Finanzen

Italienische Großbank Unicredit will Commerzbank übernehmen

Lesezeit: 3 min
04.04.2019 17:06
Die italienische Großbank Unicredit hat Interesse an der Commerzbank. Das könnte eine Fusion von Commerzbank und Deutscher Bank und damit die Bildung einer deutschen Riesenbank verhindern.
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Der Druck im Kessel steigt: Während Deutsche Bank und Commerzbank noch über eine mögliche Fusion sprechen, pirscht sich Insidern zufolge nun die italienische Großbank „Unicredit“ an den Verhandlungstisch heran. Der Mailänder Finanzkonzern, der 2005 bereits die Münchener HypoVereinbank (HVB) schluckte und vor rund zwei Jahren schon einmal mit der Commerzbank liebäugelte, werde sich zwar nicht in die laufenden Frankfurter Fusionsgespräche einschalten, stehe aber bereit, falls diese scheiterten, sagten zwei mit der Angelegenheit vertraute Personen am Donnerstag der Nachrichtenagentur Reuters. Sie bestätigten damit einen Bericht der "Financial Times".

Denkbar sei ein milliardenschweres Angebot der Italiener für die Nummer zwei unter den deutschen Privatbanken. Unicredit wolle die Kontrolle bei der Commerzbank übernehmen und diese dann mit ihrer deutschen Tochter HVB fusionieren, berichtete die britische Zeitung. Die Commerzbank wird derzeit am Finanzmarkt mit neun Milliarden Euro bewertet. An der Frankfurter Börse legten die Titel der Commerzbank um bis zu vier Prozent zu. Sowohl Unicredit als auch die Commerzbank und die Deutsche Bank lehnten einen Kommentar zu der Angelegenheit ab.

Sollte Unicredit am Ende wirklich zum Zuge kommen, wäre das vermutlich ein Alptraum-Szenario für die Deutsche Bank, weil diese im internationalen Vergleich weit zurückgefallen ist und ihr auf dem Heimatmarkt ein mächtiger Gegner erwachsen würde. Die Deutsche-Bank-Aktie rutschte um bis zu drei Prozent ab. Oliver Roth, Kapitalmarktstratege der „Oddo Seydler Bank“ (Frankfurt) äußerte sich skeptisch: „Ich könnte mir durchaus auch vorstellen, dass hier ein Stück weit Druck aufgebaut wird auf die beiden Parteien zu fusionieren, indem man einen Dritten ins Rennen schickt, der sich irgendwann mal für die Commerzbank interessiert hat."

"WENN, DANN MACHEN WIR ES RICHTIG"

Die Informationen über eine mögliche Offerte aus Italien kommen in der Tat zu einem interessanten Zeitpunkt: Am Mittwoch war durchgesickert, dass Deutsche Bank und Commerzbank offenbar unterschiedliche Vorstellungen über das Tempo ihrer Gespräche haben. Während Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing sich mehr Zeit lassen will, drückt Commerzbank-Boss Martin Zielke aufs Tempo, wie Insider berichteten. Nun hieß es von zwei Personen, die Gespräche liefen gut. Einer sagte, die Verhandlungen würden „sehr sorgfältig" geführt. „Wenn, dann machen wir es richtig." Darin seien sich Vorstand und Aufsichtsrat der Deutschen Bank einig. Sprecher der Banken wollten sich auch dazu nicht äußern.

Der Financial Times zufolge würde bei einer italienischen Lösung eine fusionierte Bank ihren Sitz in Deutschland haben, deren Mutter Unicredit weiterhin in Italien. Reuters hatte vor zwei Jahren berichtet, dass die italienische Bank in Berlin Interesse an der Commerzbank angemeldet hat. Die Bank dementierte später ein solches Interesse.

Eine Übernahme der Commerzbank könnte wohl nicht gegen den Widerstand des Bundes gelingen, denn der Staat ist mit 15 Prozent an der Bank beteiligt, seit er ihr in der Finanzkrise unter die Arme griff.

Ein hochrangiger Insider in Italien sagte, Unicredit-Chef Jean Pierre Mustier brauche eine große Fusion, da seine Bank ihre Erträge nicht aus eigener Kraft steigern könne und allein auf Kostensenkungen setzen müsse. Mustier könnte das Hauptquartier nach Frankfurt verlegen, um von den in Deutschland niedrigeren Refinanzierungskosten zu profitieren. Allerdings müsse Unicredit aus politischen Gründen auch weiterhin in Italien mit einer eigenen rechtlichen Einheit präsent sein.

VORENTSCHEIDUNG IN DEN NÄCHSTEN TAGEN?

Mustier könnte bei einer Übernahme der Commerzbank an deren Einlagen gelangen. Dies wäre attraktiv, weil die Refinanzierung italienischer Banken im Zuge des Haushaltskonflikts zwischen der EU-Kommission und Italien deutlich teurer geworden ist. Fraglich ist allerdings, inwieweit Unicredit die Einlagen tatsächlich nutzen könnte. In der Vergangenheit sahen die hiesigen Aufseher den Transfer von Milliarden von der HVB nach Mailand mit Sorge. Mit der Übernahme der Bankenaufsicht über die größten Institute durch die Europäische Zentralbank (EZB) ist der Widerstand geringer geworden, aber nicht verschwunden.

Deutsche Bank und Commerzbank loten derzeit Möglichkeiten für eine Fusion aus, auch weil Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sich für einen starken nationalen Champion in der Branche ausgesprochen hatte. Der „Wirtschaftswoche" zufolge will der Commerzbank-Vorstand bereits am Dienstag entscheiden, ob die Verhandlungen weiter intensiviert oder aber abgebrochen werden sollen. Just an diesem Tag treffen sich auch der Vorstand der Deutschen Bank und der Verwaltungsrat der Unicredit - letzterer allerdings, um die zwei Tage später anstehende Hauptversammlung vorzubereiten. Die „Süddeutsche Zeitung" berichtete unterdessen, es könne bereits am Wochenende zu einer Vorentscheidung kommen.

Die Gewerkschaften laufen schon seit Wochen Sturm gegen eine mögliche große Bankenfusion, weil sie zehntausende Stellen kosten dürfte. Zu einem möglichen Interesse von Unicredit an der Commerzbank sagte ein Sprecher der Bankangestellten-Gewerkschaft DBV, er könne nicht erkennen, was an dieser Konstellation aus Sicht der Arbeitnehmer besser sein sollte. Die Gewerkschaft Verdi, deren Vertreter in beiden Aufsichtsräten sitzen, wollte sich nicht äußern.

Unicredit ist im deutschen Bankenmarkt seit Jahren eine Größe, nachdem die Italiener die HypoVereinsbank (HVB) vor eineinhalb Jahrzehnten für 15 Milliarden Euro gekauft haben. Seitdem ist die Bank kräftig geschrumpft: Beteiligungen wurden verkauft, das Filialnetz auf etwa die Hälfte eingedampft und zahlreiche Jobs gestrichen. Ihre nationalen Ambitionen hat die HVB - einst die zweitgrößte Privatbank des Landes - im Privatkundengeschäft längst aufgegeben. Sie konzentriert sich auf ihre angestammten Regionen in Bayern und rund um Hamburg.

Unicredit-Chef Mustier hatte der HVB bei seinem Amtsantritt 2016 einen Sparkurs verordnet, dem rund 14.000 Stellen zum Opfer fielen. Mit der größten Kapitalerhöhung in der Wirtschaftsgeschichte Italiens stopfte er vor zwei Jahren die Löcher in der Bilanz. Inzwischen zahlt sich der Sanierungskurs aus: 2018 stieg der bereinigte Gewinn auf 3,9 Milliarden Euro, obwohl die Einnahmen schrumpften. Trotz aller Fortschritte hat die größte italienische Bank aber immer noch Milliarden an faulen Krediten auf ihren Büchern.


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