Politik

Italien: EU soll Trump folgen und mehr Schulden machen

Italien zieht im Streit mit der EU um ein höheres Defizit nicht zurück, sondern sieht sich als Modell-Fall für ganz Europa.
05.11.2018 23:15
Lesezeit: 2 min

Im Haushaltsstreit zwischen der EU-Kommission und Italien ist keine Lösung in Sicht. Die Finanzminister der Eurozone unterstützten am Montag die Forderung Brüssels nach einem überarbeiteten Budgetentwurf, wie Eurogruppen-Chef Mário Centeno sagte. EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici betonte, es werde in der Frage keinen "Deal" mit Rom geben. "Das sind keine Verhandlungen. Die Regeln sind die Regeln und müssen respektiert werden." Rom lehnte seinerseits Änderungen am Haushalt weiter ab.

Der stellvertretende italienische Ministerpräsident Luigi Di Maio glaubt, dass Roms umstrittene Ausgabenpläne zu einem "Rezept" für die Wiederbelebung des europäischen Wachstums werden: Di Maio sagte der FT; dass der Kontinent bereit sein sollte, die Austeritätspolitik aufzugeben und den Ansatz des US-Präsidenten Donald Trump zu akzeptieren. Trump hat seine Steuersenkungen mit einer massiven Steigerung des Defizits finanziert.

Di Maio sagte, er glaube, der Dialog mit Brüssel würde den Kampf um den Haushalt Roms vor den Europawahlen im nächsten Jahr lösen, was die Wahlunterstützung für die Sparpolitik als erschöpft erachten würde . "Wenn das Rezept hier funktioniert, wird man sich auf europäischer Ebene sagen: Wir sollten das Rezept Italiens auf alle anderen Länder anwenden."

Die seit Juni amtierende italienische Regierung aus Fünf-Sterne-Bewegung und der Lega hat im Wahlkampf versprochen, die Sparpolitik zu beenden. Ihr Haushaltsentwurf für 2019 sieht ein Defizit von 2,4 Prozent der Wirtschaftsleistung vor - drei Mal mehr als von Brüssel mit der Vorgängerregierung vereinbart.

Die EU-Kommission hatte deshalb im Oktober im Falle Italiens erstmals überhaupt den Haushaltsentwurf eines Mitgliedsstaates zurückgewiesen. Sie sieht in dem Budget für 2019 einen "besonders schwerwiegenden Verstoß" gegen EU-Regeln. Brüssel verweist dabei auch auf die hohe Gesamtverschuldung Italiens von 131 Prozent der Wirtschaftsleistung, die nur noch durch den langjährigen Krisenstaat Griechenland übertroffen wird.

Italien hat noch bis zum 13. November Zeit, um einen nachgebesserten Haushaltsentwurf vorzulegen. Ansonsten droht der drittgrößten Volkswirtschaft der Eurozone die Eröffnung eines Defizitverfahrens. Dieses kann zu Bußgeldern von bis zu 0,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) führen, was im Falle Italiens bis zu 3,4 Milliarden Euro wären. Auch die Kürzung von EU-Hilfen ist möglich.

"Die Minister haben die Bewertung der Kommission unterstützt", sagte Centeno. Sie hätten "Italien aufgefordert, mit der Kommission bei der Vorbereitung eines überarbeiteten Haushalts eng zusammenzuarbeiten, der unsere Haushaltsregeln einhält." In einer Erklärung hieß es, "der Fokus auf ausreichende Schuldenreduzierung" sei "integraler Bestandteil" des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes.

Er habe seinen Kollegen den Haushalt und "die Strategie" seiner Regierung erläutert, sagte Italiens Finanzminister Giovanni Tria. Er hoffe, dass dies zu einem besseren Verständnis beigetragen habe. Seine Regierung wolle den Haushalt aber nicht verändern.

Das Budget sei notwendig, um Italiens "Wachstum zu beschleunigen, um Schulden verringern zu können", sagte ein italienischer Regierungsvertreter. Rom sehe sich dabei nicht als "Bedrohung für den Euro und die Gültigkeit der Regeln".

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) lobte die EU-Kommission für "ein sehr kluges Vorgehen". Ein Land mit ohnehin hoher Gesamtverschuldung müsse "viel vorsichtiger" bei der Haushaltsplanung sein als Länder mit geringer Verschuldung, sagte er vor dem Treffen.

Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire setzte weiter auf einen "Dialog" zwischen der Kommission und Italien. "Ich hoffe sehr, dass Italien die ausgestreckte Hand der Europäischen Kommission ergreift", sagte er.

Gemeinsam mit ihren EU-Kollegen berieten die Minister der Eurozone am Abend auch über die Reform der Währungsunion, die bis Dezember zu Ergebnissen führen soll. Dabei geht es um die Stärkung des Euro-Rettungsfonds ESM und ein finanzielles Sicherheitsnetz für Bankenkrisen. Die Vorhaben kommen aber seit Monaten kaum voran. Eurogruppen-Chef Centeno kündigte deshalb nun für den 19. November ein Sondertreffen der Eurogruppe zu dem Thema an.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Politik
Politik Warum sprechen diese Woche alle über Trumps „Big Beautiful Bill“?
01.07.2025

Es ist Trumps größtes Prestigeprojekt. Doch welche Vor- und Nachteile hat das Gesetzespaket, das am Freitag unterschriftsreif auf dem...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kernenergie-Aktien explodieren um 542 Prozent: Anleger warnen vor Blasenbildung
01.07.2025

Kernenergie-Aktien feiern ein spektakuläres Comeback – befeuert durch den steigenden Strombedarf für Rechenzentren. Die Branche erlebt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Svenska Digitaltolk: Dolmetscher-Gigant kauft KI-Unternehmen – Millionenumsatz prognostiziert
01.07.2025

Schwedens Dolmetscher-Gigant will Europas Übersetzungsmarkt aufrollen – mit KI, Millionenplänen und dem Griff nach Deutschland. Doch...

DWN
Politik
Politik Grenze zu – zumindest teilweise: Polen kontrolliert ab Montag
01.07.2025

Polen wird ab kommendem Montag vorübergehend wieder Grenzkontrollen an der Grenze zu Deutschland einführen. Das kündigte...

DWN
Politik
Politik Krankenkassen schlagen Alarm: Zusatzbeiträge könnten deutlich steigen
01.07.2025

Die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) warnen vor Druck zu neuen Beitragserhöhungen ohne eine rasche Bremse für steigende Kosten....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Thyssenkrupp-Umbau betrifft Tausende – Betriebsräte fordern Klarheit
01.07.2025

Angesichts weitreichender Umbaupläne bei Thyssenkrupp fordern die Beschäftigten klare Zusagen zur Zukunftssicherung. Betriebsräte pochen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Neues Werk für NATO-Kampfjet: Rheinmetall startet Produktion in NRW
01.07.2025

Der Rüstungskonzern Rheinmetall hat in Weeze (Nordrhein-Westfalen) eine hochmoderne Fertigungsanlage für Bauteile des Tarnkappenbombers...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Investitionsstau: Kaputte Straßen, marode Schulen – Kommunen am Limit
01.07.2025

Viele Städte und Gemeinden stehen finanziell mit dem Rücken zur Wand: Allein die Instandhaltung von Straßen, Schulen und...