Vor dem EU-Gipfel hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel für ein engeres wirtschaftliches Zusammenwachsen Europas starkgemacht. Neben der Währungsunion müsse auch eine echte Wirtschaftsunion entstehen, sagte die CDU-Chefin am Mittwoch in einer Regierungserklärung in Berlin (Video ab 46:55). "Das ist viel mehr als einfach nur der Binnenmarkt." Deshalb solle jetzt über eine Gesamtarchitektur der Eurozone gesprochen und im Juni darüber entschieden werden. Merkel schwebt eine stärkere Integration vor. Die Transferunion sprach Merkel nicht direkt an, weil sie weiß, dass es dagegen in der CDU noch vereinzelt kritische Stimmen gibt. Sie sagte jedoch, dass mehr getan werden müsse, um die gesamte "Wettbewerbsfähigkeit" der Euro-Staaten zu erhöhen. In diesem Zusammenhang hatte Merkel vor einigen Tagen erstmals angedeutet, dass sie nicht kategorisch gegen eine Transferunion sei. Im Bundestag sagte Merkel, dass "Haftung und Kontrolle" zusammengehören. Dies dürfte im, Hinblick auf die neue Euro-Architektur bedeuten, dass die Südstaaten zwar auf Transferleistungen hoffen dürfen, die Nordstaaten jedoch mit Kontrollrechten ausgestattet werden. Merkel sagte, der ESM solle zu einem Europäischen Währungsfonds ausgebaut werden. Außerdem sollten finanzielle Zuwendungen an einzelne Staaten möglich werden. Merkel foderte eine Banken- und eine Kapitalmarktunion. Die Zukunft der Wirtschaft sei multilateral, die EU sei die beste Idee Europas im 20. Jahrhundert gewesen.
Der französische Präsident Emmanuel Macron hatte schon vor Monaten Reformvorschläge für die Europäische Union gemacht, zu denen ein europäischer Finanzminister oder ein Eurozonen-Haushalt zählen.
Bei dem Antrittsbesuch von Bundeskanzlerin Merkel sprach Macron davon, bis Juni mit Merkel eine „europäische Roadmap“ für die Neugründung Europas vorzulegen. Bei der Reform der Wirtschafts- und Währungsunion wird es für Merkel und Macron um technische Fragen gehen:
- wie die Risiken in den Bankbilanzen vermindert werden können
- wie der Euro-Rettungsfonds gestärkt wird, ein Budget für die Euro-Zone
- eine parlamentarische Vertretung
- ein EU-Finanzminister
Macron geht dabei insbesondere um die Stärkung der Währungsunion. Diese will er mit einem eigenen Budget und einem eigenen Finanzminister versehen.
Auch beim Finanzminister-Treffen von Olaf Scholz und Bruno Le Maire wurde das Abfassen einer „deutsch-französichen Roadmap“ für die Bankenunion, Steuerpolitik und Eurozonen-Vertiefung als Grundlage für einen Beschluss aller Mitgliedstaaten vereinbart. Scholz bestätigte, Le Maire und er würden „beherzt losarbeiten und sich der Frage stellen, wie bekommen wir die Reform der Euro-Zone voran“. Die Gespräche seien gut verlaufen. „Wir haben ganz konkret über viele Fragen gesprochen“, so Scholz.
„Wir wollen spektakuläre Ergebnisse erreichen, keine Erklärungen“, sagte der Le Maire. Deutschland und Frankreich stünden gemeinsam vor einer historische Aufgabe, dem Aufbau einer stabilen und leistungsfähigen Euro-Zone sowie der Verteidigung der europäischen Werte in der Welt.
Die Bundesregierung hat die Gestaltung der deutschen Position in die Hände eines neuen Staatssekretärs gelegt, der von der Investmentbank Goldman Sachs kommt und daher ein Experte in der Gestaltung von Fragen einer grenzüberschreitenden Finanzpolitik ist.
Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner hat die große Koalition vor einer europäischen Transfer-Union nach den Vorstellungen von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron gewarnt. Dessen EU-Reformvorschläge einige Europa nicht, sondern spalte es, sagte Lindner am Mittwoch im Bundestag.