Luxemburg war in den vergangenen Jahrzehnten ein attraktiver Finanzplatz für viele international agierende Unternehmen: Als etwa der Chef von Bain-Capital, Mitt Romney, die italienische, staatliche Gelbe-Seiten-Firma Pagine Gialle übernahm und mit immensem Gewinn verkaufte, lief der Millionen-Deal steuerschonend über Luxemburg – unter der wohlwollenden Mitwirkung des damals im italienischen Finanzministeriums zuständigen Mario Draghi.
Nun will Draghi als Vorsitzender der EZB nicht mehr, dass Gelder an den zentralen europäischen Schaltstellen vorbeigeschleust werden können. Denn die Zeiten sind härter geworden – und die Euro-Staaten brauchen jeden Cent, um ihrem Schuldendienst nachzukommen.
Daher sollte Luxemburg überzeugt werden, vertrauliche Informationen von Geschäftskonten internationaler Konzerne an die US- und EU-Behörden weiterzugeben. Das Land musste sich dem starken internationalen Druck beugen.
Jean-Claude Juncker hatte im Amt des luxemburgischen Premierministers angekündigt, sein Land werde das Bankgeheimnis für Einzelpersonen ab 2015 aufweichen. Der luxemburgische Finanzminister Luc Frieden fügte hinzu, sein Land werde die Vereinbarungen zum Informationsaustausch mit den USA und der EU auch auf die Konten internationaler Konzerne ausweiten, berichtet die FT.
Der Bankensektor des Großherzogtums hat Assets in Höhe von fast 3 Billionen Euro. Das ist 22-mal so viel wie das luxemburgische BIP. Neben globalen Fonds sind auch große Konzerne wie Amazon und Skype in Luxemburg aktiv. Für sie gilt das Bankgeheimnis nicht mehr.
Der internationale Druck auf Luxemburg hatte sich ab dem Jahr 2013 massiv erhöht. Das Land ist wiederholt etwa von der Euro-Gruppe als Steueroase gebrandmarkt worden. Dennoch sagt Frieden, dass das alte System effizienter gewesen sei. Luxemburg zog zuvor die Steuern von Konten ausländischer Bürger ein und überwies das Geld an die jeweiligen Staaten. Dieses System war nicht nur unkomplizierter, es sicherte auch das Bankgeheimnis.
Die veröffentlichten Daten von EU-Bürgern, die ihr Geld in Steueroasen angelegt haben, spielte der EU in die Hände. Die EU kann nun auch auf diesem Gebiet ihre Macht weiter ausbauen und die Kontrolle über die digitale Geldwirtschaft ausweiten.
Steuerskandal im Jahr 2014
Im Jahr 2014 berichtete die Süddeutsche Zeitung, dass internationale Konzerne Presseinformationen zufolge mit Unterstützung der Luxemburger Regierung Steuerzahlungen in Milliardenhöhe vermeiden. Dem Vorwurf zufolge sollen Luxemburger Behörden zum Teil äußerst komplizierte Finanzstrukturen genehmigt haben, die das Beratungsunternehmen PricewaterhouseCoopers (PwC) im Auftrag der Firmen entwickelt habe. Manche Firmen hätten aufgrund dieser Steuergestaltungen auf Gewinne teilweise weniger als ein Prozent Steuern gezahlt.
Die Unternehmensberatung PwC erklärte damals, sie handelt „in Übereinstimmung mit lokalen, europäischen und internationalen Steuergesetzen“. Die Unterlagen, auf die sich die Süddeutsche Zeitung berief, stammen dem Bericht zufolge vorwiegend aus den Jahren 2008 bis 2010 und fallen damit in die Amtszeit des damaligen luxemburgischen Premiers Jean-Claude Juncker.
Der deutsche Bundestagsabgeordnete Fabio De Masi sagte bereits 2015 im Gespräch mit den Deutschen Wirtschaftsnachrichten: „Luxemburg versucht sein Imageproblem zu bekämpfen. Etwa, indem sie sich bei den sogenannten Transferpreisen – über die Konzerne unternehmensintern Gewinne und Verluste hin- und herschieben – stärker an OECD-Standards ausrichten oder das Bankgeheimnis geschwächt wurde. Das Problem ist aber, dass auch die OECD-Standards nicht greifen, weil es etwa für den Bereich des eCommerce bei Amazon oder Google kaum marktübliche Preise gibt. Das sind ja quasi Monopolisten. Außerdem haben die Finanzbehörden gar nicht das Personal und die Ressourcen, den Konzernen die Stirn zu bieten. Das ist auch nicht gewünscht. Zudem plant Luxemburg schon wieder neue Steuertricks wie eine Familienstiftung für internationale Superreiche, damit diese sich Erbschaftsteuern entziehen oder Geld waschen können.”
Besonders hart geht De Masi mit dem aktuellen EU-Kommissionspräsidenten Juncker ins Gericht: „Er war der Pate des Luxemburger Kartells. Er war dort auch Finanzminister. Würden Sie Don Corleone mit der Verbrechensbekämpfung betrauen? Ich nicht.”
Juncker kam glimpflich davon
Allerdings blieben die Anschuldigungen gegen Juncker folgenlos. Im EU-Parlament ist die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses zur Aufklärung von Steuerdeals zwischen EU-Staaten und Konzernen 2015 am Widerstand der großen Fraktionen gescheitert. Stattdessen vereinbarten die Fraktionsvorsitzenden, dass ein „Sonderausschuss“ prüfen soll, inwieweit Länder wie Luxemburg Steuervermeidung fördern. Im Gegensatz zum Untersuchungsausschuss hat dieses Sondergremium weniger Befugnisse. Der Juristische Dienst des EU-Parlaments hatte rechtliche Bedenken gegen einen Untersuchungsausschuss geäußert.
Die Vorsitzende der Grünen im EU-Parlament, Rebecca Harms, bezeichnete es dennoch als unverständlich, warum die Fraktionsvorsitzenden eine Untersuchung mit weitreichenden Möglichkeiten abgelehnt hätten. Der Vorsitzende der EVP-Fraktion, Manfred Weber (CSU), verteidigte die Entscheidung dagegen: „Der neue Ausschuss soll Transparenz in den Steuerregelungen schaffen und Vorschläge machen, wie mehr Steuergerechtigkeit durchgesetzt und Steuervermeidung in der EU begegnet werden kann.“
Der Untersuchungsausschuss war auch deshalb umstritten, weil dadurch womöglich EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker unter Druck geraten wäre, in dessen Amtszeit als Ministerpräsident Luxemburgs viele Steuervereinbarungen des Großherzogtums mit Konzernen fielen. EVP und Sozialdemokraten haben Juncker zu dessen Amtsantritt ihre Unterstützung im EU-Parlament zugesagt.
Vor der Entscheidung hatte ein EU-Abgeordneter gewarnt: „Es wird sich so viel Blut auf dem Teppich finden, dass (die Untersuchung) niemand durchführen wollen wird. Denn niemand kann das hinterher reinigen.“ Im April 2015 waren ausreichend Unterschriften im EU-Parlament gesammelt worden, um einen Untersuchungsausschuss aufzustellen. Dabei sollte dieser sich nicht nur um die Steuervergünstigungen für Unternehmen in Luxemburg kümmern, sondern auch um ähnliche Vorgehensweisen in anderen EU-Staaten. Da sich die Fraktionsvorsitzenden gegen den Ausschuss entschieden hatten, kam es zu keiner Abstimmung mehr im EU-Parlament.
Im November 2016 hatten sich die EU-Finanzminister auf grobe Kriterien für eine Schwarze Liste der EU zur Steuerhinterziehung geeinigt. Darauf aufbauend hat die nicht-öffentlich tagende Ratsgruppe „Verhaltenskodex Unternehmensbesteuerung” 92 Länder ausgewählt, die genauer untersucht werden sollen. Auch die USA wurden analysiert – EU-Mitgliedsländer jedoch nicht. Der Europaabgeordnete Sven Giegold kritisiert die Entscheidung scharf. „Es ist absurd, dass die EU eine Schwarze Liste im Dunkeln erstellt. Die Ratsarbeitsgruppe ‚Verhaltenskodex Unternehmenssteuern‘ tagt nicht-öffentlich und kann hier nur einstimmig Entscheidungen treffen. Seit ihrer Gründung 1998 hat sie es nicht geschafft, schädliche Steuerpraktiken innerhalb der EU effektiv zu bekämpfen. Es ist ein schlechter Witz, dass ausgerechnet diese Gruppe nun die EU-Liste der Steueroasen erstellen soll. Steuertransparenz beginnt im eigenen Vorgarten. Es ist ein Schlag ins Gesicht aller ehrlichen europäischen Steuerzahler, dass Großbritannien, Irland und Luxemburg eine echte Schwarze Liste mit harten Kriterien blockieren. Die von den Mitgliedstaaten diskutierten Kriterien der Schwarze Liste sind deutlich schwächer als von der Kommission vorgeschlagen. Insbesondere Großbritannien versucht, seine Territorien Jersey und Guernsey zu schützen, bevor es die EU verlässt“, schreibt Giegold auf seiner Homepage.
EU-Bankenaufsicht EBA nicht nach Luxemburg, sondern Paris
Im Ringen um den künftigen Sitz der bislang in London ansässigen EU-Bankenaufsicht EBA hatte Luxemburg trotz der Steuer- und Finanzskandale auf den Zuschlag gepocht. Luxemburg sei bereits ein bedeutender Finanzstandort und Sitz von EU-Finanzinstitutionen wie der Europäischen Investitionsbank (EIB) oder des Euro-Rettungsfonds ESM, schrieb der luxemburgische Premierminister Xavier Bettel in einem Brief an EU-Ratspräsident Donald Tusk und Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Zudem habe das Großherzogtum einen Rechtsanspruch darauf, dass die Behörde in Luxemburg angesiedelt werde, sagte eine Regierungssprecherin. Sie verwies auf eine Vereinbarung von 1965, Finanzinstitutionen in Luxemburg anzusiedeln. Die Entscheidung die Europäische Zentralbank (EZB) in Frankfurt und die EBA in London zu beheimaten, sei eine Ausnahme gewesen. „Wir wollen, dass die Entscheidung von 1965 diesmal respektiert wird“, sagte die Sprecherin.
Nach dem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union (EU) muss die EBA in ein EU-Land umziehen. Den Zuschlag erhielt schließlich nicht Luxemburg, sondern Frankreich. Der Sitz der EBA befindet sich mittlerweile in Paris.
Derweil schafft es Luxemburg, neue Kundschaft anzuziehen. Der US-Versicherer AIG hat sich im Großherzogtum für den anstehenden Austritt Großbritanniens aus der EU ein Standbein im einheitlichen Markt gesichert. „Mit diesem entscheidenden Schritt wird sichergestellt, dass sich die AIG positioniert – welche Form der Brexit auch immer annehmen sollte“, sagte der Europa-Chef des Konzerns, Anthony Baldwin. AIG werde seine europäische Zentrale in London beibehalten, fügte der Versicherer hinzu.
Auch große Vermögensverwalter planen offenbar einen Umzug. Aufgrund des Austritts werde es zu Stellenstreichungen bei britischen Vermögensverwaltern kommen, wird der Chefanalyst der Beratungsgesellschaft Create Research zitiert. Ein anonymer Mitarbeiter eines großen Fondsverwalters sagte, es würden Stellen nach Luxemburg verlagert. „Wir werden unsere Konzernzentrale nicht verschieben, aber wir müssen uns überlegen, wie wir Mitarbeiter in Luxemburg finden können.“
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