Gemischtes

Jetzt auch Pötsch: Staatsanwaltschaft ermittelt gegen VW-Aufsichtsratschef

Hans Dieter Pötsch gerät in den Fokus der Staatsanwaltschaft. Die Ermittler gehen einem Verdacht auf Marktmanipulation im VW-Abgas-Skandal nach.
07.11.2016 11:56
Lesezeit: 2 min

Der Skandal um manipulierte Abgaswerte bei Volkswagen zieht immer weitere Kreise. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig dehnte ihre Ermittlungen wegen Marktmanipulation auf Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch aus. Die Behörde geht dem Verdacht nach, dass Volkswagen möglicherweise bewusst verspätet über die finanziellen Folgen der millionenfachen Abgasmanipulation informierte. Zudem droht dem Konzern neuer Ärger aus den USA. Nach einem Bericht der Bild am Sonntag hat die kalifornische Umweltbehörde Carb im Sommer dieses Jahres eine weitere Schummel-Software bei Audi entdeckt, die auch bei Fahrzeugen in Europa eingesetzt werde und CO2-Werte manipuliere.

Pötsch steht schon seit längerem in der Kritik von Investoren, weil er Finanzvorstand war, als der Dieselskandal im September 2015 bekanntwurde, so Reuters. Im Oktober 2015 wechselte er dann an die Spitze des Aufsichtsrats. Das Verfahren beziehe sich auf die Zeit, als Pötsch Finanzvorstand war, erklärte Volkswagen.

Die Großaktionäre Porsche und Niedersachsen halten Pötsch trotz der Ermittlungen die Treue. "Die Familien Porsche und Piëch stehen uneingeschränkt hinter Herrn Pötsch", sagte Wolfgang Porsche, Aufsichtsratschef der Porsche SE, am Sonntag. "Auch für Herrn Pötsch gilt die Unschuldsvermutung", sagte eine Sprecherin der niedersächsischen Landesregierung. "Der endgültige Abschluss der Ermittlungen bleibt abzuwarten, vorschnelle Schlussfolgerungen verbieten sich."

Nach einer Strafanzeige der Finanzaufsicht BaFin ermitteln die Braunschweiger Strafverfolger bereits seit dem Sommer gegen VW-Markenchef Herbert Diess und den früheren VW-Chef Martin Winterkorn. Damals hatte die Behörde noch ausdrücklich betont, dass Pötsch nicht im Visier sei. Was die Staatsanwaltschaft zum Umdenken brachte, war zunächst nicht zu erfahren. Von der Behörde war am Sonntag keine Stellungnahme zu erhalten.

Volkswagen hat die Anwaltskanzlei Jones Day mit der Aufklärung des Dieselskandals beauftragt. Die Mitglieder des Aufsichtsrats seien am Freitag über den aktuellen Stand der Untersuchungen informiert worden, erklärte Niedersachsen. Danach habe sich kein Anlass für weitere Maßnahmen ergeben. "Es liegen keine neuen Erkenntnisse vor", sagte auch eine IG-Metall-Sprecherin. "Es gilt daher weiter die Unschuldsvermutung."

Die Ausweitung der Ermittlungen ist Wasser auf die Mühlen von Investoren, die Volkswagen eine verspätete Information über den Dieselskandal vorwerfen. Sie fordern Milliardensummen, weil der Aktienkurs nach Bekanntwerden der Abgasmanipulationen im September 2015 abgestürzt war. Volkswagen erklärte, man sei weiterhin der Auffassung, dass der Vorstand die Anleger ordnungsgemäß informiert habe.

Auch an einer zweiten Front droht dem Konzern neuer Ärger. Die "Bild am Sonntag" berichtete, die kalifornische Umweltbehörde Carb habe eine weitere illegale Softwarefunktion bei einem Audi mit V6-Motor entdeckt. Der Autobauer habe die Schummel-Software auch für die Manipulation von CO2-Werten für Diesel- und Benzinmotoren in Europa verwendet. Dem Bericht zufolge können Audi-Modelle mit einem bestimmten Automatik-Getriebe erkennen, ob sie auf einem Rollenprüfstand sind oder auf der Straße fahren. Werde das Lenkrad nach dem Start nicht bewegt, aktiviere sich ein Schaltprogramm für das Getriebe, das besonders wenig CO2 produziere. Andernfalls laufe das Fahrzeug mit einem anderen Programm, das mehr Kraftstoff verbrauche und mehr klimaschädliches CO2 austoße.

Das betroffene Getriebe verwende Audi bei Autos mit leistungstarken Motoren und sei in mehreren 100.000 Fahrzeuge eingebaut worden, berichte das Blatt weiter. Audi habe den Einsatz der Software in den Getrieben im Mai 2016 gestoppt, kurz bevor Carb die Manipulation in einem älteren Modell entdeckte. Die VW-Tochter habe in dem Fall bereits mehrere verantwortliche Techniker suspendiert.

Audi und Carb wollten sich zu dem Bericht nicht äußern.

Audi hatte vergangenes Jahr zugegeben, eine nach US-Recht als illegal geltende Software bei Sechszylinder-Diesel-Motoren mit drei Litern Hubraum eingebaut zu haben. Noch vor wenigen Tagen hatte Bezirksrichter Charles Breyer erklärt, Audi habe bei den Verhandlungen mit den US-Behörden über eine Lösung für die 85.000 betroffenen Fahrzeuge wesentliche Fortschritte gemacht. Er sei optimistisch, dass bis Anfang Dezember eine Einigung erzielt werden könne.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Finanzen
Finanzen Trumps Krypto-Coup: Milliarden für die Familienkasse
30.06.2025

Donald Trump lässt seine Kritiker verstummen – mit einer beispiellosen Krypto-Strategie. Während er Präsident ist, verdient seine...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Streit um Stromsteuer belastet Regierungskoalition
30.06.2025

In der Bundesregierung eskaliert der Streit um die Stromsteuer. Während Entlastungen versprochen waren, drohen sie nun auszubleiben –...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft PwC: Künstliche Intelligenz schafft Jobs nur für die, die vorbereitet sind
30.06.2025

Künstliche Intelligenz verdrängt keine Jobs – sie schafft neue, besser bezahlte Tätigkeiten. Doch Unternehmen müssen jetzt handeln,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen United Internet-Aktie unter Druck: 1&1 reduziert Prognose
30.06.2025

1&1 senkt überraschend seine Gewinnprognose trotz zuletzt guter Börsenstimmung. Der Grund: deutlich höhere Kosten beim nationalen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Inflation in Deutschland sinkt im Juni auf 2,0 Prozent: Energiepreise entlasten
30.06.2025

Die Inflation in Deutschland hat im Juni einen überraschenden Tiefstand erreicht – doch nicht alle Preise sinken. Was bedeutet das für...

DWN
Politik
Politik Trumps Schritte im Nahen Osten: Nur der Anfang eines riskanten Spiels
30.06.2025

Donald Trump bombardiert den Iran, erklärt die Waffenruhe – und feiert sich selbst als Friedensbringer. Experten warnen: Das ist erst...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Raucherpause im Job: Ausstempeln erforderlich?
30.06.2025

Raucherpause im Job – ein kurzer Zug an der Zigarette, doch was sagt das Arbeitsrecht? Zwischen Ausstempeln, Betriebsvereinbarung und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Lufthansa sichert sich Anteile an Air Baltic – trotz Bedenken
30.06.2025

Die Lufthansa steigt bei der lettischen Fluggesellschaft Air Baltic ein – jedoch nicht ohne Bedenken der Kartellwächter. Was bedeutet...