Technologie

Deutscher Erfinder entwickelt Verfahren zur Herstellung von Beton aus Wüstensand

Weil die Bautätigkeit weltweit zunimmt, wird Sand immer wertvoller. 95 Prozent aller Sand-Vorkommen sind für die Bau-Industrie allerdings unbrauchbar. Jetzt hat ein deutscher Chemiker ein Verfahren entwickelt, das es ermöglicht, fast alle Sorten zur Herstellung von Beton zu nutzen - auch Wüstensand.
02.06.2019 06:56
Lesezeit: 3 min

Weil die Zahl der Bauprojekte weltweit erheblich steigt, wird der für die Herstellung von Beton benötigte Rohstoff Sand zunehmend knapper. Seit Ende der 1990er Jahre hat sich die Nachfrage verdreifacht und macht Sand - gemessen am Volumen - nach Wasser zum mittlerweile am zweitmeisten gehandelten Gut überhaupt. Und der Hunger nach Sand hört nicht auf, im Gegenteil: Jedes Jahr nimmt er um rund 5,5 Prozent zu. Derzeit soll China mehr Beton verbrauchen, als die USA im gesamten 20. Jahrhundert - und für die Herstellung von Beton sind große Mengen Sand unabdingbar.

Kürzlich hat das „Umweltprogramm der Vereinten Nationen“ (UNEP) einen Bericht vorgelegt, in dem vor den Folgen eines verstärkten Abbaus von Sand in dringlichen Tönen gewarnt wird. Die Umweltschäden seien verheerend. Pascal Peduzzi, einer der Autoren des Berichts, findet folgende plastischen Worte: „Unsere Gesellschaft ist im wahrsten Sinne des Wortes auf Sand gebaut.“ Und die stellvertretende Direktorin von UNEP, die Mikrobiologin Joyce Msyua, sagt: „Wir verarbeiten den Sand schneller, als wir ihn verantwortungsbewusst abbauen können.“

An dieser Stelle könnte man fragen, warum der wertvolle Rohstoff nicht einfach den Wüsten dieser Welt entnommen wird. Allein die Sahara mit ihrer Fläche von 9,2 Millionen Quadratmetern (genau 25mal so groß wie die Bundesrepublik) müsste doch genügend Sand liefern können.

Tut sie auch. Allerdings nicht die Art von Sand, die sich für den Gebrauch in der Bau-Industrie eignet. Der Sand der Sahara (wie auch der Sand anderer Wüsten) zeichnet sich durch eine gerundete Geometrie und eine glatte Oberfläche aus - Bau-Sand benötigt jedoch kantige Kornstrukturen. In der Vergangenheit wurden zwar eine Reihe von Verfahren entwickelt, mit denen sich Wüstensand so bearbeiten lässt, dass er als Bau-Sand verwendet werden kann. Allerdings eignete sich bisher keines dieser Verfahren zur Bearbeitung von großen Mengen - sie funktionieren mehr oder weniger nur im Labor, nicht in der Praxis.

Jetzt könnte allerdings eine Lösung für das Problem gefunden sein. Der deutsche Chemiker Helmut Rosenlöcher ist auf die Idee gekommen, Sand zunächst noch feiner zu mahlen, ihn anschließend mit mineralischen Bindemitteln anzureichern und zu Pellets zu pressen, die dann unter Zugabe von Zement und Wasser von Hochgeschwindigkeitsmischern zu Beton verarbeitet werden. Die Mischer sind die zweite wichtige Entwicklung. Sie rotieren weitaus schneller als bisher gebräuchliche Mischer und machen den Gebrauch des Wüstensands erst möglich.

Um seine Idee zu vermarkten, hat Rosenlöcher mehrere Patente angemeldet und zusammen mit seinem Partner Leopold Halser die Firma „MultiCON“ gegründet. Das Unternehmen mit Sitz in München arbeitet eng mit „Haver & Boecker“ zusammen. Das 1887 gegründete Familien-Unternehmen mit Sitz in Oelde, Westfalen, stellt unter anderem Siebmaschinen für die Rohstoff- und Grundstoff-Industrie her. Es produziert auch die Anlagen, für die „MultiCON“ laut Rosenlöcher jetzt Aufträge akquiriert hat.

„Wir werden eine Anlage nach Ägypten liefern und eine in die Vereinigten Arabischen Emirate“, sagte Rosenlöcher den Deutschen Wirtschafts Nachrichten. „Darüber hinaus stehen wir im Kontakt mit Saudi-Arabien und mit Kuwait.“ Für den 72jährigen aus Weißenfels (Sachsen-Anhalt), der nach eigenen Angaben „seit 40 Jahren beruflich mit Beton zu tun“ hat, ist das von ihm entwickelte Verfahren geeignet, „die Sand-Misere zu beenden“.

Eine Belastung für die Natur stellt übrigens nicht nur der Sandabbau an sich dar. Auch der Transport von großen Mengen Sand ist nicht gerade umweltfreundlich - so mussten für den Bau des höchsten Gebäudes der Welt, des Burj Khalifa in Dubai, riesige Mengen von Sand per Schiff aus dem circa 10.000 Kilometer entfernten Australien geliefert werden.

Rosenlöcher betont, dass mit Hilfe seiner Erfindung nicht nur Wüstensand, sondern auch Feinsand für den Einsatz in der Bau-Industrie genutzt werden kann. Und das hat durchaus Bedeutung für Deutschland. Hierzulande gibt es nämlich gewaltige Reserven an Feinsand - unter anderem fallen sie beim Beton-Recycling an - die bisher ungenutztes Abfallprodukt waren. Der Sandverbrauch in der Bundesrepublik beträgt deutlich mehr als 200 Millionen Tonnen pro Jahr, wobei immer mehr Sandgruben ausgeschöpft sind und stillgelegt werden. Neue Gruben in Betrieb zu nehmen, stößt zunehmend auf Widerstand der Bevölkerung, während der Import von Sand teuer und - wie oben gesehen - in mehrfacher Hinsicht umweltschädlich ist. Deshalb könnte Rosenlöchers Erfindung auch in Deutschland eine wichtige Rolle spielen - zumal es alles andere als unwahrscheinlich ist, dass angesichts des immer knapper werdenden Wohnraums die Bautätigkeit hierzulande früher oder später stark anziehen wird.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Die Deutschen und ihr Bargeld: Wie sich das Bezahlverhalten entwickelt
22.06.2025

Obwohl die Deutschen nach eigenen Aussagen ihr Bargeld lieben, gewinnt das bargeldlose Bezahlen auch hierzulande an Bedeutung. Das...

DWN
Technologie
Technologie Schwedische Innovation soll Wasserkrise in der Ukraine lösen
21.06.2025

Während Europa über Hilfspakete debattiert, liefern schwedische Firmen sauberes Wasser in eine vom Krieg verwüstete Region. Ist Hightech...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Afrikas Migrationspotenzial: Die globale Ordnung steht vor einer tektonischen Verschiebung
21.06.2025

Afrikas Bevölkerung wächst, während der Westen altert. Millionen gut ausgebildeter Migranten verändern schon heute globale...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutschlands stille Stärke: Wie Rechtsstaat und Verwaltung zum unterschätzten Standortvorteil werden
21.06.2025

Als Max Weber 1922 mit seiner Bürokratie-Theorie die Basis für die deutsche Verwaltung legte, galt sie weltweit als innovatives Vorbild....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Trumps Rückschlag für Elektroautos – kommt das Ende wie vor 100 Jahren?
21.06.2025

Vor 100 Jahren verschwanden Elektroautos wegen politischer Entscheidungen von den Straßen. Heute wiederholt sich die Geschichte: Donald...

DWN
Politik
Politik Wie der Westen seine Werte in der Wüste verrät: Big Tech versteckt die Probleme unter glänzenden Fassaden
21.06.2025

Big Tech hofiert autoritäre Regime vom Golf – im Tausch gegen Milliarden, Macht und Rechenzentren. Doch hinter der glitzernden Fassade...

DWN
Politik
Politik Deutschland steht vor dem historischen Aufschwung – aber es gibt ein großes Problem
21.06.2025

Mit der faktischen Abschaffung der Schuldenbremse beginnt Deutschland eine neue Ära – mit enormen Investitionen in Militär,...

DWN
Panorama
Panorama KI-Musik auf dem Vormarsch: Gefahr oder Chance für die Musikbranche?
21.06.2025

KI-Musik verändert die Musikbranche – kreativ, disruptiv, kontrovers. Künstler verlieren Kontrolle und Einnahmen. Doch wie weit darf...