Der unionsinterne Streit über die Flüchtlingspolitik soll nach dem Willen von CSU-Chef Horst Seehofer weder die Regierungskoalition sprengen noch die Kanzlerin stürzen. Der Bundesinnenminister sagte "Bild am Sonntag" laut Vorabbericht: "Niemand in der CSU hat Interesse, die Kanzlerin zu stürzen, die CDU/CSU-Fraktionsgemeinschaft aufzulösen oder die Koalition zu sprengen. Wir wollen endlich eine zukunftsfähige Lösung für die Zurückweisung von Flüchtlingen an unseren Grenzen."
In einem anderem Bericht heißt es allerdings, Seehofer habe massive Zweifel an Merkel geäußert: "Ich kann mit der Frau nicht mehr arbeiten", soll Seehofer laut Welt in einer Runde der CSU-Regierungsmitglieder mit dem Landesgruppenvorsitzenden Alexander Dobrindt am Donnerstagmorgen in Berlin gesagt haben.
Laut dem Bericht sagte Seehofer den Satz in dieser Runde Teilnehmerangaben zufolge gleich zweimal. In der anschließenden Sitzung aller CSU-Abgeordneten wiederholte Seehofer ihn demnach aber nicht.
In der Sache will die CSU offenbar nicht einlenken.
Der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt, dringt auf schnelle Zurückweisungen. "Dabei können wir nicht nur weiter auf eine europäische Lösung warten, sondern müssen wieder bestehendes europäisches und deutsches Recht anwenden. Dazu gehören auch Zurückweisungen an der deutschen Grenze," forderte er.
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) geht davon aus, dass die Asylpläne von Innenminister Horst Seehofer mit den Zurückweisungen von Migranten an deutschen Grenzen Anfang kommender Woche in Kraft tritt. "So habe ich das verstanden", sagte Scheuer der "Welt am Sonntag" laut Vorabbericht auf die Frage, ob Seehofer sein Konzept Anfang kommender Woche vorstellen und umsetzen werde. Der CSU gehe es nicht darum, ein Ende der gemeinsamen Unionsfraktion im Bundestag oder der Regierungskoalition zu provozieren. "Wir wollen keinen Bruch, wir wollen eine Einigung."
Die CSU wolle Einigkeit innerhalb der Union, aber sie wolle auch "Haltung und Handlung". Es müsse in Ordnung gebracht werden, was seit Jahren nicht richtig laufe, sagte er mit Blick auf die Flüchtlingspolitik. Die CSU reagiere mit dem sogenannten Masterplan auf die Stimmung in der Bevölkerung. Mit dem Landtagswahlkampf in Bayern habe der Streit nichts zu tun.
Von einem deutschen Alleingang könne keine Rede sein, sagte Scheuer weiter. Schließlich nehme Deutschland mehr Flüchtlinge als alle anderen EU-Mitgliedstaaten zusammen auf. "Wir sind gerecht, humanitär, christlich. Aber Deutschland kann das Flüchtlingsproblem nicht allein schultern." Deutschland bleibe daher keine Alternative zu Zurückweisungen. "Die Staatsgewalt muss das Staatsvolk und das Staatsgebiet schützen." Geltende Rechtslage in der EU sei: "Wenn unsere Behörden feststellen, dass eine Person bereits in einem anderen EU-Land registriert ist, dann müssen unsere Nachbarländer diesen Menschen wieder aufnehmen."
Zwei ihrer CDU-Stellvertreter stützen den Kurs der Vorsitzenden Angela Merkel in der Auseinandersetzung mit der CSU. Armin Laschet, zugleich Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, sagte der FAZ, man habe schon viele Zugeständnisse gemacht und könne viele Kompromisse schließen. "Aber der europäische Geist gehört zur Seele der CDU. Die werden wir nicht verkaufen." Laschet berief sich auf die Granden beider Unionsparteien: "Ein Bruch mit der Tradition von Helmut Kohl, Franz Josef Strauß und Theo Waigel ist mit uns nicht zu machen."
Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier sagte dem Blatt: "Der Vorschlag von Angela Merkel ist vernünftig, und diese zwei Wochen zu nutzen, ist für niemanden eine Zumutung. Glaubt jemand, dass in Deutschland etwas besser wird, dass wir deutsche Interessen in Europa und in der Welt besser durchsetzen, wenn die Einheit der Union zerschlagen wird?" Er glaube das nicht. Diese Einheit sei die Grundlage einer stabilen Regierung in Deutschland und für die Handlungsfähigkeit in Europa. "Blickt man in die Welt, brauchen wir zwingend diese Handlungsfähigkeit", so Bouffier.
Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) Bundesinnenminister rief Seehofer zum Kompromiss auf. "Ich appelliere an den Bundesinnenminister, in dieser Frage zurückzurudern", sagte Hans der Rheinischen Post. Seehofer solle sich mit Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel zusammenzusetzen, damit die Union eine gemeinsame Lösung finde. Durch den Asylstreit steht die Union vor einer Zerreißprobe, es mehren sich die Warnungen vor einem folgenschweren Bruch der Fraktionsgemeinschaft im Bundestag.
Hans sagte, Seehofer sei mit dem 63 Punkte umfassenden Masterplan Migration auf einem guten Weg. "Warum jetzt an einer einzigen Frage, den Zurückweisungen, ein solch zentraler Streit festgemacht wird, das wird man den Wählern nicht vermitteln können." Hans' Einschätzung zufolge geht es in dem Streit nicht um die Zurückweisungen selbst, sondern nur darum, ob es jetzt sofort losgehe, wie es die CSU wolle, oder ob es geordnet im Rahmen einer europäischen Lösung ablaufe, wie es die CDU wolle. Der saarländische Ministerpräsident plädierte dafür, Merkel für den EU-Gipfel Ende Juni eine gute Verhandlungsposition mitzugeben. "Wenn man dagegen mit geschaffenen Tatsachen in solche Gespräche geht, ist die Verhandlungsposition eine schlechte."
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