Thyssenkrupp-Chef Guido Kerkhoff zieht die Notbremse: Weder das Stahl-Joint-Venture mit Tata Steel Europe noch die Konzernaufspaltung in zwei Teile wird es geben, wie mehrere Insider der Nachrichtenagentur Reuters am Freitag sagten. Zu groß war zuletzt der Widerstand in Brüssel und auch in der eigenen Belegschaft, zu drastisch der Kursverfall der Thyssen-Aktie, zu scharf die Kritik von Investoren. Deshalb legte Kerkhoff, der noch nicht einmal ein Jahr im Amt ist, seine beiden wichtigsten Projekte zu den Akten. Stattdessen denke der Manager nun über eine Holdingstruktur nach, bei der die lukrative Aufzugssparte abgespalten oder teilweise an die Börse gebracht werden könnte, sagten die Insider. Ob ihm das am Ende den Job rettet, ist allerdings offen.
Der Konzern selbst wollte sich zu den Informationen zunächst nicht äußern. An der Börse machte sich Erleichterung breit: Die Aktie des Mischkonzerns schoss nach der Reuters-Meldung zeitweise zehn Prozent in die Höhe und war mit Abstand größter Dax-Gewinner. Trotzdem ist das gesamte Unternehmen mit seinen 160.000 Mitarbeitern, das seit Jahren im Krisenmodus operiert, aktuell gerade noch rund sieben Milliarden Euro wert.
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Die Anzeichen, dass die bestehenden Pläne nicht aufgehen, hatten sich seit Wochen verdichtet. Nun war der Druck auf Kerkhoff offenbar zu groß geworden. Schon zu Beginn seiner Amtszeit im vergangenen Sommer, als Kerkhoff Heinrich Hiesinger an der Spitze ablöste, kritisierten einige Investoren seine langjährige Rolle als Finanzchef im Konzern. "Kerkhoff gehört zur alten Garde. Es muss einen Neuanfang geben", hieß es damals von einem mächtigen Aktionär.
DIE HOFFNUNG LIEGT NUN AUF DER AUFZUGSSPARTE
Die Gemengelage im Unternehmen macht durchgreifende Veränderungen nicht leicht. Neben den mächtigen Arbeitnehmervertretern und der IG Metall sind der Finanzinvestor Cevian mit einem Anteil von rund 18 Prozent und die Krupp-Stiftung mit gut 20 Prozent wichtige Player, die in Fragen der Strategie nicht immer einer Meinung sind.
Die bislang geplante Konzernaufspaltung in einen Industriegüter- und einen Werkstoffkonzern war Kerkhoffs Idee gewesen. Doch wegen des Kursverfalls der Thyssen-Aktie - am Mittwoch hatte sie den tiefsten Stand seit 15 Jahren markiert - mache die Aufspaltung keinen Sinn mehr, sagten die Insider nun. Denn das konjunkturanfällige Werkstoffgeschäft sollte finanziell abgesichert werden, indem es an dem profitableren Industriegüterkonzern eine Beteiligung hält. Je weniger Thyssenkrupp jedoch wert ist, desto höher müsste die Beteiligung des Werkstoffkonzerns sein. Zudem wurden die Kosten der Aufspaltung im Konzern auf rund eine Milliarde Euro geschätzt. Auch deshalb stellte die neue Aufsichtsratschefin Martina Merz das Vorhaben nochmal auf den Prüfstand.
Die noch von Kerkhoffs Vorgänger Hiesinger geplante Fusion des Stahlgeschäfts mit dem Rivalen Tata Steel traf bei den europäischen Wettbewerbsbehörden auf Widerstand, die zahlreiche Bedenken anmeldeten. Inzwischen gehe man bei ThyssenKrupp nicht mehr davon aus, dass dieser Plan umgesetzt werden könne, sagten die Insider. Damit sind die seit drei Jahren laufenden Bemühungen umsonst gewesen. Der Stahlbranche machen Überkapazitäten, Importe aus Fernost und zunehmende Klimaschutzauflagen zu schaffen. An der Thyssen-Aufzugssparte hatte der finnische Konkurrent Kone Interesse angemeldet. Die Sparte ist seit Jahren der größte Gewinnbringer von Thyssenkrupp.