Finanzen

Merkel knüpft Zuteilung von EU-Geldern an Bedingungen

Lesezeit: 3 min
22.02.2018 17:01
Bundeskanzlerin Merkel will Zahlungen aus den EU-Töpfen an politische Bedingungen knüpfen.
Merkel knüpft Zuteilung von EU-Geldern an Bedingungen

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Der Ausstieg Großbritanniens aus der EU führt dazu, dass künftig jährlich etwa 10 Milliarden Euro im Haushalt der Union fehlen werden. Bezüglich der Finanzen der EU bahnen sich ernste Auseinandersetzungen zwischen den Mitgliedsstaaten an. Die Bundesregierung kann sich vorstellen, ihren gestiegenen Einfluss auf EU-Ebene für politische Ziele einzusetzen.

Kurz vor dem Gipfeltreffen zur EU-Haushaltspolitik hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel eine harte Position Deutschlands angekündigt. Der EU-Austritt Großbritanniens sei eine Chance, die EU-Finanzen insgesamt auf den Prüfstand zu stellen, sagte Merkel am Donnerstag in einer Regierungserklärung im Bundestag.

Zudem machte sie deutlich, dass Deutschland Finanzhilfen etwa an osteuropäische Länder mit deren Mitarbeit bei der Flüchtlingspolitik verknüpfen will. Konkret bedeutet dies, dass Merkel Staaten wie Ungarn, Polen, Tschechien und der Slowakei Subventionen vorenthalten will, wenn diese sich nicht an der Verteilung von Migranten beteiligen. AfD und Linkspartei kritisierten höhere deutsche Zahlungen an die EU. AfD-Fraktionschef Alexander Gauland warf Merkel zudem eine „Erpressung“ der Osteuropäer vor. „Deutschland entwickelt sich vom Lehrmeister über den Zuchtmeister zum Zahlmeister“, kritisierte Gauland.  Es sei falsch, Zahlungen an die Osteuropäer von der Flüchtlingsverteilung innerhalb der EU abhängig zu machen.

„Bei der Neuverteilung der Strukturfondsmittel müssen wir darauf achten, dass die Verteilungskriterien auch das Engagement vieler Region und Kommunen bei der Aufnahme und Integration von Migranten widerspiegeln“, sagte Merkel. „Solidarität kann in der EU keine Einbahnstraße sein.“

Haushaltskommissar Günther Oettinger warnte konkret Polen und Ungarn vor finanziellen Einbußen wegen rechtsstaatlicher Defizite. "Von einigen Ländern wird die Verbindung zwischen unserer Werteordnung und dem EU-Haushalt vorgeschlagen", sagte Oettinger der Süddeutschen Zeitung. Oettinger sagte, es sei möglich, dass die 27 Mitgliedstaaten im Diskussionsprozess für den nächsten Haushaltsrahmen zu dem Ergebnis kämen: "Wenn ihr diesen Kurs fortsetzt, dann wird es um Kürzungen bei den Investitionen gehen". Die Botschaft könne dann lauten: "Wenn ihr einlenkt und nachweisbar die Werteordnung und das Gebot der Rechtsstaatlichkeit wieder im Mittelpunkt steht, dann sind wir zur Solidarität bereit."

Die 27 Staats- und Regierungschefs treffen sich am Freitag in Brüssel, um über die mittelfristige Verteilung von Geld in der EU zu sprechen. Klar ist bereits, dass nach dem Brexit mehr als zehn Milliarden Euro im Jahr fehlen, weil Großbritannien wie Deutschland unter dem Strich mehr Geld in den Haushalt einzahlt als es bekommt. Der Brexit soll im März 2019 vollzogen werden.

Union und SPD wollen, dass die Bundesrepublik mehr Geld nach Brüssel überweist. Andere Staaten wie die Niederlande und Österreich lehnen dies für sich kategorisch ab. Sie argumentieren, dass eine kleinere EU auch über einen kleineren Haushalt verfügen könne.

Die Kanzlerin pochte darauf, dass diese milliardenschweren Töpfe weiter unterentwickelten Regionen in allen EU-Staaten zur Verfügung stehen müssten. Bei den Strukturfonds, von denen ärmere Staaten etwa beim Bau von Infrastrukturprojekten profitieren, forderte sie neue Kriterien. Dies dürfte zu Konflikten mit den betroffenen Regierungen führen.

SPD und Linkspartei forderten in der EU-Debatte eine stärkere Konzentration auf soziale Themen. Hauptaufgabe müsse sein, die wirtschaftlichen und sozialen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten anzugehen, sagte SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles. Die Ungleichheit der Lebensverhältnisse sei in der Union weitaus größer als in den USA. „Ich glaube, dass es diese Ungleichheiten sind, die den Zusammenhalt in Europa immer wieder neu gefährden.“

Einer Studie der EZB von 2016 zufolge befinden sich die Deutschen im unteren Drittel der Eurozone, was das durchschnittliche Vermögen angeht. Danach sammelt der mittlere deutsche Haushalt ein Nettovermögen von 60.000 Euro an, die Bürger im Schnitt von 18 Euro-Staaten dagegen mehr als 100.000 Euro.

Die Ergebnisse bestätigten eine frühere Studie der EZB aus dem Jahr 2013. Daraus ging hervor, dass die Deutschen mit etwa 51.000 Euro beim Median-Vermögen den letzten Platz in der Eurozone belegen. Auf dem vorletzten Platz landete mit einem Median-Vermögen von 61.000 Euro die Slowakei. Die drittletzt platzierten Portugiesen verfügen bereits über ein Median-Vermögen von 75.000 Euro. Angeführt wird die Liste von Luxemburg (rund 400.000 Euro) und Zypern (267.000 Euro). Griechenland lag mit etwa 102.000 Euro im Mittelfeld.

Der Austritt der Briten führt nicht nur zu weniger Einnahmen für die EU, sondern neue Herausforderungen führen auch dazu, dass mehr Geld benötigt wird - etwa bei Verteidigung, Migration oder im Kampf gegen Terror. Die EU-Kommission rechnet vor, dass alleine die vielfach geforderte Verbesserung des Schutzes der EU-Außengrenzen binnen sieben Jahren 20 bis 25 Milliarden Euro mehr kosten würde.

Haushaltskommissar Günther Oettinger will im nächsten Jahrzehnt einerseits das Gesamtvolumen für den Finanzrahmen auf zwischen 1,1 und 1,2 Prozent der Wirtschaftsleistung erhöhen. Finanzieren will er das durch höhere Beiträge der dann noch 27 EU-Mitgliedstaaten. Hier forderte Oettinger von Deutschland bereits drei bis 3,5 Milliarden Euro pro Jahr mehr. Gleichzeitig will er „maßvoll“ den Rotstift in traditionellen Ausgabenbereichen ansetzen.

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Iran-Israel-Konflikt: Führt das Krisentreffen in Israel mit Baerbock und Cameron zur Deeskalation?
17.04.2024

Bei Gesprächen mit israelischen Politikern bemühen sich Annalena Baerbock und David Cameron, einen möglichen Vergeltungsschlag gegen den...

DWN
Politik
Politik Günstlingswirtschaft und Gefälligkeiten: Stephan Weil in Niedersachsen am Pranger
17.04.2024

In Berlin steht Kai Wegner (CDU) unter Verdacht, seine Geliebte mit einem Senatorenposten bedacht zu haben. Ursula von der Leyen (CDU)...

DWN
Technologie
Technologie Fluch oder Segen? – Was man aus Müll alles machen kann
17.04.2024

Die Welt ist voller Müll. In den Ländern des globalen Südens gibt es teilweise so viel davon, dass Menschen auf Abfallbergen ihr Dasein...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Insolvenzrekorde im März: Nachwehen der Coronahilfen
17.04.2024

Deutsche Unternehmen klagen aktuell viel über die Umstände – und die Unternehmensinsolvenzen sind auch auf Rekordniveau. Ein Grund...

DWN
Politik
Politik Vor G7-Treffen: Baerbock warnt vor Eskalationsspirale im Nahen Osten
17.04.2024

Die Grünen-Politikerin hat vor einem Treffen der Gruppe sieben großer Industrienationen (G7) zu "maximaler Zurückhaltung" aufgerufen in...

DWN
Politik
Politik Die Zukunft der EU als Wirtschaftsstandort: DIHK-Befragung zeigt Stimmungstief
17.04.2024

Wie beurteilen Unternehmen die Lage der Europäischen Union? Eine Befragung der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) gibt...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Studie: Immer mehr Menschen heben Geld im Supermarkt ab
17.04.2024

Geldabheben beim Einkaufen wird in den Supermärken immer beliebter. Für Händler könnten die zunehmenden Bargeldauszahlungen jedoch...

DWN
Finanzen
Finanzen Inflation in Eurozone fällt auf 2,4 Prozent
17.04.2024

Im Herbst 2022 erreichte die Inflation in der Eurozone ein Höchststand von mehr als zehn Prozent, jetzt gibt es den dritten Rückgang der...