Politik

USA will Kurden entwaffnen, die gegen die Türkei kämpfen

Lesezeit: 5 min
25.01.2018 00:58
Die USA droht den Kurden-Milizen mit dem Entzug der Unterstützung, falls gelieferte US-Waffen gegen die Türkei eingesetzt werden. Im Gespräch mit den DWN legt das Pentagon erstmals seine Haltung zu dem Umgang mit den US-Waffen dar.
USA will Kurden entwaffnen, die gegen die Türkei kämpfen

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Das US-Verteidigungsministerium hat erstmals konkret Stellung zum bewaffneten Konflikt zwischen der Türkei und kurdischen Milizen in Syrien bezogen. Demnach akzeptiert das Pentagon nicht, dass von den USA gelieferte Waffen gegen die türkische Armee eingesetzt werden.

Der Sprecher des Pentagons, Adrian Rankine-Galloway bestätigte entsprechende Berichte in türkischen Medien und sagte den Deutschen Wirtschafts Nachrichten: "Wir billigen den Einsatz von Waffen und Ausrüstung, die von der Koalition zur Verfügung gestellt werden, nicht für irgendeinen anderen Zweck, als die Vereitelung von ISIS. Wenn wir eine Gruppe oder Personen identifizieren, die gegen diese Vereinbarung verstoßen, werden wir dies untersuchen und gegebenenfalls die Unterstützung einstellen. Die USA werden sich weiterhin für den Schutz unseres NATO-Verbündeten Türkei einsetzen, einschließlich der Unterstützung von Bemühungen zur Abwehr von Bedrohungen durch die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK)."

Der Sprecher betont, dass die USA vor allem zum Kampf gegen den IS in Syrien tätig werden wollen. Allerdings wollen die Amerikaner auch "andere terroristische Gruppen in Syrien besiegen". Nur dazu dürften die Waffen, die an die Milizen gegeben wurden, verwendet werden: "Die USA bauen ihre partnerschaftlichen Fähigkeiten aus und verstärken diese, um zuvor befreite Gebiete zu schützen und die Bewegungsfreiheit von ISIS zu verhindern. Da sich größere Kampfhandlungen gegen ISIS ergeben und Stabilisierungs-Bemühungen zunehmen, ist es nur natürlich, dass wir versuchen, die Sicherheit im Irak und in Syrien zu verbessern, um die dauerhafte Niederlage von ISIS zu unterstützen und Bedingungen zu verhindern, unter denen ISIS sich dem widersetzen kann. Die USA sind entschlossen, ISIS und andere terroristische Gruppen in Syrien zu besiegen, um sicherzustellen, dass sie nicht in die befreiten Gebiete zurückkehren können."

Die USA sehen die Aufgabe der Milizen auf den Kampf gegen den IS beschränkt: "Die US-Streitkräfte bilden lokale Partner aus, damit diese als eine Kraft dienen, die intern auf Stabilität ausgerichtet ist und ISIS abschreckt. Diese lokalen Sicherheitskräfte sollen die Flucht von ISIS-Terroristen verhindern, wenn ihre physische Präsenz in Syrien ihrem Ende zugeht und eine längerfristige Beilegung des Bürgerkriegs in Syrien bevorsteht. Damit soll sichergestellt werden, dass ISIS nicht entkommen oder zurückkehren kann. Im Einklang mit dieser Politik überprüfen wir die anstehenden Anpassungen der militärischen Unterstützung für unsere kurdischen Partner."

Offenbar haben die Amerikaner diese Position auch der Türkei signalisiert. Rankine-Galloway: "Wir werden unsere Partnerschaft mit den Syrischen Demokratischen Kräften (Kurden-Milizen, Anm. d. Red.) fortsetzen, um die militärische Niederlage von ISIS zu vollenden und das befreite Gebiet zu stabilisieren, damit die vertriebenen Syrer und Flüchtlinge zurückkehren können. Wir haben der Türkei immer klar gesagt, dass die Waffen, die den Syrischen Demokratischen Kräften unter Einschluss ihrer kurdischen Elemente, begrenzt, einsatzspezifisch und inkrementell zur Erreichung militärischer Ziele bereitgestellt würden."

Die Hauptsorge der Amerikaner an der neuen Front besteht darin, dass US-Soldaten unter türkischen Beschuss kommen könnten. US-Präsident Donald Trump hat seinen türkischen Kollegen Recep Tayyip Erdogan zur Zurückhaltung bei der Militäroffensive in Syrien aufgefordert. Erdogan müsse jegliche Aktionen unterlassen, durch die es zu einem direkten Konflikt mit US-Soldaten kommen könnte, sagte Trump am Mittwoch nach Mitteilung des amerikanischen Präsidialamtes in einem Telefonat mit Erdogan. Die zunehmende Gewalt in der syrischen Region Afrin untergrabe gemeinsame Ziele in Syrien. Erdogan selbst forderte nach Mitteilung seines Amtes von den USA, Waffenlieferungen an die syrische Kurdenmiliz YPG einzustellen. Der Militäreinsatz richte sich gegen "terroristische Elemente".

Erdogan sagte am Mittwoch, dass die türkische Militäroperation „Olivenzweig” gegen die Kurden-Milizen auf die syrische Stadt Mandbisch ausgeweitet wird, berichtet die Washington Post. Diese Milizen werden von den USA unterstützt. Am vergangenen Samstag hatte die Türkei ihre Operation auf die Stadt Afrin gestartet. Afrin wurde im Verlauf des Syrien-Konflikts von den Kurden-Milizen eingenommen. „Spielchen entlang unserer Grenzen ab Mandbisch werden vereitelt”, so Erdogan.

Am späten Mittwochnachmittag haben Kurden-Milizen von der östlichen syrischen Region Hasaka aus einen Grenzposten der türkischen Armee in der östlichen Stadt Nusaybin beschossen, berichtet die Zeitung Hürriyet. Während der Gefechte sollen drei Mitglieder der Kurden-Milizen getötet worden sein.

In einer Mitteilung meldet der türkische Generalstab, dass in Afrin bereits vermeintliche Erfolge erzielt wurden. Die Nachrichtenagentur Ihlas zitiert den Generalstab: „Nach aktuellen Informationen aus der Region wurde festgestellt, dass mindestens 260 Mitglieder der Terrorgruppen PKK/KCK/PYD-PG und ISIS unschädlich gemacht wurden.”

Die PKK-nahe Nachrichtenagentur ANF meldet hingegen, dass die Kurden-Milizen 203 türkische Soldaten und Mitglieder der Freien Syrischen Armee (FSA) getötet sowie fünf türkische Kriegsfahrzeuge zerstört wurden. ANF stützt sich dabei auf Aussagen der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), die von den Kurden-Milizen dominiert und von den USA unterstützt werden.

Die Angaben der Konfliktparteien zur Anzahl der Toten kann von unabhängiger Stelle nicht verifiziert werden.

ANF veröffentlichte auf ihrer Webseite die Ausweispapiere eines angeblichen türkischen Soldaten, der getötet wurde. Das Presseportal der YPG veröffentlichte ein Video mit zwei getöteten Personen, die angeblich türkische Soldaten sein sollen.

Währenddessen hat der Sprecher des türkischen Präsidialamts, Ibrahim Kalin, im Gespräch mit Christiane Amanpour von CNN gesagt, dass Präsident Erdogan eine gute Beziehung zu Putin und Trump habe: „Ehrlich gesagt, haben sie ein gutes Verhältnis. Sie haben eine gute Chemie erreicht, mehrmals telefoniert und sich mehrmals getroffen – und sie werden sich erneut treffen. Es gibt einige kritische Fragen, die auf der Ebene der Staatsmänner gelöst werden müssen. Die US-türkischen Beziehungen sind zu wichtig, als dass Gruppen wie die PKK/PYD diese zerstören. Wenn wir zusammenarbeiten, hätten wir in der Region mehr gemeinsame strategische Ziele.”

Amanpour sagte, dass Russland aus den türkisch-amerikanischen Spannungen Profit schlage. Kalin antwortete: „Es mag so aussehen, als ob Russland das manipulieren möchte. Doch man hat nicht gesehen, dass die Russen diesen Weg eingeschlagen haben. Wir werden auch weiterhin mit Syrien und Russland arbeiten”.

Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu sagte nach Angaben des englischsprachigen Diensts von Reuters dem Sender Haberturk TV: „Unser Ziel ist es, weder mit den Russen oder dem syrischen Regime noch mit den USA zu kollidieren. Es geht darum, Terrororganisationen zu bekämpfen. Terroristen aus Mandbisch schießen ständig Provokations-Schüsse ab. Wenn die USA das nicht stoppen, werden wir es stoppen.”

Geopolitical Futures führt in einer Analyse aus:

„Großzügige Schätzungen der feindlichen Kämpfer in Afrin (Kurden-Milizen, Anm. d. Red.) zählen etwa 10.000 Kämpfer, denen Ausrüstungen, Artillerie und eine Luftwaffe fehlen. Die Türkei hat ungefähr 40.000 Soldaten an der Grenze (...). Das größte Hindernis für die Invasion der Türkei war die Anwesenheit einer kleinen Anzahl russischer Soldaten. Doch als Russland diese Soldaten zurückzog, war Afrins Eroberung gesichert.

Es gibt einen zweiten, wichtigeren Grund für das turbulente Jahr der Drohungen gegen Afrin: Die Türkei wollte nicht einmarschieren. Das Land befürchtet, in Syrien in einen Sumpf gezogen zu werden. Als der syrische Bürgerkrieg begann, verließ sich die Türkei auf Stellvertreter, um das Assad-Regime zu stürzen. Als das scheiterte, traf die Türkei eine Wiedergutmachungs-Vereinbarung mit Russland und wandte sich dem Iran zu, um eigene Interessen durch Diplomatie zu sichern: die sogenannte Astana-Troika. Das Ziel der Türkei bei ihrer Zustimmung zum Waffenstillstand von Astana bestand darin, ihren Stellvertretern Zeit zu geben, sich zu stärken und zu verhindern, dass das Assad-Regime das Land zurückerobert. Wenn Assad nicht besiegt werden kann, dann würde das Regime immerhin (...) nicht zu seiner vollen Stärke zurückfinden – und zumindest würden ausländische Mächte diesen türkischen Wunsch respektieren (...).

Die Eroberung Afrins bedeutet, dass die Türkei die beiden größten verbliebenen Rebellenhochburgen miteinander verbindet. Das wird es den von der Türkei unterstützen Anti-Assad-Gruppen erleichtern, Vorräte und Material zu verlegen, falls sie zusätzlichen Angriffen ausgesetzt sein sollten. Doch bedauerlicher ist es für das Assad-Regime, dass dieser Schritt die türkischen Streitkräfte in eine Position versetzt, um eine neue Rebellenoffensive auf Aleppo zu unterstützen. Die neue Bedrohung nördlich von Aleppo zwingt Assad dazu, die Offensive in Idlib zu überdenken und seine Truppen zurückzuziehen, um sicherzustellen, dass er sich gegen neue Angriffe der Rebellen verteidigen kann.”

Die Türkei habe kein Interesse daran gehabt, eine Operation in Afrin zu starten. Stattdessen habe Ankara Moskau immer wieder gesagt, dass Druck auf Assad ausgeübt werden müsse, damit dieser seine Soldaten kontrolliert – sprich: von weiteren Operationen im Nordwesten Syriens absieht. Folglich sei die Türkei gezwungen gewesen, die aktuelle Operation durchzuführen. Doch in eine Handlung hineingezogen zu werden, „die du nicht machen willst, ist kein Symbol der Stärke, sondern der Schwäche”, so Geopolitical Futures.


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