Gemischtes

VW: Verhärtete Fronten im Ringen um die Zukunft

Die Verhandlungen im VW-Konzern über den Umbau der schwächelnden Kernmarke Volkswagen stecken im Streit über Einsparungen und Investitionen fest.
20.10.2016 15:00
Lesezeit: 2 min

VW-Markenchef Herbert Diess strebt nach Informationen aus Verhandlungskreisen zusätzliche Kostensenkungen um 3,7 Milliarden Euro im Jahr bis 2021 an. Betriebsratschef Bernd Osterloh will sich darauf ohne feste Zusagen für Produkte und Beschäftigungsgarantien für jeden Standort nicht einlassen, wie aus einem Reuters am Donnerstag vorliegenden Brief der Arbeitnehmervertreter an die Belegschaft hervorging. „Ein Scheitern des Zukunftspaktes ist unverändert möglich, weil uns nach wie vor die wesentlichen Zusagen des Unternehmens fehlen“, schrieb der Konzernbetriebsrat. Er nannte zudem „rote Linien“ für die Verhandlung.

Auf der Betriebsversammlung im Stammwerk Wolfsburg wurde debattiert. Die „Bild“-Zeitung berichtete, Diess sei ausgebuht worden und minutenlang nicht zu Wort gekommen. Er habe etwa Überlegungen zu einer 40-Stunden-Woche in der Entwicklung geäußert. In der aufgeheizten Stimmung sollten die Verhandlungen am Nachmittag weitergehen. Insgesamt ringen seit einigen Monaten mehr als 60 Manager und Betriebsräte in sechs Arbeitsgruppen um die Zukunft von VW.

Die Kernmarke mit ihren 200.000 Beschäftigten in fast 30 Werken weltweit steht schon länger in der Kritik am Kapitalmarkt, weil sie nur wenig Gewinn abwirft. Der Druck zur Kostensenkung steigt mit den Milliardenlasten aus dem Dieselabgasskandal sowie massiven Investitionen in Elektroautos und neue digitale Dienste. Die beschleunigte Umstellung auf batteriebetriebene Fahrzeuge führt zu einem Umbau der Produktion, die derzeit fast völlig auf die viel arbeitsintensiveren Verbrennungsmotoren ausgerichtet ist.

Altes Sparprogramm erst zur Hälfte umgesetzt

Um diese Kosten zu stemmen, will Diess zwei Insidern zufolge bis 2020 eine operative Rendite von vier Prozent erreichen. Die bisher angestrebten sechs Prozent, die viele Analysten noch für zu niedrig erachten, rücken damit weiter in die Ferne. Das Gewinnziel will der als Kostendrücker schon bei BMW bekannt gewordene Manager mit 3,7 Milliarden Euro Einsparungen im Jahr erreichen. „Es gibt eine Zahl, die heißt 3,7 Milliarden Euro bis 2021“, sagte eine mit den Beratungen vertraute Person der Nachrichtenagentur Reuters. Davon soll der Großteil von drei Milliarden Euro an den deutschen Standorten hereingeholt werden.

Ein zweiter Insider bestätigte, bei dieser Summe handele es sich um neue Effizienzsteigerungen über das seit zwei Jahren laufende Programm „Future Tracks“ hinaus. Dieses sah eine Senkung der jährlichen Kosten um fünf Milliarden Euro ab 2017 vor. Davon sei jedoch erst grob die Hälfte realisiert, erklärten beide Insider. Unternehmen und Betriebsrat äußerten sich dazu nicht.

Eigentlich wollten die Verhandlungsparteien bis Ende des Monats auf einen Nenner kommen, weil der Aufsichtsrat am 18. November den neuen Fünfjahresplan mit den Budgets für alle Konzernmarken beschließen soll. „Derzeit sind wir noch ein gutes Stück von einer Einigung mit dem Unternehmen entfernt“, schrieb der Betriebsrat. Die Verhandlungen steckten fest, weil sich keine Seite bewege, sagte ein Insider. Das Management wolle die vom Betriebsrat geforderten Zusagen zur Investitionsplanung nur machen, wenn die Arbeitnehmer zu dem Einsparvolumen bereit seien. Osterloh und seine Kollegen beschlossen dazu rote Linien. „Keine betriebsbedingten Kündigungen bei Volkswagen“, lautet eine. Bestehende Tarifverträge sollen nicht angetastet, Stellenabbau nur über Altersteilzeit abgebaut werden. „Der Zukunftspakt ist mehr als ein reines Effizienzprogramm.“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chinas Exporte überraschen - Fokus auf die USA
09.05.2025

Trotz des anhaltenden Handelskonflikts mit den Vereinigten Staaten sind Chinas Exporte überraschend robust geblieben. Der Außenhandel mit...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Reiche fordert den Ausbau von Gaskraftwerken in Deutschland
09.05.2025

Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche setzt auf einen schnellen Ausbau von Gaskraftwerken in Deutschland. Die Gründe dafür...

DWN
Politik
Politik Putins Parade: Moskau feiert "Tag des Sieges" – Europas Spaltung auf dem Roten Platz sichtbar
09.05.2025

Während Putin mit Pomp den „Tag des Sieges“ feiert, marschieren zwei europäische Regierungschefs an seiner Seite – trotz Warnungen...

DWN
Panorama
Panorama Der stille Anti-Trump? Internationale Reaktionen auf Papst Leo XIV.
09.05.2025

Mit der Wahl von Robert Francis Prevost zum neuen Oberhaupt der katholischen Kirche übernimmt erstmals ein Amerikaner das Papstamt. Welche...

DWN
Finanzen
Finanzen Allianz-Aktie nach Dividendenabschlag im Minus – Chance für Anleger?
09.05.2025

Die Allianz-Aktie zählt 2025 zu den Top-Performern im DAX – doch am Freitagmorgen sorgt ein deutlicher Kursrückgang für Stirnrunzeln...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX-Rekordhoch zur Eröffnung am Freitag
09.05.2025

Zum Handelsbeginn am Freitag hat der DAX ein frisches DAX-Rekordhoch erreicht. Die im April gestartete Erholungswelle nach dem ersten...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Insolvenzen in Deutschland steigen nur noch geringfügig an - ist das die Trendwende?
09.05.2025

Der Anstieg der Insolvenzen in Deutschland hat sich im April deutlich verlangsamt. Laut Statistischem Bundesamt wurden im Monatsvergleich...

DWN
Finanzen
Finanzen Commerzbank-Aktie profitiert von starkem Jahresauftakt - und nun?
09.05.2025

Die Commerzbank-Aktie hat zum Start in den Börsenhandel am Freitag leicht zugelegt. Das deutsche Geldhaus überraschte mit einem...