Politik

Streit mit der EU: Spekulanten nehmen Italien ins Visier

Lesezeit: 2 min
19.10.2018 14:47
Die Spekulanten haben Italien ins Visier genommen. Italien-Bonds rentieren am Freitag deutlich höher.
Streit mit der EU: Spekulanten nehmen Italien ins Visier

Am Freitag lag der Risikoaufschlag für die zehnjährigen italienischen Staatsanleihen zu vergleichbaren Bundestiteln mit 336,4 Basispunkten so hoch wie zuletzt während der europäischen Schuldenkrise 2012. Die Verzinsung der italienischen Anleihen kletterte auf 3,78 Prozent und damit den höchsten Stand seit viereinhalb Jahren. Die Börse in Mailand büßte 1,7 Prozent ein. Zu den Verlierern zählten insbesondere die Aktien von Banken. Sie haben zahlreiche Staatsanleihen in den Bilanzen. Der italienische Bankenverband äußerte sich besorgt über den Haushaltsstreit und warnte vor schädlichen Folgen für die Finanzen von Staat, Firmen und Bürgern.

Nach dem Warnbrief aus Brüssel gerät Italien im Haushaltsstreit laut Reuters "zunehmend unter Druck". Aus dem Kreis der EU-Partner kam am Freitag der deutliche Aufruf, der Regierung in Rom Verstöße gegen die europäischen Vorgaben nicht durchgehen zu lassen. An den Finanzmärkten wuchsen die Sorgen, dass sich der Konflikt zu einer neuen Schuldenkrise ausweiten könnte. In Rom spitzte sich unterdessen ein Zwist der Regierungsparteien Lega und 5-Sterne-Bewegung über eine Steueramnestie zu.

Österreich, das derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat, forderte die EU-Kommission zu einer klaren Haltung gegenüber Italien auf. Kanzler Sebastian Kurz sagte, das Land bringe sich selbst und andere in Gefahr, wenn es gegen die europäischen Budgetvorgaben verstoße. Finanzminister Hartwig Löger mahnte: "Wir brauchen hier Disziplin und Konsequenz." EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici hatte der Regierung in Rom am Donnerstag einen Brief geschickt, in dem ihr gravierende Verstöße gegen EU-Regeln vorgeworfen werden. Stein des Anstoßes ist der Haushaltsentwurf für kommendes Jahr. Zur Finanzierung kostspieliger sozialpolitischer Wahlversprechen plant die populistische Koalition eine deutlich höhere Neuverschuldung als von der Vorgängerregierung in Aussicht gestellt.

Italien hat nun bis Montag Zeit, um auf die Brüsseler Bedenken zu antworten. Wenn die Regierung ihren Entwurf nicht ändert, könnte die EU-Kommission diesen eine Woche später (29. Oktober) zurückweisen. Es wäre das erste Mal, dass sie diesen Weg geht, seitdem sie diese Befugnisse 2013 erhalten hat. Dies könnte zusätzliche Unruhe an den Finanzmärkten auslösen.

Deutsche-Bank-Analyst Jim Reid bezeichnete das Warnschreiben der EU-Kommission als ungewöhnlich scharf. "Nächste Woche werden die Dinge bei diesen Spannungen wahrscheinlich weiter eskalieren", prognostizierte er. Von der Ratssitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag könne die italienische Regierung keine Sympathiebekundungen erwarten. Am Geldmarkt gehen die Anleger inzwischen davon aus, dass die erste EZB-Zinsanhebung seit Jahren später kommen wird als bislang erwartet, nämlich erst im Oktober 2019.

Außerdem steht die Kreditwürdigkeit Italiens auf der Kippe. Die Ratingagentur S&P überprüft ihre Bonitätsnote am kommenden Freitag. Die Kollegen von Moody's haben dies ebenfalls bis Ende Oktober in Aussicht gestellt. Im Falle einer Herabstufung wäre Italien nur noch einen Schritt vom Abgrund des sogenannten "Ramsch"-Status entfernt. Sollte das Land dort hineinstürzen, dürften viele Investoren ihr Geld nicht mehr in italienische Staatsanleihen stecken.

Die Regierung in Rom wird derzeit zudem von einem internen Streit erschüttert. Dieser dreht sich um Pläne für eine Steueramnestie, die etwa acht Milliarden Euro in die Staatskasse spülen sollen. Bürger sollen gegen Zahlung einer begrenzten Summe ihren Streit mit dem Fiskus beilegen können. Das Projekt ist Teil des umstrittenen Haushaltsentwurfs. Nach Worten von 5-Sterne-Chef Luigi Di Maio wurde der Passus zu diesem Vorhaben nach Zustimmung seiner Partei im Kabinett manipuliert. Sein Lega-Kollege Matteo Salvini bestritt, dass es eine Regierungskrise gebe. Zugleich rief er den Koalitionspartner zur Beilegung des Streits auf. "Wir haben genug äußere Feinde."

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