Das türkische Bruttoinlandsprodukt stieg im ersten Quartal im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 7,4 Prozent. Das berichtet das türkische Statistikamt. Der Agrarsektor wuchs um 4,6 Prozent, die Industrie um 8,8 Prozent, der Bausektor um 6,9 Prozent und der Dienstleistungssektor um zehn Prozent. Der private Konsum stieg um elf Prozent, so die Financial Times.
Von Reuters befragte Ökonomen hatten lediglich mit 7,0 Prozent gerechnet. Im vergangenen Jahr war das Schwellenland wegen der guten Entwicklung in Industrie und Baubranche mit 7,4 Prozent so kräftig gewachsen wie seit 2013 nicht mehr. Das prognostizierte Wachstumsziel von 5,5 Prozent für dieses Jahr könne übertroffen werden, erklärte das Wirtschaftsministerium. Allerdings bereitet das Handelsbilanzdefizit der türkischen Regierung große Sorgen. Dieses erreichte im April 5,462 Milliarden US-Dollar.
Das sich ausweitende Defizit und die hohe Inflationsrate haben Befürchtungen unter Ökonomen geschürt, dass die türkische Wirtschaft überhitzt und zunehmend anfällig für externe Schocks ist.
Die türkische Zentralbank hat in diesem Jahr zwei deutliche Zinserhöhungen vorgenommen, um die Wirtschaft und eine fallende Lira zu stabilisieren. Die Währung war am Montag stabil, ist aber in diesem Jahr gegenüber dem US-Dollar um 15,4 Prozent gefallen.
Der Währungsverfall war darauf zurückzuführen, dass die Menge an US-Dollar und Euro auf dem türkischen Kapitalmarkt im Vergleich zur Menge an Türkischer Lira zurückging. Deshalb forderte Erdoğan die Bevölkerung auf, ihre Devisen in Türkische Lira zu tauschen. Ende Mai 2018 kündigten Russland und die Türkei an, einen Gas-Rabatt in Bezug auf die Gaslieferungen Russlands an die Türkei ausgehandelt zu haben. Durch einen rückwirkenden Gaspreis-Rabatt in Höhe von 10,25 Prozent wurde angekündigt, dass die Türkei eine Milliarde US-Dollar zurückbekommt.
Spekulanten-Angriff auf türkische Währung
Forbes berichtet, dass der Währungsverfall in der Türkei auch auf Attacken von Spekulanten zurückzuführen sei. Allerdings unterscheide sich die Türkei von Argentinien. Forbes wörtlich: „Die Situation der Türkei unterscheidet sich erheblich von der Argentiniens. Das Land hält fast dreimal so viele Währungsreserven, während seine Inflationsrate und seine Zinssätze weit unter denen Argentiniens liegen. Dies bedeutet, dass die türkische Notenbank besser in der Lage ist, einen anhaltenden Spekulationsangriff auf die Türkische Lira abzuwehren.”
Die Türkei verfügt über 139,56 Milliarden US-Dollar an Devisenreserven, während dieser Anteil in Argentinien bei 50,77 Milliarden US-Dollar liegt. Die Inflationsrate in der Türkei liegt bei 10,85 Prozent, während sie in Argentinien bei 25,6 Prozent liegt. Der Leitzins liegt in der Türkei bei 17,75 Prozent, während dieser in Argentinien bei 40 Prozent liegt. Nach Angaben von Forbes wird sich die Türkei offenbar nicht um Kredite vom IWF bemühen, wie dies in Argentinien der Fall gewesen ist.
Erdoğan hatte zuvor gesagt, dass die türkische Wirtschaft von „Devisenspekulanten attackiert”, werde. „Sie versuchen, unsere Wirtschaft durch Devisenspekulation zu zerstören. Gibt es keine Probleme mit unserer Wirtschaft? Ja, es gibt sie. Aber unsere Regierung hat die erforderlichen Maßnahmen ergriffen und wird dies auch weiterhin tun”, zitiert der englischsprachige Dienst der Hürriyet Erdoğan.
Eurasia Future, ein Magazin, das insbesondere das Projekt der Neuen Seidenstraße unterstützt, berichtet: „In Wirklichkeit folgt die türkische Wirtschaft einem klassischen keynesianischen Modell, bei dem die Inflation mit einem raschen Wirtschaftswachstum, hoher Beschäftigung und höheren Löhnen einhergeht. Die einzige Gefahr besteht darin, dass diese gesunde keynesianische Inflation zu einer ,Stagflation’ wird. Die Stagflation ist das erste Phänomen, das in den späten 1960er und frühen 1970er Jahren beobachtet wurde, als die großen westlichen Volkswirtschaften internationalen Preiserhöhungen zum Opfer fielen, die in Kombination mit einem schwachen Wirtschaftswachstum im Inland eine Kombination aus wirtschaftlicher Stagnation und schneller Inflation nach sich zogen. Selbst wenn die heutigen Energiepreise aufgrund künstlicher Preiskontrollen durch die OPEV und wilden Spekulationen auf den Energiemärkten aufgrund einer angeblich unbeständigen politischen Situation im Nahen Osten aufgebläht werden, (...) ist die Situation in der Türkei nicht nur positiv, (...) sondern ist auch gesünder als die Hauptwirtschaften in Europa (...). Daher besteht für die Türkei wenig Grund zur Panik, solange das Wirtschaftswachstum aufrechterhalten werden kann. Darüber hinaus ist eine schwache Lira eigentlich eine Bereicherung für Investitionen, denn sie bedeutet, dass diejenigen, die Geld in die türkische Wirtschaft investieren, ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis erzielen können, wenn die Lira schließlich anzieht, was sie mittelfristig zweifellos tun wird.”
Nachdem er die jüngste Schwäche der türkischen Währung als Komplott äußerer Mächte zur Zerstörung der Wirtschaft anprangerte, forderte Erdoğan die türkischen Bürger immer wieder dazu auf, Dollar unter ihrer Matratze in Lira oder Gold umzuwandeln, während sie Unternehmen dazu drängte, mehr Transaktionen in der lokalen Währung durchzuführen.”
Market Watch berichtete bereits im Jahr 2016, dass sich die türkische Notenbank weltweit „an vorderster Front im Kampf gegen Hedgefonds und andere Spekulanten” befindet. Dem Devisenexperten der Rabobank, Piotr Matys, zufolge sei es verständlich, dass Erdoğan eine Niedrigzins-Politik unterstütze. Die Notenbanken der Schwellenländer müssten nämlich „sensibler sein, weil spekulative Kapitalströme zu wirtschaftlichen Ungleichgewichten führen und das Risiko für die Finanzstabilität erhöhen können”, so Matys. Höhere Zinssätze machen eine Währung für ausländische Spekulanten attraktiver, da sie dadurch eine höhere Rendite erzielen und das Geld anschließend aus dem Land abziehen können. Market Watch führt aus: „Dies war in der Vergangenheit ein großes Problem für die Türkei. Nach der Finanzkrise 2008 und den darauf folgenden massiven geldpolitischen Lockerungsmaßnahmen lockten die vergleichsweise hohen Zinsen der Türkei eine Welle von Spekulanten in die Lira. Die Währung verstärkte sich schlagartig und hinterließ eine destabilisierende Inflation, als die Gewinne abnahmen.”
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