Großbritannien kann mit dem ersten Reaktor-Neubau seit rund zwei Jahrzehnten fortfahren. Das Gericht der Europäischen Union (EuG) wies am Donnerstag eine Klage Österreichs gegen die staatlichen Beihilfen für das geplante Akw Hinkley Point ab und bestätigte damit die Genehmigung der Subventionen durch die EU. Wettbewerber aus der alternativen Energie fordern nun eine Anpassung der EU-Grundlagen für die Atomförderung. (Az. T-356/15)
Hinkley Point soll vom französischen Staatskonzern EDF zusammen mit einem chinesischen Unternehmen gebaut werden und 2025 ans Netz gehen. Das Akw soll sieben Prozent des britischen Strombedarfs abdecken. EDF erhielt von der britischen Regierung eine Strompreisgarantie für 35 Jahre nach Inbetriebnahme.
Österreich wollte erreichen, dass das EU-Gericht die Genehmigung der Beihilfen durch die Kommission im Jahr 2014 für nichtig erklärt. Luxemburg unterstützte die Klage - an die Seite der Kommission stellten sich neben Großbritannien auch Tschechien, Frankreich, Ungarn, Polen, Rumänien und die Slowakei.
Das EU-Gericht bestätigte nun die Annahme der EU-Kommission, dass Großbritannien die Entwicklung der Atomenergie als ein Ziel von gemeinsamen Interessen definieren könne. Ein solches Ziel müsse nicht unbedingt im Interesse aller Mitgliedsstaaten oder einer Mehrheit der Staaten liegen. Jedes Land habe das Recht, zwischen verschiedenen Energiequellen zu wählen.
Großbritannien könne seinen Energiemix bestimmen und darin die Kernenergie als eine Energiequelle beibehalten, erklärte das Gericht. Es wies zudem darauf hin, dass die Technologie des geplanten Meilers fortschrittlicher sei als diejenige der Atomkraftwerke, die ersetzt werden sollten. Die Entscheidung in erster Instanz kann noch vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) angegriffen werden.
Klagen von deutschen und österreichischen Stromversorgern gegen die Subventionen für das Atomkraftwerk waren vom EU-Gericht bereits im Jahr 2016 als unzulässig abgewiesen worden. Das Gericht sah unter anderem den Ökostromanbieter Greenpeace Energy nicht als klagebefugt an.
Der Chef von Greenpeace Energy, Sönke Tangermann, nannte das Urteil einen "Weckruf", endlich die juristischen Grundlagen für die Förderung von Atomprojekten zu ändern. Die EU-Kommission und die britische Regierung hätten sich hinter "den verstaubten Paragrafen des Euratom-Vertrages von 1957 verschanzt". Euratom gewähre atomfreundlichen Regierungen freie Hand bei der Förderung der "Risikotechnologie". Tatsächlich hält der Euratom-Vertrag die Verpflichtung aller Staaten fest, die Kernenergie zu fördern. Die freie Entscheidung, auf Kernengerie zu setzen, steht über dem EU-Beihilferecht.
Die Grünen-Politikerin Sylvia Kotting-Uhl, Vorsitzende des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, erklärte, das Urteil sei "ein schwarzer für Tag für die Energiewende in Europa". Atomwillige Länder könnten nun nachziehen und sich auf "wohlwollende Entscheidungen für horrende und völlig absurde Akw-Beihilfen verlassen". Die erneuerbaren Energien gerieten durch dieses Urteil ins Hintertreffen.
Das Urteil dürfte vor allem Osteuropa weitreichende Folgen haben: Im ungarischen Paks und im tschechischen Dukovany sollen bereits bestehende Meiler ausgebaut werden.