Die chinesische Regierung bereitet offenbar weitere Maßnahmen vor, um eine Abschwächung des Wirtschaftswachstums und einen damit möglicherweise verbundenen Ausbruch einer Schuldenkrise zu verhindern. Vergangene Woche senkte die Zentralbank (Volksbank von China) überraschend die Kapitalreserve-Anforderungen für die Banken des Landes – eine Maßnahme, die Beobachter als geldpolitische Lockerung und Unterstützung des regulären Bankenwesens in China gegenüber den unregulierten Schattenbanken deuteten.
Den Hintergrund für die Entscheidung spielen Befürchtungen innerhalb der Kommunistischen Partei, dass eine Rezession oder Bankenkrise das den Bürgern gegenüber abgegebene Wohlstandsversprechen erschüttern könnte, auf dessen Erfüllung die Macht der Partei letztendlich beruht.
Wie der englischsprachige Dienst von Reuters berichtet, dürfte die Maßnahme der Zentralbank in nicht allzu ferner Zukunft wiederholt werden. Die Regierung versuche, eine möglicherweise bevorstehende Abschwächung der Wirtschaftsleistung und eine davon ausgelöste Schuldenkrise im Vorhinein zu unterbinden, sagen Analysten.
„Die Intention dieser Politik ist klar. Sie wollen etwas Liquidität freigeben und die Bedingungen lockern, weil die Wirtschaft von Abwärtstendenzen bedroht ist und sich die internationale Lage verdunkelt. Es gibt Raum für weitere Senkungen der Reserve-Quoten bei den Banken“, wird ein Analyst der Zhongyuan Bank aus Peking zitiert.
Die Regierung geht seit einigen Monaten gegen die unregulierten Schattenbanken im Land vor und verschärft ihre Kontrolle über die Kapitalströme ins Ausland – eine Maßnahme, die sich vergangenes Jahr bereits in einer deutlichen Steigerung der durchschnittlichen Finanzierungskosten für Unternehmen niedergeschlagen hatte. Indem die Kapitalreserve-Verpflichtungen der regulären Banken gelockert werden, sollen diese offenbar die Funktion als Wachstumstreiber übernehmen, welche in der Vergangenheit auf die Schattenbanken entfiel.
Die Zentralbank erhofft sich durch die Maßnahme, dass Banken bestehende Schulden zurückzahlen und die Kreditvergabe an kleinere Unternehmen hochfahren. Etwa 1,3 Billionen Yuan (rund 168 Milliarden Euro) sollen durch die Lockerung freigeworden sein.
„Die Reduzierung der Reservevorgaben verstärkt die vorherrschende Einschätzung, dass China die Regulierung eher lockern wird“, sagt ein Analyst der OCBC Bank aus Singapur. „Die Maßnahme spielt auch eine vorbeugende Rolle bei der Stabilisierung der Kreditexpansion, indem die zuletzt verschärften Bedingungen gelockert werden. Es werden noch mehr Absenkungen der Kapitalvorschriften kommen.“
Trotz des Handelstreits mit den USA und einer Reihe innenpolitischer Herausforderungen hält Chinas Führung an den Wachstumszielen für 2018 fest. Die Volksrepublik werde alles daran setzen, sie zu erreichen, erklärte das Politbüro der regierenden Kommunistischen Partei am Montag der amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua zufolge. Zugleich räumte die Regierung ein, dass sie an drei Fronten zugleich gefordert ist – im Kampf gegen Risiken am Finanzmarkt ebenso wie bei der Bekämpfung von Armut und Umweltverschmutzung.
Strukturreformen und die Stärkung der Binnennachfrage sollen für eine stabile Volkswirtschaft sorgen. Überkapazitäten würden abgebaut, berichtete die Agentur nach einer Sitzung des Führungsgremiums mit Präsident Xi Jinping. Zudem sollten die Märkte für Devisen, Aktien, Anleihen, Kredite und Immobilien nachhaltig weiterentwickelt sowie die Finanzierungskosten für Unternehmen gesenkt werden. In der Finanz- und Geldpolitik werde der derzeitige Kurs beibehalten.
Chinas Wirtschaft soll nach dem Willen der Führung in diesem Jahr um 6,5 Prozent wachsen. Im ersten Quartal wurden sogar 6,8 Prozent erreicht. Dennoch dürfte die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt nach den USA ihr Wachstumstempo 2018 voraussichtlich wieder drosseln. 2017 lag das Plus bei 6,9 Prozent – die erste Beschleunigung seit sieben Jahren.
Sorgen bereitet Peking insbesondere die Stabilität des Finanzsystems. Viele Firmen und Städte sind sehr hoch verschuldet. Die Kreditvergabe der Banken erreichte 2017 ein Rekordniveau.
Zuletzt hatten sich die Anzeichen für eine Abschwächung der Weltwirtschaft vermehrt. Der „Economic Surprise Indicator“ der US-Großbank Citibank schwenkte zuletzt für China in den negativen Bereich. „Der Grund für die Verkäufe sind Zweifel an der Wachstumshypothese, die seit etwa 2 Jahren in Kraft ist. Dieser Wachstumsschub begann Anfang 2016, nachdem China erfolgreich Sorgen vor einer Wirtschaftsabschwächung bekämpfte. Jetzt sieht es so aus, als ob wir vor einer neuen Unsicherheit stehen, was das Wachstums Chinas anbelangt“, heißt es in einer Stellungnahme der Bank.
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