Bei heftigen Gefechten zwischen islamistischen Milizen und Söldnern der Türkei sind im Nordwesten Syriens unbestätigten Berichten zufolge mindestens 100 Kämpfer und Zivilisten getötet worden. Die seit Dienstag andauernden Kämpfe zwischen der al-Nusra-Front – heute offiziell Hajat Tahrir al-Scham (HTS) – und der von der Türkei unterstützten Nationalen Befreiungsfront hätten sich am Donnerstag von der Provinz Aleppo auf die angrenzenden Provinzen Hama und Idlib ausgeweitet, zitiert AFP die in London ansässige und aus einer Person bestehenden sogenannte „Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte.“
In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag haben zudem extremistische Söldner die Städte Zahabiya in Aleppo und Rasha in der syrischen Provinz Latakia angegriffen. Die staatliche russische Nachrichtenagentur TASS zitiert das russische Verteidigungsministerium aus einer Mitteilung: "Obwohl das Waffenstillstandsregime im ganzen Land etabliert ist, gibt es immer noch Fälle von Verstößen durch illegale bewaffnete Formationen. In den vergangenen Tagen haben militante Kämpfer Zahabiya in der Provinz Aleppo und Rasha in der Provinz Latakia. Beide Städte befinden sich in der Deeskalationszone von Idlib".
Am Donnerstag übernahm die al-Nusra-Front zudem das Gebiet Jabal Shahshabo im Südwesten der Provinz Idlib. Auch die Städte Ourembe, Tarmalah, Al Faqi und Sfouhan sollen eingenommen worden sein.
Am Mittwoch hatten HTS-Söldner pro-türkische Söldner im Norden der Provinz Idlib angegriffen. Dieser Angriff erfolgte ebenfalls in der Deeskalationszone, die von der Türkei und Russland um die Provinz Idlib errichtet wurde. Bei den Kämpfe sollen mittlerweile 50 Personen ums Leben gekommen sein. Nach Informationen der Zeitung Sabah soll HTS mittlerweile den Berg Scheikh Barakat und die Region Darat Izza eingenommen haben. RFS Media, die als Nachrichtenagentur der Freien Syrischen Armee (FSA) fungiert, meldet, dass HTS in Darat Izza vier Zivilisten getötet hat. Im Gegenzug soll die FSA eine Reihe von militärischen Geräten von HTS zerstört haben. Über die Einnahme von Darat Izza durch HTS machte RFS Media keine Angaben.
Die plötzlichen Angriffe von HTS erfolgten, nachdem sich der russische Präsident Wladimir Putin und sein türkischer Amtskollege Recep Tayyip Erdoğan darauf geeinigt hatten, sich bei künftigen Operationen östlich des Euphrats abzustimmen. Östlich des Euphrats befinden sich Kurden-Milizen der PKK/PYD, französische Truppen und US-Truppen.
Die aktuellen Offensiven von HTS im Norden und Südwesten der Provinz Idlib führen dazu, dass die international als Terrororganisation eingestufte Miliz ihren Territorialen Einfluss in Idlib erweitert.
Am Mittwoch erfolgten auch Angriffe gegen Stellungen der syrischen arabischen Armee (SAA) im Grenzgebiet der Provinzen Idlib und Hama. Diese konnten von der SAA vereitelt werden, meldet die staatliche syrische Nachrichtenagentur SANA. Die in der nordwestlichen Landschaft der christlich-arabischen Stadt Mhardeh stationierten SAA-Einheiten konzentrierten ihre Raketenangriffe auf die Dörfer Tal al-Sakher, al-Janabra und al-Jariye, wo sich Stellungen von HTS, der Al-Izza-Brigaden und der Islamischen Partei Turkestan (TIP) befinden. Die Infiltrationsversuche der Söldner erfolgten von der Stadt al-Boweida aus in Richtung Nord-Hama.