Technologie

China: Intelligentes Gefängnis überwacht Gefangene mit Verhaltens-Analyse

In einem chinesischen Hochsicherheitsgefängnis wird ein Überwachungssystem eingesetzt, das künstliche Intelligenz einsetzt. Es verfolgt die Häftlinge auf jedem ihrer Schritte, analysiert Verhaltensmuster und meldet ungewöhnliche Aktivitäten.
06.04.2019 12:05
Lesezeit: 2 min

In China hat das staatliche Gefängnis "Yancheng" ein Netzwerk von Kameras installiert, das künstliche Intelligenz einsetzt und jede Zelle und jede Ecke des Gebäudes abdeckt. Ein Ausbruch ist so gut wie unmöglich, selbst wenn ein Häftling die Gefängniswärter bestechen würde, denn auch diese werden vermutlich von dem System überwacht.

Nach monatelangen intensiven Bauarbeiten ist die Modernisierung des Überwachungssystems in der 40 Hektar großen Anlage in Yanjiao, Hebei, fast abgeschlossen. Mehrere Personen, die an dem Projekt beteiligt waren, haben dies gegenüber der South China Morning Post bestätigt.

Chinas neues "intelligentes Gefängnis" umfasst ein Netzwerk von Überwachungskameras und verborgenen Sensoren, die über das gesamte Gefängnisgelände verteilt sind.

Das Netzwerk sendet die gesammelten Daten an das „Gehirn“ des Systems, einen schnellen, von künstlicher Intelligenz (KI) angetriebenen Computer, der jeden Insassen rund um die Uhr erkennen, verfolgen und überwachen kann.

Am Ende des Tages erstellt das System einen umfassenden Bericht, der Verhaltensanalysen für jeden Gefangenen mit verschiedenen KI-Funktionen wie Gesichtserkennung und Bewegungsanalyse enthält. Ungewöhnliche Aktivitäten werden hervorgehoben.

"Wenn zum Beispiel ein Insasse seit einiger Zeit in einem Raum auf und ab geht, kann die Maschine das Phänomen als verdächtig einstufen und Nahuntersuchungen durch eine menschliche Wache vorschlagen", sagte der Projektvertreter Meng Qingbiao.

Aufgrund der Anti-Korruptionskampagne von Präsident Xi Jinping sind in den letzten Jahren viele hochrangige Beamte im Gefängnis gelandet. Laut einem Bericht der Shanghaier Website Thepaper.cn waren im vergangenen Jahr mehr als 1.600 Gefangene in Yancheng inhaftiert.

Chinas intelligentes Gefängnis wurde in Zusammenarbeit mit zahlreichen öffentlichen Forschungseinrichtungen entwickelt, darunter das Überwachungstechnologieunternehmen "Tiandy" und die staatliche Tianjin-Universität.

Einem Angestellten von Tiandy zufolge weiß das System jederzeit, wo sich jede einzelne Person befindet und was er oder sie tut, unabhängig davon, wie viele Insassen sich in dem Gefängnis befinden. Es sei nicht mehr notwendig, dass menschliche Wachen auf Monitore schauen. Gefängnisausbrüche seien unmöglich.

Dies ist zum Teil auf die weit fortgeschrittene Technologie zur Gesichtserkennung zurückzuführen, die gleichzeitig eine große Anzahl von Überwachungszielen verarbeiten kann. Jede Kamera könne gleichzeitig bis zu 200 Gesichter aufzeichnen, sagte der Angestellte von Tiandy.

In Yancheng sitzen zahlreiche prominente Insassen ein, und die Bedingung in dem Gefängnis sind relativ komfortabel. Zu den Häftlingen gehört Gu Kailai, die Frau des ehemaligen Chefs der Parteikammer Bo Xilai, die wegen Mordes an einem britischen Geschäftsmann verurteilt wurde.

Weitere prominente Insassen sind Rui Chenggang, ein ehemaliger Fernsehmoderator, der 2014 aus unklaren Gründen inhaftiert wurde, und eine Reihe von Personen, die wegen Korruption einsitzen, wie Zhang Shuguang, der Chefingenieur des ehemaligen Hochgeschwindigkeitsnetzes, und Nan Yong, ehemaliger Vizechef des nationalen Fußballverbands.

Neben prominenten chinesischen Bürgern sitzen in dem Gefängnis auch eine nicht spezifizierte Anzahl von Ausländern ein. Daher wurde Yancheng schon von Diplomaten aus vielen Ländern besucht.

Ein Team von chinesischen Regierungsinspektoren warnte im Dezember, dass das Gefängnis "seinen politischen Charakter in der neuen Ära" nicht ganz verstanden habe, und stellte fest, dass einige Wachen "häufig Verstöße gegen die Regeln" begangen hätten.

Infolgedessen soll das neue KI-Netzwerk jetzt genau beobachten, was in dem Gefängnis vor sich geht.

Doch die 24-Stunden-Überwachung durch Chinas intelligentes Gefängnis hat ethische Fragen aufgeworfen. So besagen die Regeln des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte, dass Insassen „wegen ihrer inhärenten Würde und ihres Wertes als Menschen mit Respekt behandelt werden müssen“.

Ding Zhenyang, Assistenzprofessor für Elektrotechnik an der Tianjin-Universität, der an dem Projekt teilgenommen hat, sagte, dass die Gefangenen gegen die künstliche Intelligenz keine Chance haben. "Sie können die Kamera betrügen. Sie können den Sensor betrügen. Aber Sie werden nicht beide betrügen."

Das Überwachungstechnologieunternehmen Tiandy hat inzwischen mit einigen südamerikanischen Ländern Gespräche geführt, um auch in deren Gefängnissen ähnliche Technologien einzuführen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Wenn Märkte überhitzen: Droht der Small-Cap-Rally das Aus?
13.07.2025

US-Anleger stürzen sich auf kleine Firmen – ein alarmierendes Zeichen. Warum Euphorie an der Börse oft das Ende markiert und was das...

DWN
Panorama
Panorama 100 Jahre Rolltreppe: Aufstieg in 30 Sekunden
13.07.2025

Die Rolltreppe ist allgegenwärtig – und doch übersehen wir oft ihre faszinierende Geschichte. Seit 100 Jahren bewegt sie Menschen durch...

DWN
Technologie
Technologie The bright, bright future ahead (AI): Bringt künstliche Intelligenz uns eine bessere Zukunft?
13.07.2025

Es geht Schlag auf Schlag. Bald, so hört man, haben wir die AGI (artificial general intelligence) und danach kommt die Superintelligence....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Geschäftsideen schützen: Mehr Umsatz für Unternehmen mit Patenten und Marken
13.07.2025

Mehr als 50-Prozent mehr Umsatz für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die ihre Innovationen schützen – warum cleverer Schutz der...

DWN
Politik
Politik Patient Pflegeversicherung: Es fehlen Milliarden in den Kassen
13.07.2025

Immer mehr Pflegebedürftige in Deutschland – und die Finanzierungslücke wächst. Der Bundesrechnungshof warnt und spricht von über 12...

DWN
Technologie
Technologie KI als Mobbing-Waffe: Wenn Algorithmen Karrieren zerstören
13.07.2025

Künstliche Intelligenz soll den Arbeitsplatz smarter machen – doch in der Praxis wird sie zum Spion, Zensor und Karriere-Killer. Wer...

DWN
Finanzen
Finanzen Geldanlage: Keine reine Männersache – Geschlechterunterschiede beim Investieren
13.07.2025

Obwohl Frauen in sozialen Medien Finanzwissen teilen und Banken gezielt werben, bleibt das Investieren weiterhin stark männlich geprägt....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Renault: Globales KI-System soll helfen, jährlich eine Viertelmilliarde Euro einzusparen
13.07.2025

Produktionsstopps, Transportrisiken, geopolitische Schocks: Renault setzt nun auf ein KI-System, das weltweite Logistik in Echtzeit...