Die EU-Kommission erhöht im Streit über die Rechtsstaatlichkeit in Polen mit einem Vertragsverletzungsverfahren den Druck auf die polnische Regierung. Die Brüsseler Behörde habe den Schritt unternommen, um die Unabhängigkeit des Obersten Gerichts in Polen zu wahren, teilte die EU-Kommission am Montag in Brüssel mit. Wegen eines neuen Gesetzes über die Senkungen des Rentenalters am Obersten Gericht auf 65 Jahre drohe 27 von 72 Richtern dort die Pensionierung. Die polnische Regierung habe nun einen Monat Zeit für eine Antwort. Gleichzeitig sei man bereit, den laufenden Rechtsstaatlichkeits-Dialog fortzuführen.
Die Regierungspartei PiS in Polen änderte seit ihrem Amtsantritt 2015 viele Gesetze mit der Begründung, diese stammten noch aus der Zeit des Kommunismus. Im Streit um die Reform des Obersten Gerichts sei man im Recht, sagte der polnische Außenminister Jacek Czaputowicz. "Das Gesetz ist bindend und wir planen keinerlei Änderungen."
Wegen der umstrittenen Justizreform hatte die EU-Kommission Ende 2017 ein Verfahren gegen Polen wegen möglicher Verletzung der demokratischen Grundwerte eingeleitet, das zu einem Entzug von Stimmrechten führen kann. Sie gibt als Grund an, dass die Regierung in Warschau mit der Reform die Unabhängigkeit der Justiz von staatlichen Weisungen und damit das Prinzip der Gewaltenteilung untergräbt. Zudem wird in Brüssel geprüft, die Auszahlung von europäischen Fördermitteln an die Selbstständigkeit der Richter in einem Land zu koppeln. Polen bezieht unter dem Strich mehr EU-Fördermittel als jedes andere EU-Land.