Wissenschaftler von der University of Cambridge, der University of Oxford und der University of Waikato kritisieren den IWF im Rahmen einer Studie mit dem Titel “Wie Strukturanpassungsprogramme die Ungleichheit beeinflussen: Eine disaggregierte Analyse der IWF-Konditionalität, 1980–2014”.
Sie gehen unter anderem darauf ein, dass die internationale Finanzinstitution traditionell Ländern, die sich in einer Finanzkrise befinden, nur Kredite bereitstellt, wenn diese auch bereit sind, restriktive staatliche Sparmaßnahmen vorzunehmen.
Die Forscher folgern: “Die Tatsache, dass niedrigere Staatsausgaben aufgrund von fiskalpolitischen Auflagen durch den IWF das Lohngefälle vergrößern, spricht dafür, dass Sparmaßnahmen schädlich sind. Neben einem geringeren Wirtschaftswachstum oder einer höheren Arbeitslosigkeit hat dieser Vorgang eine weitere negative Konsequenz der Beschränkungen der Staatsausgaben gezeigt. Angesichts dieser Risiken müssen sowohl der IWF als auch die Kreditnehmerländer die Gründe für diese Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung vollständig verstehen (...) Die Bemühungen des Fonds zur Armutsbekämpfung sind lobenswert, belaufen sich jedoch derzeit auf kaum mehr als einen Tropfen auf den heißen Stein.”
Die Untersuchung zeigt auch, dass die Vergabe von IWF-Krediten im Verlauf einer Finanzkrise zwar auf eine Stabilisierung und eine Steigerung der Effizienz der Geldpolitik und eine Verbesserung der Unabhängigkeit der Notenbanken abzielt, doch potenziell nachteilige Auswirkungen auf die Verteilung von Vermögen und Einkommen hat. Dies ist auf den ungleichen Zugang zu Finanzdienstleistungen in den Entwicklungsländern, aber mittlerweile auch in einigen EU-Staaten, zurückzuführen.
IWF-Vereinbarungen sollten daher die Besonderheiten des Landes, in dem sich die Kreditnehmer befinden, detaillierter berücksichtigen. In Anbetracht der unterschiedlichen Ergebnisse nach Regionen ist dies von größter Bedeutung.
Die Bundeszentrale für politische Bildung berichtet über die Auflagen bei der Kreditvergabe: “An solchen Auflagen für Kredite an Entwicklungsländer entzündet sich die Kritik von Nichtregierungsorganisationen am IWF. Die geforderten Sparprogramme und Einschnitte in Sozialprogramme seien für die Menschen in Entwicklungsländern unzumutbar und für das Wachstum schädlich.”
Entscheidend ist zweifellos auch die Verteilung der Stimmrechte beim IWF. Daran läst sich erkennen, welche Staaten die Politik des IWF maßgeblich beeinflussen. Die USA haben derzeit mit 16,52 Prozent den größten Stimmenanteil. Darauf folgen Japan mit 6,15 Prozent, China mit 6,09 Prozent, Deutschland mit 5,32 Prozent, Großbritannien und Frankreich mit jeweils 4,03 Prozent, Italien mit 3,02 Prozent, Indien mit 2,64 Prozent, Russland mit 2,59 Prozent, Brasilien und Kanada mit jeweils 2,22 Prozent und Saudi-Arabien mit 2,02 Prozent. Alle anderen Staaten haben niedrigere Stimmenanteile. Das geht aus einem Papier des IWF hervor.
Die fraglichen Methoden des IWF
In der Vergangenheit waren die Methoden des IWF, in andere Länder politisch und wirtschaftlich einzuwirken, fraglich. Mit Hilfe von Lobbys aus korrupten Politikern und einheimischen Geschäftsleuten drängen der IWF und die Weltbank die Regierungen, Staatsbanken, Telekommunikations- und Medienunternehmen, Ölfirmen und Strom- und Transportnetze zu unangemessen niedrigen Preisen an ausländische Unternehmen zu verkaufen. Bevor die beiden Institutionen bereit sind, Kredite zu gewähren, muss die jeweilige Regierung eine Reihe von Verträgen unterzeichnen, die die Notwendigkeit einer “Marktliberalisierung” vorsehen. Tatsächlich ist der Prozess nicht “liberal”, denn die alten Monopole werden beibehalten. Der einzige Unterschied ist, dass sie künftig von ausländischen Konzernen kontrolliert werden sollen.
John Perkins, ehemaliger Chefökonom beim Beratungsunternehmen Chas. T. Main und ehemaliger Berater der Weltbank, der UN, des IWF und des US-Finanzministeriums, sagte in einem Gespräch mit den Deutschen Wirtschaftsnachrichten: “IWF-Kredite haben ein lang anhaltendes Muster, das Länder dazu zwingt, ihre Ressourcen billig zu verkaufen, ihre Geschäfte im öffentlichen Sektor zu privatisieren und andere belastende Konditionalitäten (Auflagen gegen Kredite, Anm. d. Red.) zu akzeptieren.”
Sobald die gesamte nationale Infrastruktur in Händen ausländischer Monopolisten ist, steigen die Preise für Strom, Kommunikation und ähnliche Güter sprunghaft und die Armut steigt. Gleichzeitig wird der Staat unter Druck gesetzt, die Sozialausgaben, insbesondere im Gesundheitswesen, für Pensionsfonds und Hilfsmittel für Arbeitslose zu senken.
Hinzu kommt, dass das jeweilige Land, das den IWF-Reformen unterworfen ist, seinen Markt für ausländische Produkte weit öffnen muss. Es kommt dann zu einer Flut von günstigen Importprodukten, mit denen heimische Unternehmen nicht konkurrieren können. Heimische Betriebe werden geschlossen, was sich negativ auf die Steuereinnahmen und die Beschäftigung auswirkt.
Kredite, die der IWF und die Weltbank an einen Staat vergibt, werden oft auch zur Finanzierung der oft aufgeblähten Bürokratie und zum Kauf überteuerter Ausrüstungen und Dienstleistungen von ausländischen Vertragspartnern verwendet.
Venezolanischer Putsch 2002 und der IWF
Der IWF mischt sich zwangsläufig aktiv in alle Bereiche des betroffenen Landes ein. Im April 2002, als der venezolanische Präsident Hugo Chavez sich weigerte, die Steuern für Ölunternehmen zu senken, und stattdessen einen größeren Teil der staatlichen Mittel in Sozialprogramme umleitete, kündigte der IWF an, eine alternative Regierung sowohl deklarativ als auch finanziell zu unterstützen. Das US-amerikanische Center for Economic and Policy Research (CEPR) führt in einem Artikel aus, dass der IWF im Jahr 2002 aktiv den venezolanischen Militärputsch gegen den damaligen Präsidenten des Landes, Hugo Chavez, unterstützt hat.
Als am 11. April 2002 General Alberto Camacho Kairuz verkündete, dass das Militär die Macht übernommen und Chavez abgesetzt habe, meldete sich IWF-Sprecher Thomas Dawson zu Wort und sagte: “Wir [der IWF] stehen bereit, um die neue Regierung auf jede Art und Weise zu unterstützen, die sie für angemessen hält.”
Auch im Verlauf der Finanzkrise in Europa hat der IWF eine unrühmliche Rolle gespielt. Arvind Subramanian, ehemals stellvertretender Direktor des IWF, führt in einem Gastbeitrag für die Financial Times aus dem Jahr 2012 aus: “Der IWF stellt keine unabhängige intellektuelle Führung bereit, am offensichtlichsten in Bezug auf die Krise in der Eurozone. Und er ist unvorbereitet, Stabilität für die nächste große globale Krise zu schaffen.”
Die Institution hatte im Jahr 2013 in einer rückschauenden Bewertung “bedeutsame Versäumnisse” und Misserfolge beim Griechenlands-Kreditpaket von 2010 im Umfang von 110 Milliarden Euro eingestanden. Auch habe er seine Standards für die Schuldentragfähigkeit aufgeweicht. Letztlich hat das Programm nach dem Urteil des IWF das Vertrauen der Investoren nicht wiederhergestellt. Die Wirtschaft sei noch viel tiefer als erwartet in die Rezession gestürzt, während die Arbeitslosigkeit in immense Höhen schnellte. Derzeit liegt die Arbeitslosenquote im dem Euro-Krisenland bei knapp 27 Prozent.
Der für Griechenland zuständige Missionschef Poul Thomsen räumte ein, dass etliche Annahmen, auf denen das erste Programm basierte, zu optimistisch gewesen seien. Als dies im Jahr 2011 klargeworden sei, habe es zu lange gedauert, bis der vieldiskutierte Schuldenschnitt vereinbart worden sei. “Es wäre wünschenswert gewesen, wenn das schon früher im Jahr 2011 passiert wäre”, sagte Thomsen.