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In Estland steht die Einführung einer staatlichen Kryptowährung kurz bevor. Wie Kaspar Korjus, Geschäftsführer der sogenannten e-Residency – des digitalen Programms Estlands, kürzlich erklärte, plant das Land den Start eines „Estcoin“. Wie er betont, prüft der baltische Staat derzeit drei verschiedene Modelle virtueller Währungen. „Wir arbeiten trotz aller Kritik an den Vorschlägen. Aber dank der Kritik sind wir in der Lage, die Zusammenhänge besser zu verstehen,“ wird Korjus vom EUObserver zitiert. Alle drei Estcoin-Modelle seien funktionsfähig und könnten eingeführt werden, ohne dass es Probleme mit der Europäischen Zentralbank geben würde.
Dagegen hatte noch im September Mario Draghi, der Präsident der Europäischen Zentralbank, erklärt: „Kein Mitgliedsstaat der EU kann eine eigene Währung einführen.“ Estland ist Mitglied der Eurozone und damit rechtlich an die Vorgabe gebunden, den Euro als einzige Währung zu führen. Hierzu Korjus: „Estland werde niemals eine alternative Währung zum Euro einführen“, aber er sagte auch, dass eine der drei Möglichkeiten der richtige Weg sei, den Estcoin als an den Euro gebundene virtuelle Währung den neuen digitalen Einwohnern Estlands (e-residents) zur Verfügung zu stellen. Die Idee für den Estcoin entstand im vergangenen August, wobei der sogenannte Krypto-Token die dezentrale Blockchain-Technologie verwenden sollte, mit der auch Bitcoin betrieben wird.
Als erstes Land der Welt räumt Estland seit etwa drei Jahren sogenannten e-residents, Bürgern aus anderen Ländern, die Möglichkeit einer virtuellen Staatsbürgerschaft ein. Auf diese Weise können sich Ausländer seitdem online für einen virtuellen Wohnsitz in Estland bewerben – und so zu einem Teil einer digitalen Nation werden. Durch die virtuelle Staatsbürgerschaft können e-residents sogar Unternehmen in dem baltischen Staat gründen, Anspruch auf Sozialleistungen besteht allerdings nicht. Inzwischen gibt es bereits mehr als 27.000 e-residents, davon mehr als 1.300 Deutsche.
Viele der Bewerber um die virtuelle Staatsbürgerschaft verfolgen handfeste Interessen. Etwa 40 Prozent entscheiden sich für die e-residency, um danach ein estnisches Unternehmen zu gründen. Ein Vorteil davon ist, dass die neuen Firmenbosse ihre Geschäfte vom Computer aus führen können, ohne je vor Ort gewesen zu sein. Für die Registrierung eines solchen Unternehmens ist lediglich erforderlich, zusätzlich zu den 100 Euro für eine entsprechende ID eine Gebühr von 190 Euro zu überweisen sowie ein Formular auszufüllen. Es kann auch ein Dienstleister wie LeapIN eingeschaltet werden, der die Anmeldung übernimmt. Nach Angaben der estnischen Regierung dauert es nur etwa 18 Minuten, um ein Unternehmen online zu registrieren.
Die Anzahl der e-residents aus Großbritannien hat sich nach dem Brexit verdoppelt. Grund dafür seien Befürchtungen, den Zugang zum Binnenmarkt der EU zu verlieren. Für viele sei die digitale Staatsbürgerschaft wie eine Eintrittskarte in die Gemeinschaft. Auch die Bewerberzahl aus der Türkei wachse ständig.
Estland selbst profitiert von den neuen digitalen Einwohnern. Die Abgaben der e-residents haben nach Informationen der nationalen Steuerbehörde schon heute die Ausgaben für das gesamte Programm gedeckt. Denn jeder Ausländer, der mit seiner virtuellen Staatsbürgerschaft eine Firma in Estland gründet, wird mit einer Unternehmensteuer von 20 Prozent konfrontiert. Für den baltischen Staat ist das eine Chance auf zusätzliche Einnahmen.
Wie Korjus schreibt, seien die e-residents Estlands Bürger der Erde. Ursache für den Erfolg des Programms sei die Möglichkeit auf einfache Art und Weise weltweit Geschäfte zu betreiben. Für die Gemeinde der e-residents erleichterten Estcoins den Austausch internationaler Werte, wodurch auch der Handel zwischen Esten und den Neubürgern vereinfacht wird. Darüber hinaus sollen Estcoins dabei helfen, Unterstützer für das e-resident-Programm des baltischen Staates zu finden und auch, um die Teilnehmer mit der virtuellen Währung an ihre digitale Identität zu binden.