kritik für unangemessen. Er sagte den Deuschen Wirtschafts Nachrichten: „Da kein finanzielles Interesse besteht, hatte ich meine Rolle als Mitgründer der PeoplesFinancials Stiftung ähnlich wie andere nicht-honorierte Ehrenämter nicht in der Erklärung der finanziellen Interessen aufgeschlüsselt. Darüber habe ich den Beratenden Ausschuss zum Verhalten von Mitgliedern bereits informiert und eine Aktualisierung meiner Erklärung der finanziellen Interessen auf den Weg gebracht.“

Der 52-jährige Markus Ferber war 2014 zum zweiten Mal als CSU-Spitzenkandidat zur Europawahl angetreten. Im Juli 2014 wurde er zum ersten stellvertretenden Vorsitzenden des Ausschusses für Wirtschaft und Währung im Europäischen Parlament ernannt. Er war von 1999 bis 2014 Vorsitzender der CSU-Europagruppe im Europäischen Parlament.

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