Politik

Euro-Krise: „Ein kleiner Funke kann zum Flächenbrand führen“

Lesezeit: 4 min
07.01.2017 00:30
Der CDU-Finanzexperte Klaus-Peter Willsch erwartet, dass die Kosten für die Banken-Rettung in Italien über den ESM am Ende beim deutschen Steuerzahler landen werden.
Euro-Krise: „Ein kleiner Funke kann zum Flächenbrand führen“

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Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Die Bank Monte dei Paschi di Siena darf nun offensichtlich mit Steuergeldern gerettet werden. Doch damit würden die Regeln gebrochen, die seit Anfang dieses Jahres gelten. Diese sehen vor, dass bei einer drohenden Bankenpleite zunächst die Gläubiger herangezogen werden, bevor der Steuerzahler einspringt. Wie beurteilen Sie vor diesem Hintergrund einen möglichen erneuten Bail-out einer Bank?

Klaus-Peter Willsch: Seit jeher bin ich überzeugt, dass in einer marktwirtschaftlichen Ordnung die Rekapitalisierung einer Bank zunächst Sache der Eigner, dann der Großgläubiger ist. Erst wenn dies nicht ausreicht und das Kreditinstitut systemrelevant ist, kann – eigene finanzielle Leistungsfähigkeit vorausgesetzt – der Sitzstaat, in diesem Fall also Italien, helfen. Anderenfalls ist die Bank abzuwickeln. Mit den neuen Regelungen zu Bankenpleiten sollte der Teufelskreislauf zwischen Banken- und drohender Staatspleite durchbrochen werden. Jetzt kommt es zur Nagelprobe – und das Recht wird wieder einmal umgangen. Im Rahmen der vereinbarten Haftungskaskade müssten zunächst die Eigentümer und großen Gläubiger in Höhe von acht Prozent der Bilanzsumme der abzuwickelnden
Bank beteiligt werden. Dies soll offenbar nicht geschehen. Die Banca Monte dei Paschi di Siena (MPS) hatte im Jahr 2015 eine Bilanzsumme in Höhe von 169,237 Milliarden Euro. Mehr als 13,5 Milliarden Euro könnten bzw. müssten auf diesem Weg eingesammelt werden – also deutlich mehr als die EZB als Kapitalbedarf (8,8 Milliarden Euro) beziffert.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Halten Sie die vereinbarten Regeln zur Bankenabwicklung in der EU denn prinzipiell für sinnvoll?

Klaus-Peter Willsch: Nur wenn der Sitzstaat das Ende der Haftungskaskade bildet. Steht am Ende der ESM, also mittelbar auch der deutsche Steuerzahler, geht es erkennbar nur darum, für die Versäumnisse einer italienischen Bank andere geradestehen zu lassen. Es gab bereits vor Jahresende entsprechende Gerüchte, dass Italien ein Bankenrettungsprogramm beim ESM beantragen möchte.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Seit den Maastricht-Verträgen werden Vereinbarungen immer wieder gebrochen. Jedes Mal mögen sich dafür Gründe finden. Doch kann man eine Währungs- und Bankenunion aufbauen, ohne dass ihr ein verbindlicher Rechtsrahmen zugrunde liegt?

Klaus-Peter Willsch: Kurz- und mittelfristig vielleicht, aber langfristig auf keinen Fall.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Hat die italienische Bankenkrise das Potential, den Zusammenhalt der Währungsunion in seiner jetzigen Form zu gefährden? Und wenn ja, aus welchen Gründen?

Klaus-Peter Willsch: Das kann ich nicht sicher einschätzen und will auch nichts herbeireden. Aber der Krug geht nur so lange zum Brunnen, bis er bricht. Auch muss man zwischen Ursache und Anlass unterscheiden. Wenn Probleme lange genug nicht gelöst werden, kann irgendwann auch ein kleiner Funke zum Flächenbrand führen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Hat die Euro-Zone ohne eine Vergemeinschaftung der Schulden, für die Deutschland wohl zum größten Teil einstehen müsste, eine realistische Chance zu überleben?

Klaus-Peter Willsch: Ich habe bereits im Jahr 2011 einen Euro 2.0 vorgeschlagen, für den sich jeder Mitgliedstaat neu qualifizieren muss. Wer eine Schuldenvergemeinschaftung möchte, muss dies den Menschen klar sagen. De facto sind die Schulden schon vergemeinschaftet. Die Schulden werden nur erst am Sankt Nimmerleinstag fällig. So kann am Ende jeder die Verantwortung auf jemand anderen schieben.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Was halten Sie von der Idee, die Schulden auf EU-Ebene in einem Schuldentilgungsfond zu bündeln, um die höher verschuldeten Mitglieder zu entlasten? Oder glauben Sie, dass die Schulden von – in diesem Fall Italien – noch tragfähig sind?

Klaus-Peter Willsch: Ob die Schulden noch tragfähig sind, sollten ganz alleine die Anleihezeichner entscheiden. Je geringer die Schuldentragfähigkeit desto höher die Zinsen. Das einzig wirksame Mittel gegen zu hohe Verschuldung sind hohe Zinsen. Leider wurde der Zins als einzig objektiver Gradmesser durch Draghi ausgeschaltet. Ein Schuldentilgungsfonds würde nur Fehlanreize für frische Schulden setzen, da die Altschulden abgeschrieben werden würden.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Eine in Italien häufig gehörte Argumentationskette ist folgende: Der Euro ist zu stark für Italien. Deswegen sind die italienischen Betriebe nicht mehr konkurrenzfähig und gehen pleite. Deswegen können sie ihre Kredite nicht zurückzahlen und bringen die Banken in Schieflage und die kriselnden Banken wiederum gefährden den Euro. Was halten Sie von dieser Analyse?

Klaus-Peter Willsch: Seit den südeuropäischen Volkswirtschaften die Möglichkeit fehlt, die eigene Währung abzuwerten, leidet deren Wettbewerbsfähigkeit massiv. Von daher ist die Argumentation in gewisser Weise plausibel. Aber daraus sollte man auch Schlüsse ziehen. Entweder man muss an Wettbewerbsfähigkeit hinzugewinnen oder den Euro verlassen. Für Deutschland war der Abwertungsdruck der Südländer in der Zeit vor dem Euro immer ein Ansporn, qualitativ bessere Produkte und Verfahren auf den Markt zu bringen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Angela Merkel hat den Satz geprägt: „Scheitert der Euro, scheitert Europa.“ Stimmen Sie dieser Aussage zu?

Klaus-Peter Willsch: Europa ist mehr als eine Währung. Ich halte diesen Satz für ähnlich fatal wie „Wir schaffen das“.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Glauben Sie, dass es Mario Draghi gelingen wird, den Euro durch weitere massive Ankäufe von Staats- und anderen Anleihen sowie eine fortgesetzte Niedrigzinspolitik aus der Krise zu führen? Oder bringt das billige Geld am Ende mehr Schaden als Nutzen?

Klaus-Peter Willsch: Der Schaden ist weitaus größer als der Nutzen, den ich kaum erkenne. Es gibt gar keine Kreditklemme. Der Kleinsparer wird hingegen enteignet. Ebenso werden die Altersvorsorgepläne von zahlreichen Privaten zunichte gemacht, die auf Lebensversicherungen und Sparpläne gesetzt haben.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Glauben Sie, dass die EU und die EZB eine Pleite der MPS oder anderer italienischer Banken mit Blick auf die Wahlen in Frankreich, Deutschland und den Niederlanden – und gegebenenfalls Neuwahlen in Italien – auf alle Fälle verhindern werden?

Klaus-Peter Willsch: Das erscheint mir wahrscheinlich. Es ist nämlich generell immer leichter, ein Problem zu verschleppen, als es zu lösen. Diejenigen, die jetzt Verantwortung tragen, machen sich einen schlanken Fuß und reichen das Problem an die Generationen der Kinder und Enkel weiter.

***

Klaus-Peter Willsch ist seit 1998 Mitglied des Bundestages. Von 1998-2002 war er ordentliches Mitglied im Ausschuss für Finanzen, von 2002-2013 ordentliches Mitglied im Haushaltsausschuss und von 2009-2013 Obmann für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Haushaltsausschuss.

Bundesweit bekannt wurde er durch sein Abstimmungsverhalten anlässlich der Euro-Rettungspolitik. Bereits 2010 lehnte er als eines von fünf Mitgliedern der Koalition das erste Griechenlandpaket sowie den temporären Euro-Rettungsschirm EFSF ab.

Im November 2011 legte er mit seinem Thesenpapier „Euro 2.0“ eine Alternative zur vermeintlich alternativlosen Euro-Rettungspolitik vor. Im Mai 2012 schmiedete er mit dem Verband der Familienunternehmer, dem Bund der Steuerzahler und dem Bündnis Bürgerwille gemeinsam mit neun weiteren Abgeordneten von CDU/CSU und FDP die „Allianz gegen den ESM“. Trotz persönlichem Rekordergebnis bei der Bundestagswahl 2013 wurde er von der Fraktionsführung aus dem Haushaltsausschuss entfernt und wirkt seitdem im Ausschuss für Wirtschaft und Energie.

In seinem ausgesprochen lesenswerten Buch „Von Rettern und Rebellen: Ein Blick hinter die Kulissen unserer Demokratie“, einem Spiegel-Bestseller, beleuchtet Willsch die politischen Hintergründe der sogenannten „Euro-Rettung“.

 


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