Politik

Saudi-Arabien radikalisiert Muslime auf dem Balkan

Der BND ist besorgt über die Entwicklung auf dem Balkan und sieht Sicherheitsrisiken für Europa.
28.11.2017 01:45
Lesezeit: 3 min

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Der Bundesnachrichtendienst (BND) richtet ein zunehmendes Augenmerk auf den Balkan und hier insbesondere auf Bosnien-Herzegowina. In dem Zusammenhang gebe es auch eine verstärkte Kooperation mit anderen Diensten, berichtet die Berliner Zeitung vorab unter Berufung auf Sicherheitskreise. Hauptgrund dafür seien wachsende islamistische Bestrebungen in der Region. Bosnien-Herzegowina gilt wie alle Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien als höchst zerbrechliches Gebilde.

Außerdem geben die Golfstaaten, allen voran Saudi-Arabien, viel Geld aus, um die bisher dort geltende gemäßigte Spielart des Islam durch eine radikalere Variante der eigenen sogenannten wahhabitischen Prägung zu ersetzen. Aus keinem europäischen Land schlossen sich, gemessen an der Bevölkerungsgröße, in den vergangenen Jahren so viele Kämpfer dschihadistischen Gruppen an wie aus Bosnien. Und schließlich sei der Balkan Transitroute für Flüchtlinge, die über die Türkei und Griechenland nach Zentraleuropa drängen – wenn der Strom durch das Abkommen der Europäischen Union mit der Türkei auch derzeit unterbrochen ist.

Das Problem ist beileibe nicht neu. Der italienische Corriere della Sera berichtete bereits vor geraumer Zeit, dass radikale Islamisten mit Geldern aus Saudi-Arabien, Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten in Bosnien mehrere Hektar Grund erworben hätten. In der Gegend sollen sich etwa 2.000 Salafisten und Wahabiten aufhalten. Kroatische Medien haben bereits vor Jahren über die Entwicklung berichtet.

Im Nordwesten Bosniens haben sich im Kanton Bihac die Wahabisten zwischen Velika Kladusa und Bu in zahlreichen Gruppen organisiert. Geführt wird die Gruppe von einem Bosnier, der sich radikalisiert hat. Die Ortswahl ist nicht zufällig: Das Dorf Bosanska Bojna liegt nur wenige hundert Meter von der bosnisch-kroatischen Grenze entfernt. Der Corriere war dort und schildert den „Grenzübergang“ in den Schengen-Raum als einen kleinen Feldweg mit morschen Balken und einem „Stopp“-Schild.

Geleitet wird die islamistische Europa-Außenstelle von Husein Bosnic, der nun ein Imam ist und Bilal genannt wird. Er ist der wichtigste Anwerber von europäischen Dschihadisten. Er soll schon in Schweden, Österreich, Slowenien und in Italien aktiv gewesen sein. Im Dezember wurde er in Italien zu sieben Jahren Haft verurteilt, weil er Männer rekrutiert hat, die terroristische Handlungen begehen sollten. Der Corriere zitiert einen ehemaligen Offizier der bosnischen Armee, der Bilal seit seiner Kindheit kennt. Er war früher ein Prediger, wie er selbst. Sein Vater hat als Reinigungskraft im Bahnhof von Stuttgart gearbeitet. Irgendwann hätte er sich radikalisiert. Das sei in Bosnien besonders leicht gewesen, weil sich im jugoslawischen Sezessionskrieg das katholische Kroatien und das muslimische Bosnien gegenüberstanden. Es kam zu zahlreichen Gräueltaten auf beiden Seiten. Die bosnischen Muslime waren bis zu diesen Kriegen gemäßigt und keinesfalls radikal. Doch im Jugoslawien-Krieg seien bereits radikale Aufhetzer aus der Golf-Region nach Bosnien gekommen. Vor dem Hintergrund des brutalen Krieges war die Radikalisierung leicht zu bewerkstelligen.

In der Region gibt es wegen des Balkan-Krieges noch große Bestände an Waffen und Munition. Igor Golijanin, Generalstabschef des Ministeriums für Sicherheit in Bosnien: „Die Kugeln von Attentat auf Charlie Hebdo wurden in Mostar hergestellt, die Kalaschnikows von den November-Angriffen stammen aus dem ehemaligen Jugoslawien. Paris hat uns um Überprüfung gebeten, wir arbeiten zusammen.“

Die Finanzierung der Zellen wird von den Golf-Staaten getragen: Golijanin sagt, dass Katar, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate in der Region investieren. Mittlerweile gebe es rund 2.000 Fundamentalisten, wie Salafisten oder Wahabiten. „Sie starten im Wald, sammeln die beste Armee zusammen und sterben dann als Märtyrer“, so die Erkenntnisse der bosnischen Ermittler. Für die Niederlassung in Bosanska Bojna hat Katar 200.000 Dollar bezahlt. Die Salafisten würden die Enklave Gornja Maoca in Nordosten kontrollieren. Weitere Zentren befinden sich Teslic, Osve, Maglaj, Gluha Bovica, Mehurici und Zenica.

Zlatko Popovic, ein Polizist im Ruhestand, sagt der Zeitung, dass es kein Zufall sei, dass der Imam und seine Anhänger sich in der Gegend niedergelassen haben. Das Stück Land sei von außen nicht einsehbar, es gebe keine Kontrollen und man befindet sich ganz in der Nähe von den nordischen Staaten. Das wissen laut Popovic sowohl der Imam als auch seine Sponsoren aus Katar, daher das Interesse an Bosnien.

Von Bosnien aus können die Wahabisten, zu deren Ideologie der Export der Scharia in alle Welt gehört, nach Europa expandieren. Zwar sagen die bosnischen Behörden, dass man nicht sagen könne, alle diese Männer seien Terroristen, doch Adil Lozo, der Anwalt von Bosnic, macht keinen Hehl aus den Absichten der Gruppe: „Die Demokratie ist gescheitert, das haben die demokratischen Systeme gezeigt. Das perfekte Gesetz ist die Scharia. Niemand stiehlt, niemand betrügt, niemand tötet. In Medina werden Juwelen lediglich in einem Zelt bewacht, das habe ich selbst gesehen. Imam Bosnic will dies alles auch – und sonst nichts.“

Die italienischen Behörden sind alarmiert, wie der Corriere schrieb: Die Hafenstadt Triest ist nur 120 Kilometer entfernt. Die Verhaftungen in Italien zeigen, dass die Italiener auf der Hut sind, um zu verhindern, dass die Scharia ins Land gebracht wird. Italien hadert am längsten von allen EU-Staaten mit der Flüchtlingspolitik von Angela Merkel. Die Italiener wissen offenkundig, was sich vor den von Merkel geöffneten Toren Europas zusammenbraut.

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