Politik

Türkei hat kein Interesse, Flüchtlinge nach Europa zu schicken

Die Türkei hat will offenbar viele Flüchtlinge als Arbeitskräfte im Land integrieren.
08.11.2016 01:34
Lesezeit: 2 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Die Türkei hat möglicherweise kein Interesse, die Flüchtlinge in die EU durchzuwinken. Die Türkei setzt auf ihr Wirtschaftswachstum und auf die globalen Märkte. Damit könnte die EU unversehens damit konfrontiert werden, dass wieder mehr Flüchtlinge über die Mittelmeer-Route nach Europa kommen - und sie sich selbst Gedanken machen muss, wie sie die Zuwanderer integriert. Schon jetzt meldet Italien einen deutlichen Anstieg der Flüchtlinge.

Die türkische Regierung hat Milliarden ausgegeben, um den 2,7 Millionen Syrern, die die Grenze passiert haben, ein geeignetes Umfeld zu schaffen. Für rund 6.000 Flüchtlinge wurden fast 500.000 qm Land in der türkischen Provinz Hatay in eine Wohngegend verwandelt. Die Unterkünfte haben Strom, fließendes Wasser und sogar Anschlüsse für Satellitenfernsehen. Außerhalb der Stadt befindet sich eine weitläufige Zeltstadt. Gewachstes Leinen bietet Obdach und Schutz vor den Naturelementen. Ein Teil der Zelte hat mehrere miteinander verbundene Räume und Strom für Licht, Herdplatten und Heizkörper. Im Yayladagi Flüchtlingslager hat die Regierung eine alte Tabakfabrik zu Unterkünften umgebaut und so Mikrogemeinschaften geschaffen. Im Innern der Fabrik wurden Schulen eingerichtet. Arabisch sprechenden Kindern ab 9 Jahren wird Türkisch beigebracht, um ihre Integration zu erleichtern. Manche kennen kein anderes Leben als das im Lager. Viele Familien sind schon fünf Jahre dort. Und was nur als vorübergehende Lösung gedacht war, wird nun zu einem langfristigen Leben als Flüchtling im Exil.

In den südtürkischen Städten treten wohlhabende syrische Flüchtlinge auch als Investoren auf. In den vergangenen Jahren haben zahlreiche Flüchtlinge Geschäfte übernommen und Fabriken gegründet. Die ärmeren Flüchtlinge arbeiten auf den Plantagen oder als Angestellte im Dienstleistungssektor. Nach Angaben des türkischen Innenministeriums leben 85 Prozent der Flüchtlinge außerhalb der Flüchtlings-Camps.

Über die wirtschaftlichen Auswirkungen der Flüchtlinge auf die türkische Wirtschaft berichtet das Innenministerium: „Es ist eine massive Erhöhung der Mietpreise zu beobachten. Bürgern fällt es immer schwerer, bezahlbare Wohnungen zu finden, weil die Nachfrage enorm gestiegen ist. In den Grenzgebieten zu Syrien ist die Inflation unverhältnismäßig gestiegen. Insbesondere bei den KMU-Betrieben ist zu beobachten, dass die illegale Beschäftigung von Syrern zu Dumping-Löhnen zunimmt. Es gibt eine Wettbewerbsverzerrung zwischen den Unternehmen, die Flüchtlinge illegal und legal beschäftigen. Die Syrer werden als Arbeiter in Branchen eingesetzt, die von der heimischen Bevölkerung nicht vorgezogen werden. Der Einsatz von Syrern in den Grenzgebieten zu Syrien hat einen positiven Effekt auf das Investitionsvolumen und den Arbeitermangel. Allerdings gibt es einen Rückgang bei den Löhnen.

Insbesondere aus der Region Aleppo kommen syrische Händler und Geschäftsleute in die Türkei, um Investitionen durchzuführen. Die Stadt Mersin ist ein besonders interessantes Ziel für die Syrer, da es sich um eine Hafenstadt handelt. Gaziantep ist eine weitere beliebte Destination. Vor dem Syrien-Konflikt betrug die Anzahl der angemeldeten Unternehmen bei der Industrie- und Handelskammer in Gaziantep 60. Bis zum Jahr 2014 stieg diese Anzahl auf 209 Firmen. Allerdings gibt es immer noch Defizite bei der Kanalisierung des syrischen Kapitals in die Türkei. Hier müssen weitere Maßnahmen getroffen werden. Die syrischen Geschäftsleute sind insbesondere im KMU-Sektor tätig. Dazu gehören Firmen wie Schuhhersteller, Bäckereien usw. Problematisch ist, dass ein Großteil diese Firmen nicht angemeldet sind, was zu einem Steuerverlust und zu einer Wettbewerbsverzerrung führt.

Während bei der heimischen Bevölkerung Gerüchte über kriminelle Machenschaften von Syrern im Umlauf sind, gibt es keine Tatsachen, die dies bestätigen können. Die Kriminalitätsrate unter den Syrern ist verschwindend gering. Viele Syrer leben in den Randbezirken, was die Integration der Menschen erschwert. Dies kann zu einem späteren Zeitpunkt zu Problemen führen, die die innere Sicherheit betreffen. Wenn die vollständige Integration der Menschen gelingt, werden die Syrer langfristig einen wichtigen Beitrag zur multikulturellen Gesellschaft beitragen. Deshalb müssen auch die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu den Syrern in Syrien aufrechterhalten werden, damit die Verbindungen zwischen den beiden Völkern enger gestrickt werden.“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Commerzbank-Aktie: Unicredit baut Anteil aus– Druck auf Bundesregierung wächst
25.08.2025

Die italienische Großbank Unicredit hat ihren Anteil an der Commerzbank-Aktie erneut aufgestockt und rückt damit einer möglichen...

DWN
Politik
Politik Schwarz-Rot im Herbst der Reformen: Versöhnliche Töne vor großen Entscheidungen
25.08.2025

Vor den anstehenden Auseinandersetzungen um zentrale Reformprojekte zeigen sich führende Vertreter der schwarz-roten Koalition um...

DWN
Politik
Politik „Es geht um Europas Sicherheit“: Klingbeil zu Gesprächen in der Ukraine
25.08.2025

Vizekanzler und Bundesfinanzminister Lars Klingbeil ist zu Gesprächen in die ukrainische Hauptstadt gereist, um über die deutsche...

DWN
Politik
Politik Ukraine bestätigt Angriff auf russischen Hafen und Ölraffinerie
25.08.2025

Die Ukraine verschärft ihre Angriffe auf Russlands Energieinfrastruktur: Mit Drohnenattacken auf den strategisch zentralen Hafen Ust-Luga,...

DWN
Finanzen
Finanzen Silber-Squeeze und Platin-Hype: Warum Anleger Gold neu denken müssen
25.08.2025

Gold steht im Rampenlicht. Doch Silber und Platin werden immer knapper – und gewinnen 2025 massiv an Bedeutung. Jetzt zeigt eine aktuelle...

DWN
Politik
Politik Bürgergeld statt Anstellung: Lohnt sich Arbeit in Deutschland überhaupt noch?
25.08.2025

Bürgergeld-Bezieher haben laut einer neuen Studie im Schnitt 500 Euro weniger im Geldbeutel als jemand, der in Deutschland Vollzeit...

DWN
Finanzen
Finanzen Die Börse akzeptiert kein Chaos: Warum Trump zur Randnotiz wird
24.08.2025

Donald Trump kann mit seinen Zollfantasien für Schlagzeilen sorgen – doch die Börse hat genug vom Chaos. Während Märkte den...

DWN
Finanzen
Finanzen Deutsche Goldreserven: Hoher Goldpreis, explodierende Staatsschulden – sollte die Bundesbank Gold zu Geld machen?
24.08.2025

Rekordschulden, Rekordausgaben: Der Bundeshaushalt steuert unter der schwarz-roten Regierung bis 2029 auf ein 850 Milliarden Euro schweres...