Panorama

Studie: Sars-CoV-2 stammt vermutlich von Wildtieren

Der Ursprung der Corona-Pandemie ist rätselhaft. Einer weiteren Studie zufolge stammt das Virus wohl von Wildtieren und nicht aus einem Labor. Beweisen lässt sich das nicht - aus einem klaren Grund.
20.09.2024 20:02
Lesezeit: 3 min

Jahrelang hielt die Corona-Pandemie die Welt im Griff - und fast fünf Jahre nach dem Ausbruch ist der Ursprung des Erregers Sars-CoV-2 noch immer nicht zweifelsfrei geklärt. Nun liefert eine Studie weitere Hinweise darauf, dass er ursprünglich von Wildtieren stammt, die auf dem Markt der chinesischen Millionenmetropole Wuhan gehandelt wurden, und dass er nicht aus einem in der Stadt befindlichen Labor entkam.

Das internationale Forschungsteam analysierte mehr als 800 Proben, die das Chinesische Zentrum für Krankheitskontrolle und -prävention (CDC) ab dem 1. Januar 2020 in verschiedenen Arealen des Huanan Seafood Market in Wuhan genommen hatte. In der Umgebung des Marktes, auf dem auch Wildtiere angeboten wurden, waren Ende 2019 die ersten Covid-19-Fälle registriert worden. Kurz vor der Entnahme war der Markt geschlossen worden, sodass die Proben nicht direkt von Tieren stammen, sondern unter anderem von Böden, Oberflächen von Käfigen und Ständen sowie von Abwasserrinnen.

Insbesondere die Proben aus jenem Marktareal, wo Wildtiere gehandelt wurden, enthielten neben dem Erbgut von Tieren auch genetische Rückstände von Sars-CoV-2. Bei den Tieren handelte es sich unter anderem um Marderhunde, Schleichkatzen, Bambusratten und Stachelschweine, wie das Team im Fachblatt „Cell“ schreibt. Insbesondere von Marderhunden ist bekannt, dass sie Coronaviren enthalten können.

„Viele Tierarten wurden von dem Markt entfernt, bevor die chinesischen CDC-Teams kamen, daher haben wir keinen direkten Nachweis dafür, dass die Tiere infiziert waren“, sagt Ko-Autorin Florence Débarre von der Universität Sorbonne in Paris. Allerdings deute die gleichzeitige Präsenz von Tiererbgut und Sars-Cov-2-Rückständen in Proben darauf hin, dass Tiere auf diesem Markt infiziert gewesen seien.

Proben enthielten beide Gründungslinien von Sars-CoV-2

Dafür spricht zudem der Umstand, dass die Proben von dem Markt die beiden frühen Erregerlinien – genannt A und B – enthalten. Das Virus in einigen Proben liege sehr nahe an der rekonstruierbaren Ursprungsdiversität des Virus, kommentiert der Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité, der nicht an der Studie beteiligt war, dieses Resultat. „Außerdem wurden beide Gründungslinien der Pandemie auf dem Markt nachgewiesen.“ Dies sei am besten damit zu erklären, dass der Erreger mehrmals vom Tier auf den Menschen übergesprungen sei.

Allerdings: Einen Beweis für eine Herkunft des Erregers von Wildtieren liefert die Studie nicht – dafür hätte man direkte Proben von gehandelten Tieren benötigt, und die scheint es nicht zu geben. „Eine Häufung von positiven Proben an einem Marktstand, der Tiere verkauft hat, kann sowohl durch infizierte Menschen als auch durch infizierte Tiere erklärt werden“, betont der Experte für Virenevolution Richard Neher von der Universität Basel, der ebenfalls nicht an der Studie beteiligt war. „Der größte Teil der Virus-RNA in den Proben kommt wahrscheinlich von infizierten Menschen. Zu dem Zeitpunkt, als der Markt geschlossen wurde und die ersten Proben gesammelt wurden, waren vermutlich mehr als hundert Menschen auf dem Markt mit Sars-CoV-2 infiziert und haben sehr viel mehr Viren ausgeschieden als eventuell infizierte Tiere.“ Erste Fälle von Covid-19 gab es vermutlich schon im November 2019.

Experte: „Funke an einem Pulverfass“

Dennoch deutet Ko-Autor Michael Worobey von der University of Arizona die Studienresultate als starke Indizien dafür, dass die Pandemie ursprünglich von Wildtieren ausging. Die Studie sei das letzte Stück in einem Puzzle, dessen Bild ohnehin bereits recht deutlich gewesen sei, betont er – und beschreibt das wahrscheinlichste Szenario. „Wildtiere mit Viren mitten in Großstädten mit hoher Bevölkerungsdichte mit Menschen in Kontakt zu bringen, zählt zu den riskantesten Dingen, die man tun kann“, betont er. Zwar habe nicht jedes Virus das Potenzial, eine Pandemie zu verursachen, aber potenziell sei dies, wie „einen Funken an ein Pulverfass2 zu legen.

„Diese neuen Daten sind ein weiterer starker Hinweis darauf, dass die Covid-19-Pandemie mit Sars-CoV-2-infizierten Tieren begann, die südlich von Wuhan gefangen und auf dem Huanan-Tiermarkt gehandelt und geschlachtet wurden“, sagt Friedemann Weber von der Universität Gießen, der ebenfalls nicht an der Studie beteiligt war. „Während des Transports und der Käfighaltung auf dem Markt konnte sich das Virus unter den Tieren ausbreiten und von diesen auf die Menschen des hochfrequentierten Marktes überspringen. Für das alternative Szenario, dass das Virus aus einem Labor entkommen wäre, gibt es keine solche Daten.“

Welche Tierart genau für das Überspringen des Virus auf den Menschen verantwortlich ist, lässt die Studie offen. Besonders wahrscheinlich sei dies für Marderhunde, Schleichkatzen, Bambusratten und Malaiische Stachelschweine, heißt es.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Technologie
Technologie Smart Cities: Fluch oder Segen?
22.12.2025

Smart Cities sind längst keine Zukunftsmusik mehr. In Städten wie Grevenbroich testen Sensoren, Kameras und KI das urbane Leben der...

DWN
Politik
Politik EU-Ukraine-Finanzierung: Milliardenkredit ohne Zugriff auf russisches Vermögen – die Hintergründe
22.12.2025

Die EU sucht nach Wegen, die Ukraine finanziell zu stützen, ohne neue politische Bruchlinien in der Union zu erzeugen. Doch welche Folgen...

DWN
Finanzen
Finanzen DroneShield-Aktie: Drohnenabwehr boomt durch steigende Bedrohungslage
22.12.2025

Die DroneShield-Aktie legt nach starken Zuwächsen weiter zu. Neue Governance-Regeln stärken das Vertrauen der Anleger, während der Markt...

DWN
Politik
Politik Grönland: Trump ernennt Sondergesandten und verschärft den Ton
22.12.2025

Grönland rückt erneut ins strategische Visier Washingtons. Mit der Ernennung eines Sondergesandten sendet US-Präsident Donald Trump ein...

DWN
Politik
Politik Deutschland befindet sich in der größten Rentenkrise seit dem Zweiten Weltkrieg
22.12.2025

Hinter dem Fachkräftemangel wächst eine Rentenlücke, die Deutschlands Wohlstand und Europas Stabilität bedroht. Ein Topökonom warnt...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis auf Rekordhoch: Warum Gold zum Jahresende explodiert
22.12.2025

Gold glänzt wie lange nicht mehr. Der Goldpreis markiert neue Rekorde, während Unsicherheit, Notenbanken und geopolitische Risiken die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft OECD: Aufstieg im Arbeitsmarkt für Zugewanderte besonders schwer
22.12.2025

Der OECD-Migrationsausblick 2025 zeigt, wie groß der Einkommensabstand zwischen Zugewanderten und Einheimischen in Deutschland ausfällt....

DWN
Panorama
Panorama Wirtschaftskrise durchkreuzt Winterurlaubspläne der Deutschen
22.12.2025

Hohe Preise, unsichere Konjunktur und veränderte Prioritäten prägen den Winter. Die Wirtschaftskrise zwingt viele Deutsche zu neuen...