Politik

Vorwurf Steuerhinterziehung: Razzia bei Commerzbank

Steuerfahndung und BKA haben der Commerzbank in Frankfurt ein Razzia durchgeführt.
10.11.2017 17:40
Lesezeit: 2 min

Hans Seidenstuecker von Reuters berichtet:

Steuerrazzia bei der Commerzbank: Das Frankfurter Geldhaus ist wegen umstrittener Tricks mit Dividendenpapieren erneut ins Visier der Strafverfolger geraten. Ermittler der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt, des Bundeskriminalamts und der hessischen Steuerfahndung durchsuchten am Dienstag Geschäftsräume der Bank und die Wohnungen von drei Beschuldigten. Wegen falscher Steuerbescheinigungen im Zusammenhang mit sogenannten Cum-Ex-Geschäften sei dem Fiskus ein Millionenschaden entstanden, erklärte die Generalstaatsanwaltschaft am Freitag. Sie wirft den Beteiligten schwere Steuerhinterziehung vor, nannte selbst aber keine Namen. Einem Insider zufolge handelt es sich bei dem durchsuchten Institut um die Commerzbank. Eine Commerzbank-Sprecherin sagte, das Institut kooperiere vollumfänglich mit den Behörden.

Bei den Cum-Ex-Geschäften verschoben die Beteiligten um den Dividendenstichtag herum untereinander Aktien mit (lateinisch: "Cum") und ohne ("Ex") Dividendenanspruch. Dadurch entstand der Eindruck, die Papiere hätten zum gleichen Zeitpunkt mehrere Besitzer. Die Beteiligten beantragten dann mehrfach die Erstattung der vom Emittenten der Aktien vorab einbehaltenen Kapitalertragsteuer. Zahlreiche Banken waren in die Geschäfte involviert, der Steuerschaden beläuft sich Schätzungen zufolge auf mehr als zehn Milliarden Euro.

Im Fall der Commerzbank gehe es um Cum-Ex-Geschäfte aus den Jahren 2006 bis 2010 mit einem Investitionsvolumen von mehreren Milliarden Euro. Aufgrund falscher Steuerbescheinigungen sei ein Steuerschaden von rund 40 Millionen Euro entstanden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt daher nach eigenen Angaben gegen insgesamt fünf - zum Teil ehemalige - Verantwortliche der Bank im Alter zwischen 51 und 63 Jahren sowie weitere, bislang unbekannte Personen, die für die Planung und Umsetzung der Cum-Ex-Geschäfte mitverantwortlich gewesen sein sollen.

Die Commerzbank-Aktie ging nach den Nachrichten in die Knie und notierte deutlich im Minus, erholte sich danach aber wieder.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Commerzbank wegen der umstrittenen Cum-Ex-Geschäfte ins Visier der Strafverfolger gerät. Im Frühjahr 2017 gab sie sich im Streit um 75 Millionen Euro Steuern geschlagen und akzeptierte ein Urteil des hessischen Finanzgerichts. Bei der damaligen Auseinandersetzung ging es um Cum-Ex-Geschäfte der Dresdner Bank, die vor acht Jahren von der Commerzbank übernommen wurde. Auch diese Vorgänge seien Gegenstand der Ermittlungen, erklärte die Generalstaatsanwaltschaft nun.

Die Commerzbank hatte die Cum-Ex-Geschäfte der Dresdner Bank zum Anlass genommen, um auch ihr eigenes Verhalten unter die Lupe zu nehmen. Seit Ende 2015 überprüft sie alle zwischen 2003 und 2011 getätigten Aktiengeschäfte und stieß auch auf eigene Cum-Ex-Geschäfte. Die Zwischenergebnisse der Untersuchung seien proaktiv den Behörden zur Verfügung gestellt worden, erklärte die Banksprecherin. Ein Abschlussbericht liege noch nicht vor.

In den vergangenen Monaten hatten die Behörden bundesweit ihre Ermittlungen wegen Cum-Ex-Geschäften intensiviert. Erst Anfang Oktober erhob die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt Medienberichten zufolge Anklage gegen einen der mutmaßlichen Erfinder des Steuertricks und mehrere frühere Aktienhändler der HypoVereinsbank (HVB). Damit könnte es zum ersten Strafprozess in Deutschland wegen dieser Aktien-Deals kommen, sofern das Landgericht Wiesbaden die Anklage zulässt. Letztlich dürfte der Fall vor dem Bundesgerichtshof oder sogar dem Bundesverfassungsgericht landen, schätzen Beobachter. Denn die Steuertricks waren erst 2012 vom Bundestag gestoppt worden. Ob bis dato die Geschäfte tatsächlich illegal waren oder ob damit legal ein Steuerschlupfloch ausgenutzt wurde, ist noch nicht höchstrichterlich geklärt.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Experten-Webinar: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Trumps nächstes Vermächtnis: Eine weltweite Spikeflation mit Ansage
24.05.2025

Trumps Handelskriege, Machtspiele und Geldflüsse aus dem Nahen Osten treiben nicht nur die Inflation – sie könnten eine explosive...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Ist die Energiewende am Ende? Wie die Pläne von Wirtschaftsministerin Reiche alles ändern könnten
24.05.2025

Neue Prioritäten im Wirtschaftsministerium unter Katherina Reiche – In der Energiepolitik ist ein radikaler Kurswechsel angekündigt:...

DWN
Politik
Politik EU-Milliarden für Digitalisierung: Diese Programme bringen Unternehmen nach vorn
24.05.2025

Europa zahlt – und Unternehmen, die jetzt nicht zugreifen, verspielen ihre digitale Zukunft. Mit 1,3 Milliarden Euro will die EU ihre...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Zwang zur Kontoerstellung kostet Online-Shops Kunden - was erfolgreiche Unternehmen besser machen
24.05.2025

Eine Kontoerstellung vor dem Kauf schreckt Kunden ab und führt zu Kaufabbrüchen. Über 50 Prozent der Online-Shops verlieren so Umsatz....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chinas Auto-Offensive scheitert an Deutschland – Misstrauen schlägt Billigpreis
24.05.2025

Trotz Hightech und Kampfpreisen bleiben Chinas Autobauer in Deutschland Ladenhüter. Händler fürchten Pleiten, Kunden trauen den Marken...

DWN
Panorama
Panorama Pandemievertrag: Wie die WHO besser auf Gesundheitskrisen reagieren will
24.05.2025

Der neue Pandemievertrag soll globale Gesundheitskrisen künftig besser eindämmen. Doch wie wirksam ist er wirklich – und was steht noch...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Trumps Handelschaos ist Europas Chance – wer jetzt schnell handelt, gewinnt
24.05.2025

Während Trump mit Strafzöllen die Welt verunsichert, bietet Europa plötzlich das, was vielen fehlt: Stabilität. Für clevere...

DWN
Politik
Politik Messerangriff in Hamburg: Mehrere Schwerverletzte am Hamburger Hauptbahnhof
23.05.2025

Bei einem Messerangriff im Hamburger Hauptbahnhof werden mehrere Menschen schwer verletzt. Eine Frau wird festgenommen. Befand sie sich in...