Clearing-Häuser für Euro-Geschäfte müssen nach dem EU-Ausstieg Großbritanniens dem Europaparlament zufolge nicht unbedingt in einen anderen EU-Staat umziehen. Der Währungsausschuss des Brüsseler Abgeordnetenhauses nahm einen dementsprechenden Gesetzesentwurf am Mittwochabend mit 45 zu 4 Stimmen an. Eine Hintertür ließen die Vertreter allerdings offen: Falls die Aufsichtsbehörde in einem Nicht-Mitgliedsland - hier also die Bank of England nach dem Brexit - nicht ausreichend mit den EU-Überwachern zusammenarbeite, könnte das Clearing für EU-Kunden zwangsweise in die Union verlagert werden. Dafür sollen aber hohe Hürden gelten.
Das Votum des Ausschusses hat Gewicht, da Plenum selbst nicht nochmal gesondert darüber abstimmen wird. Der Entwurf muss die Unterstützung der Mitgliedsstaaten finden. Damit entschärft sich der Clinch um den künftigen Sitz von Euro-Clearing-Häusern. Die EU-Kommission hatte im Juni einen Gesetzentwurf vorgestellt, wonach ihr, der EZB und der Europäischen Finanzmarktaufsicht (ESMA) weitgehende Rechte zugestanden werden, über den Sitz von Clearing-Häusern für Derivategeschäfte in Euro zu entscheiden. Insbesondere sollen sie anordnen können, dass solche Häuser in die EU umziehen müssen, wenn sie als systemrelevant eingestuft werden - also eine Schlüsselrolle für das Finanzsystem spielen.
Das Geschäft mit in Euro ausgegebenen Derivaten wird derzeit zu großen Teilen in London von Anbietern wie der Londoner-Börse-Tochter LCH abgewickelt. Doch nach dem geplanten EU-Ausstieg wird Großbritannien ein sogenanntes Drittland sein. Als solches unterliegt es dann nicht mehr den bisherigen EU-Regeln. Die Kommission wollte sicherstellen, dass Regulierer und Aufseher auch nach einem Brexit noch Zugriffsrechte auf diese Geschäfte haben. Hauptargument war, dass die Behörden sie nur dann richtig kontrollieren können, wenn sie in der EU angesiedelt sind.
Clearing-Häuser stehen im Handel zwischen Käufer und Verkäufer und springen ein, wenn einer der Handelspartner ausfällt. Damit sorgen sie für Transparenz und Sicherheit des Finanzsystems. In London hängen Zehntausende Jobs vom Euro-Clearing-Geschäft ab. Branchenverbände warnen, dass eine Zersplitterung des Euro-Clearing hohe Kosten für die Kunden verursachen würde und die Banken mehrere Milliarden Euro für zusätzliche Sicherheiten beiseitelegen müssten.
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