Politik

Nach Niederlage in Syrien: IS zieht nach Nordafrika weiter

Der IS nimmt Libyen ins Visier. Sollte dies gelingen, könnte es zu einer neuen Fluchtbewegung Richtung Europa kommen.
09.12.2017 01:56
Lesezeit: 3 min

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Die türkische Zeitung TIMETURK berichtet, dass im Zusammenhang mit der Evakuierung von ISIS-Kämpfern aus der syrischen Stadt Rakka die betroffenen Kämpfer nun nach Libyen und auf die Sinai-Halbinsel ziehen. Es bestehe die Gefahr, dass die Sinai-Halbinsel zu einer neuen Hochburg von ISIS wird. Von dort aus hätte die Terror-Miliz die Möglichkeit, nach Libyen einzusickern, aber auch Angriffe in Ägypten auszuführen. Die Entschlossenheit der Terror-Miliz habe sich bereits Ende November gezeigt. Am 24. November verübte ISIS einen Anschlag auf die Ravda-Moschee in der ägyptischen Stadt Arisch. Bei dem Anschlag kamen mindestens 305 Muslime ums Leben. Zuvor hatte ISIS in Syrien und im Irak zahlreiche Moscheen und Kirchen zerstört - unter anderem die Al-Nouri-Moschee, die im 14. Jahrhundert errichtet wurde und das syrische Kloster Mar Elian, dass im 5. Jahrhundert errichtet wurde.

Offenbar rechnet auch die vom Westen anerkannte libysche Regierung mit einer Verschärfung der Lage: Präsident Donald J. Trump hatte den libyschen Premierminister Fayez al-Sarraj von Libyen am 1. Dezember 2017 im Weißen Haus empfangen. Präsident Trump will laut Statement des Weißen Hauses, "die Unterstützung der Vereinigten Staaten für die Regierung zu bekräftigen" und "dem libyschen Volk zu helfen, eine stabilere, vereinte und wohlhabende Zukunft zu verwirklichen". Der Präsident und der Premierminister haben auch über die Bedeutung der politischen Versöhnungsbemühungen diskutiert, die von den Vereinten Nationen im Rahmen des politischen Abkommens von Libyen unterstützt werden, sowie über eine Zusammenarbeit bei der Terrorismusbekämpfung und Möglichkeiten, das bilaterale Engagement in verschiedenen Bereichen auszuweiten. al-Sarraj, dessen Regierung GNA faktisch kein libysches Territorium, sondern über einen Militärbasis lediglich einige Söldner-Verbände kontrolliert, hatte die USA zuvor gebeten, seinen persönlichen Schutz zu garantieren, berichtet der Libyan Express.

Im November 2017 hatte der ägyptische Präsident Abdel-Fattah al-Sisi davor gewarnt, dass ISIS-Kämpfer aus Syrien und dem Irak ihre Präsenz nach Libyen verlagern würden, berichtet The Daily Star.

Nach Angaben von Al-Monitor kann sich ISIS in der libyschen Wüste frei bewegen, da sich das Gebiet nicht unter der Kontrolle der Konflikt-Parteien in Libyen befinde. Die Terror-Miliz finde dort sehr gute Bedingungen für eine Neuformierung vor.

Im Juli 2017 berichtete The Independent, dass ISIS-Kämpfer nach ihren Verlusten im Irak und Syrien gezielt nach Libyen ziehen würden. “Wir haben Bewegungen von ISIS im Süden von Sirte entdeckt. Dort versuchen sie, sich neu zu formieren und die Linien unserer Streitkräfte im Süden zu durchbrechen”, zitiert das Blatt Mohamed Ghasri, ein Sprecher der libyschen Regierung, die von der UN gestützt wird.

Berater des US-Verteidigungsministers für spezielle Operationen, Mark Mitchell, bestätigte am Mittwoch im Rahmen einer Anhörung vor dem US-Senat, dass ISIS-Kämpfer aus dem Nahen Osten nach Libyen ziehen würden. Weitere Länder, in die die ISIS-Kämpfer aus Syrien und dem Irak ziehen seien der Jemen, die Philippinen, Mali, Niger und Indonesien, zitiert CNS News Mitchell. “Die Vernichtung des Kalifats bedeutet noch lange nicht das Ende von ISIS als eine internationale terroristische Organisation”, meint er.

Ende Oktober 2016 wurde ISIS aus der libyschen Stadt vertrieben. Allerdings sagte der libysche Generalstaatsanwalt Sadiq al-Sour, dass sich ISIS in die Wüste zurückgezogen habe, um sich neu zu formieren. Die Terror-Miliz mobilisiere weitere Kämpfer aus Ägypten, Algerien, Tunesien und dem Sudan, zitiert die BBC al-Sour. Newsweek bestätigt in einem Bericht vom 8. August 2017, dass ISIS sich in der libyschen Wüste neu formiert.

Wenn ISIS in Libyen tatsächlich erstarken sollte, würde sich das auf die ohnehin schlechte humanitäre Lage im Land negativ auswirken. Eine neue Flüchtlingsbewegung aus Libyen und anderen nordafrikanischen Staaten in Richtung der EU könnte eine Folge sein. Die schlechte humanitäre Lage in Libyen war das wichtigste Thema beim Treffen zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem libyschen Ministerpräsidenten Fajas Seradsch in Berlin am Donnerstag.

Merkel hat Libyen mehr Unterstützung zugesagt, dafür aber auch einen besseren Zugang zu Lagern mit Flüchtlingen und Migranten gefordert. “Es ist noch sehr, sehr viel zu tun”, zitiert Reuters die Bundeskanzlerin. Sie verwies auf Berichte über katastrophale Bedingungen für afrikanische Migranten in Libyen. Merkel verteidigte die EU-Hilfe für die Ausbildung der libyschen Küstenwache.

Zugleich forderte Merkel, die Regierung müsse internationalen Hilfsorganisationen ermöglichen, im Mittelmeer aufgefundene Migranten zu retten. Nicht-Regierungsorganisationen hatten kritisiert, die Küstenwache verhindere, dass sie vor der Küste Menschen aus den oft seeuntüchtigen Booten retteten. Flüchtlinge, die die Küstenwache zurück an Land bringe, müssten in Lager unter Führung der UN-Flüchtlingsorganisation UNHCR gebracht werden, verlangte Merkel.

Seradsch sprach von 500.000 ausländischen Migranten, die in seinem Land außerhalb von Regierungs-Lagern lebten. Einen Militäreinsatz etwa der Europäer, um Zugang zu von Milizen kontrollierten Migranten-Lager im Osten zu bekommen, lehnte er aber ab. Wichtig seien die bessere Ausstattung der Küstenwache und die bessere Kontrolle der Südgrenze des Landes zu Niger.

Merkel erklärte, die EU helfe, “weil wir nicht möchten, dass Libyen Spielball internationaler Interessen wird”. Hintergrund ist, dass in dem vom Stellvertreter-Krieg zerrütteten Staat sowohl Nachbarn wie Ägypten, aber auch die Vereinigten Arabischen Emirate oder Russland unterschiedliche Konfliktparteien unterstützen. Seradsch betonte, der Kampf gegen illegale Migration sei eine gemeinsame Aufgabe.

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