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Donald Trumps Steuerprogramm ist das Herzstück seiner Präsidentschaft. Wie in der Vergangenheit werden Steuersenkungen von republikanischen Regierungen als Allheilmittel für eine Konjunkturbelegung und angebotsseitige Wachstumspolitik gepriesen. Die Ausgangslage ist aber viel schlechter, und die Details enthüllen eine knallharte und irrwitzige Umverteilungspolitik.
Donald Trump legt, nach dem was man von seinem Wahlkampf weiß, den Fokus auf binnenwirtschaftliches Wachstum, vor allem auf diskretionäre Infrastrukturinvestitionen und Rüstungsausgaben. Bei den Staatsausgaben will er also zulegen. Daneben sollen Deregulierung und Beseitigung bürokratischer Hemmnisse die Unternehmen vitalisieren. Doch zusätzlich will er auf der Einnahmenseite durch Steuersenkungen für Private und Unternehmen die Wirtschaft antreiben. Die Märkte haben aufgrund dessen positiv reagiert. Die Steuersenkungen sind angesichts der Budget- und Schuldensituation einerseits, struktureller Merkmale der Besteuerung von Privaten und Unternehmen andrerseits höchst problematisch.
In der Wahlbroschüre liest sich das Ganze etwa folgendermaßen: Die Steuern sollen vereinfacht werden. Gezielte Steuersenkungen sollen die Haushalte und Unternehmen entlasten. Damit soll mehr für den Konsum übrigbleiben, und Anreize für wesentlich erhöhte Investitionen entstehen. Auch die Wettbewerbsfähigkeit im Außenhandel soll sich damit verbessern. Solche Steuersenkungen würden helfen, das Wirtschaftswachstum wesentlich zu beschleunigen. Trump versprach im Wahlkampf jährlich 4% Wirtschaftswachstum, ein Wert, der schon lange nicht mehr erreicht wurde, schon gar nicht im Durchschnitt über einen Zyklus. Im Effekt sollen aufgrund des erhöhten Wirtschaftswachstums die Steuereinnahmen sprudeln, obschon oder gerade weil die Steuersätze gesenkt wurden. Diese in der Substanz ultrakeynesianische Finanzpolitik soll also das Budgetdefizit mittel- und längerfristig beseitigen und die Staatsschulden im Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt stabilisieren respektive absenken.
Die Ausgangslage aber ist sehr kritisch: Die Bundesschuld (engl. ¨federal debt“) allein beträgt am Ende des Fiskaljahres 2016 (per 30. September 2016) rund 105% des nominellen Bruttoinlandprodukts (kurz ‚BIP’). Inklusive Schulden der Bundesstaaten und Gemeinden erreichen die Staatsschulden der USA fast 120% des BIP. Sie liegen also weit über denen der Eurozone (rund 92%) auf dem Niveau der Länder mit den höchsten Staatsschulden. Gemäß den bisherigen Projektionen soll des Budget-Büros des Kongresses bis 2020 ungefähr auf diesem Niveau verbleiben.
Die Graphik enthält dabei nicht alle Verbindlichkeiten des Staates. So sind die Verbindlichkeiten gegenüber Fannie Mae und Freddy Mac (den ‚Agencies’) nicht darin enthalten. Überhaupt nicht gezählt sind die nicht finanzierten Verbindlichkeiten aus den Sozialversicherungen. Richtig gerechnet sind die Vereinigten Staaten nicht weit von Italien entfernt. In Bezug auf unterfinanzierte Sozialversicherungen sogar um Einiges schlimmer dran.
Doch nicht nur ist die Ausgangslage delikat. Die inhärente Dynamik von Einnahmen und Ausgaben über mittlere und längere Frist ist miserabel. Die Staatschulden des Bundes haben sich in der Ära von Präsident Obama mehr als verdoppelt, von 9'000 Milliarden auf über 19'000 Milliarden Dollars. Ein beträchtlicher Teil ist der Finanz- und Wirtschaftskrise geschuldet, die Obama bei seinem Amtsantritt vorfand. Doch auch heute, mehr als 7 Jahre und einen Konjunkturaufschwung später, bleibt die Budget- und Schuldendynamik trostlos.
Auf der Ausgabenseite haben zwei große Positionen eine völlig ungebremste Wachstumsdynamik. Es sind dies die Rechtsansprüche (engl. ‚Entitlements’), vor allem die Renten (‚Social Security) und die Ausgaben für das Gesundheitswesen (‚Medicare’, ‚Medicaid’). Das sind die beiden grössten Positionen der Bundesausgaben mit einem Anteil von rund 60%. Beide Positionen werden aufgrund der demographischen Entwicklung mit dem Rückzug der Baby-Boomer Generation aus dem Erwerbsleben massiv weiter zulegen, dies über Jahre und Jahrzehnte hinweg. Im Wahlkampf hatte Donald Trump verlauten lassen, dass beide Positionen nicht angetastet werden sollen. Auch die Rüstungsausgaben sind, außer in den 1990er Jahren, enorm angewachsen. Ohne die Nullzinspolitik und die massiven Anleihenkäufe der amerikanischen Zentralbank wären schließlich die Zinslasten auf dieser rasant angewachsenen Staatsschuld weit in die Höhe geschnellt und hätten eine zusätzliche Beschleunigungswirkung entfacht.
Auf der Einnahmenseite stagnieren die Steuereinnahmen von den privaten Haushalten bei ungefähr 10% des Bruttoinlandprodukts. Die Erträge von Unternehmenssteuern liege seit Jahrzehnten bei rund 2% des Bruttoinlandprodukts. Die Verbrauchssteuern bringen ebenfalls nicht mehr so viel ein wie in der Vergangenheit. Und die Sozialversicherungsbeiträge leiden unter der Tatsache, dass die Nominallöhne in den USA gerade mal so stark steigen wie die Teuerung. Reallohnsteigerungen gibt es seit Jahrzehnten nicht mehr.
Für die Zukunft rechnete das OMB bei unveränderter Politik und moderatem Wirtschaftswachstum von rund 2% pro Jahr, also ohne Rezession, aufgrund der bisherigen Budgetprojektionen mit einem jährlichen Budgetdefizit von rund 3% des BIP. Dies entspricht ungefähr 550-600 Milliarden Dollar jährlich. Wie in Europa steigen die Staatschulden aber viel stärker, als dies durch die jährlichen Budgetdefizite abgebildet wird, nämlich um rund 1 Billion oder 1000 Milliarden.
Nun kommt also die neue Administration Trump und will die Ausgaben brüsk erhöhen und gleichzeitig die Steuersätze drastisch absenken. Was wären denn die Effekte von Steuersenkungen auf das Wirtschaftswachstum und indirekt auf die zukünftigen Steuereinnahmen?
Für die Einkommenssteuer von Personen hat Trump im Wahlkampf eine Vereinfachung der Progressionsstufen vorgeschlagen, mit nur noch 3 verschiedenen, einkommensabhängigen Steuersätzen anstelle der 7 bisherigen. Soviel zur Vereinfachung. Die wichtigsten Steuersenkungen, das zweite Element der Steuerreform, betreffen den maximalen Steuersatz sowie den Steuersatz für Zinseinkünfte, die beide von 39.6 % auf 33 % reduziert werden sollen. Für Kapitalgewinne und Dividenden soll der maximale Satz von 23.8% auf 20% reduziert werden. Der Trump-Steuerplan sieht ferner einen stark erhöhten Standard-Abzug vom Jahreseinkommen von 30'000 Dollars gegenüber aktuell 12'000 Dollars für alle Familien vor.
Um zu verstehen, was dies bedeutet, ist die Statistik der heute bezahlten Einkommenssteuern nützlich. Kern der Sache ist, dass rund 45% der amerikanischen Haushalte überhaupt keine Einkommenssteuer auf der Bundesebene bezahlen müssen oder können. Sie sind so einkommensschwach, dass sie überhaupt nichts bezahlen. Sie entrichten schon Steuern an den Bund, vor allem in der Form von Sozialversicherungs-Beiträgen und Konsumsteuern, aber keine direkten Einkommenssteuern. Auch die mittleren bis höheren Einkommen erbringen nur einen geringen Teil am gesamten Steueraufkommen. Das Gros des Steueraufkommens kommt von den obersten 20% der Einkommens-Pyramide, und effektiv von den Haushalten mit den allerhöchsten Einkommen. Die obersten 20% Einkommensbezieher entrichten nämlich mehr als zwei Drittel der Einkommenssteuer. Das oberste 1% bezahlt allein volle 43% der Einkommenssteuern. Die obersten 0.1%, das sind 115'000 Haushalte mit einem Jahreseinkommen von über 9.4 Millionen Dollars, leisten mehr als 20%. Der Effekt von Trumps Steuerplänen ist also eine erhebliche Steuersenkung für die reichsten und superreichsten Amerikaner. Ferner wird die obere Mittelklasse entlastet. Für sie wirkt sich vor allem der massiv erhöhte Standard-Abzug aus. Dadurch würde der Prozentsatz jener, welche überhaupt keine Einkommenssteuer auf Bundesebene entrichten, auf deutlich über 50% ansteigen. Fast die Hälfte der Bevölkerung, jene welche schon bisher keine Einkommenssteuer erbringen können, profitieren hingegen nichts von den Steuerplänen Trumps.
Ganz ähnlich sind die Verhältnisse und die Effekte bei der Gewinnsteuer für Unternehmen. Dort ist es nämlich so, dass rund 70% aller rund 1.7 Millionen Unternehmen überhaupt keine Gewinnsteuer bezahlen. Das sind vor allem kleine und mittlere Unternehmen. Und zwar gilt dies relativ unabhängig vom Konjunkturstand, in der Hochkonjunktur der Jahre 2006 oder 2007 genauso wie in der Rezession 2008/09. Die Gewinnsteuern werden fast ausschließlich von grösseren Unternehmen mit mehr als 10 Millionen Dollar Aktiven und von großen Unternehmen bezahlt. Bisher bezahlten sie einen Steuersatz von 35% auf die Gewinne, allerdings nach verschiedenen großzügigen Abschreibemöglichkeiten und nach Verrechnung mit den Verlustvorträgen der Vorjahre. Der effektiv bezahlte Steuersatz der grösseren profitablen Unternehmen lag im Durchschnitt effektiv bei rund 20% der Gewinne, mit deutlichen zyklischen Fluktuationen. Durch die von Trump vorgeschlagene Senkung des Gewinnsteuersatzes würde die effektive Steuerbelastung dieser Unternehmen erheblich sinken, auf ungefähr die Hälfte. Zusätzlich kommen andere Elemente hinzu, welche für Abweichungen in beiden Richtungen sorgen. Wichtig ist, dass analog zur Einkommenssteuer für die Haushalte das Gros der Unternehmen überhaupt nicht profitieren wird. Die Gewinner wären die grossen und sehr profitablen Unternehmen, welche ihren effektiven Steuersatz drastisch reduzieren könnten.
Für die Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit und die Rückkehr von Unternehmen, welche die Produktion ins Ausland ausgelagert haben, würden die Gewinne aus dem Ausland anders besteuert. Zudem käme ein einmaliger Steuersatz von 10% zur Anwendung, wenn Unternehmen ihre im Ausland gehorteten Cash-Bestände in die USA zurück transferieren würden. Bisher müssen sie dafür einen Steuersatz von 35% entrichten, der als prohibitiv gilt.
Die von Trump im Wahlkampf postulierte Steuerreform hat also massive Effekte, wobei aber deutlich zwischen makroökonomischen Nachfrage- und Angebotseffekten, Effekten auf den Staatshaushalt und auf die Einkommen und Gewinne unterschieden werden muss. Die makroökonomischen Effekte würde ich als gering bezeichnen. Wer bisher sehr hohe Einkommen oder Gewinne erzielte, wird noch mehr entlastet, und verdient nach Steuern noch mehr. Das sind Haushalte bzw. Unternehmen, die bisher schon in keiner Weise in Bezug auf Konsum und Investitionen durch ihre Vermögens- oder Einkommenssituation beschränkt waren. Wer dagegen bisher ernsthafte Liquiditäts- oder Vermögensrestriktionen hatte, kriegt gar nichts. Primär dann würde eine Steuersenkung aber die Nachfrage beleben und die Konjunktur zusätzlich anheizen. Durch diese Steuergeschenke an Reiche oder Superreiche sowie an profitable Großunternehmen werden als nicht massiv neue Arbeitsplätze geschaffen. Die Steuerreform und die parallele Ausgabenexpansion werden dadurch laufende Budgetdefizite und die Bundesschuld relativ zum BIP erheblich vergrößern. Die an der Börse notierten Grossunternehmen werden hingegen deutlich erhöhte Gewinne pro Aktie ausweisen können. Sie können auch zusätzlich höhere Dividenden zahlen und weitere Aktien zurückkaufen durch die Kasse, welche sie aus dem Ausland in die USA repatriieren. Die Gewinne und Dividende pro Aktie können also erheblich steigen.
In Bezug auf die politische Durchsetzbarkeit kann davon ausgegangen werden, dass die Perspektiven in den nächsten beiden Jahren sehr günstig sind. Die Vorschläge Trumps entsprechen recht weitgehend dem, was die Republikaner im Repräsentantenhaus an Entwürfen in den Budgetprozess eingebracht haben, mit kleineren Abweichungen hier und dort. Im Senat könnten einige finanzpolitisch konservative Republikaner Kopfzerbrechen haben angesichts der dadurch ausgelösten düsteren Budgetperspektiven, aber sie sollten durch Fraktionsdisziplin und Überzeugungsarbeit auf Kurs gebracht werden können.
Schon zweimal haben republikanische Administrationen mit einer Kombination von tieferen Steuern und höheren Ausgaben das Blaue vom Himmel versprochen. Erinnern Sie sich an die ‚supply side tax cuts’ von David Stockman und Paul Craig Roberts unter der Präsidentschaft von Reagan? Sie haben drastisch und permanent höhere Budgetdefizite produziert. Dabei waren damals effektiv Steuersenkungen angebracht, weil die kalte Progression in der Inflation der 1970er Jahre die Steuersätze drastisch erhöht hatte. Ähnlich war es mit der Regierung von George W. Bush 2000-2008, die ruchlos Ausgabenprogramme und Steuersenkungen sowie eine Deregulierung des Bankensektors kombinierte. Beide Male ist die Staatsverschuldung massiv und langfristig angestiegen. Heute ist die Ausgangsbasis eine ganz andere. Die Staatsschuld enthält bereits enorme nicht verbuchte Eventualitäten und eine miserable Budget- und Schuldendynamik.
Bezüglich Märkte können sicher zwei Schlussfolgerungen gezogen werden: Der amerikanische Aktienmarkt wird, falls diese Vorschläge in Kraft treten, ganz erheblich gestützt. In den letzten zwei Jahren waren fallende Gewinne und entsprechend teils obszön überhöhte Bewertungen Hindernisse. Mit einem solchen Programm verbessern sich die Gewinnperspektiven markant vor allem dort, wo eben schon Gewinnsteuern in den USA bezahlt werden. Umgekehrt ist es für die Obligationenmärkte. Die Aussicht auf drastisch erhöhte Budgetdefizite hat bereits jetzt zu einer Anpassung der Zinsen am Markt geführt. Diese Normalisierung dürfte wesentlich weiter gehen, falls diese Vorschläge Realität werden. Bisher war ich immer negativ für den Ausblick des amerikanischen Aktienmarktes. Falls das Konjunkturpaket auf Ausgaben- und Einnahmenseite kommt, muss ich mich diesbezüglich drastisch umorientieren. Auch für den Obligationenmarkt hätte dies einschneidende Konsequenzen: Es könnte durchaus das Ende des 35-jährigen Baissetrends im Dollar sein, mit massiven Rückwirkungen auf den Dollar und auf die Zinsen im Rest der Welt.
Um ein kompletteres Bild der Märkte zu haben, sind allerdings alle Elemente, die in unserer ersten Analyse und in diesem Artikel dargestellt wurden, zu verknüpfen. Und in diesem dritten Teil wird es noch einige überraschende Schlussfolgerungen geben.